Intensivpfleger aus Saarbrücken berichtet in Online-Tagebuch über schwierige Corona-Situation im Krankenhaus

Die Lage in den Krankenhäusern spitzt sich durch die hohen Corona-Infektionszahlen deutlich zu. Wie die Situation auf einer saarländischen Intensivstation ist, könnt ihr in dem Online-Tagebuch des 32-jährigen Intensivpflegers Karsten Schmitt nun genau nachlesen. Dort beschreibt der Leiter der Intensivstation des Winterberg-Klinikums Saarbrücken eindrücklich, was er und sein Team tagtäglich leisten müssen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.
Karsten Schmitt (rechtes Foto: Klinikum Saarbrücken gGmbH) erlebt viele Höhen und Tiefen auf der Intensivstation 43 des Winterbergklinikums in Saarbrücken. Symbolfoto links: picture alliance/dpa/Xinhua | Gianni Schicchi
Karsten Schmitt (rechtes Foto: Klinikum Saarbrücken gGmbH) erlebt viele Höhen und Tiefen auf der Intensivstation 43 des Winterbergklinikums in Saarbrücken. Symbolfoto links: picture alliance/dpa/Xinhua | Gianni Schicchi

Intensivpfleger aus Saarbrücken mit beeindruckendem Corona-Tagebuch

Karsten Schmitt ist 32 Jahre alt und arbeitet seit 2012 auf der Intensivstation 43 im Zentrum für Intensiv- und Notfallmedizin des Winterberg-Klinikums in Saarbrücken. Vor zwei Jahren wurde Schmitt Leiter der Station, nahezu parallel mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Der 32-Jährige kennt daher alle Höhen und Tiefen, die die Arbeit und Organisation auf einer Krankenhaus-Intensivstation während Corona mit sich bringen.

Online-Tagebuch soll Geschehnisse auf Intensivstation wirklichkeitsgetreu vermitteln

Diese Erfahrungen möchte Schmitt nun auch mit der Bevölkerung teilen. Deshalb hat er sich vor rund einem Monat dazu entschieden, fortan ein Online-Tagebuch zu führen, damit die Menschen im Saarland Eindrücke aus erster Hand erhalten, wie die Lage in den saarländischen Krankenhäusern tatsächlich ist. Statt abstrakter Meldungen will der pflegerische Leiter der Intensivstation das Thema Intensivpflege für Außenstehende möglichst lebendig machen. „Ich möchte den Menschen außerhalb der Krankenhäuser aufzeigen, welche Herausforderungen Tag für Tag auf uns warten und reflektieren, wie sich die Kollegen in diesen Situationen fühlen, ich möchte das Seelenleben der Mitarbeiter und auch meins darstellen. Ich möchte deutlich machen, dass dies kein Job wie jeder andere ist, den man einfach abarbeitet. Der Job ist so viel mehr und er birgt ganz viele Emotionen: Empathie, Wut, Traurigkeit und auch mal Freude. Ich finde es wichtig, dass die Menschen draußen das wissen“, beschreibt Karsten Schmitt seinen Antrieb für das Corona-Tagebuch selbst.

Auf eindrucksvolle Weise gelingt es dem 32-jährigen Intensivpfleger mit seinen Texteinträgen die Arbeit seines Teams und den damit verbundenen, schwierigen Spagat zwischen Corona und Alltagsgeschäft zu beschreiben. Schmitt verfasst zutiefst berührende Einträge, mit denen er die Dramatik der Lage darstellt. Er beschreibt den Frust seines Teams über die Corona-Politik und über die Impfverweigerer. Aber er berichtet auch von großem Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft, der den tagtäglichen Kampf um das Leben der Patient:innen erst möglich macht. Schmitt schafft so ein authentisches Online-Tagebuch, das sämtliche Seiten des Pflegeberufs durchleuchtet.

Dramatische Einträge über den Kampf um das Leben der Intensiv-Patient:innen

In mehreren Tagebucheinträgen schildert Schmitt den derzeitigen Kampf um die Leben der Intensiv-Patient:innen. Am 23. November 2021 schrieb der Leiter der Saarbrücker Intensivstation:

„Zu der extrem aufwändigen, allgemeinen Versorgung unserer Covid-Patienten mussten wir einen 52-jährigen Mann reanimieren, dieser hat eine ECMO +Impella von uns implantiert bekommen. Beide Maschinen sind zur Herzunterstützung angedacht, sie dienen dazu, die Organdurchblutung sicherzustellen. Da das Herz von Herr P. keine eigenständige Tätigkeit mehr aufwies, war die Anlage der beiden Verfahren alternativlos. Allein diese Maßnahme hat drei Pflegekräfte für mehrere Stunden gebunden. Somit waren eigentlich alle Ressourcen aufgebraucht, um die Aufgaben an unseren Covid-Patienten korrekt und rechtzeitig durchführen zu können“.

Frust über Corona-Politik und Impfverweigerer ist groß

Das ständige Bangen und Hoffen sowie das kräftezehrende Arbeiten unter Extrembedingungen sorgt für großen Frust unter der Krankenhausbelegschaft. In mehreren Einträgen von Ende November beschreibt Schmitt die unbefriedigende Situation, für die er vor allem auch die Politik verantwortlich macht.

„Am heutigen Montag ist die Stimmung im Team, was Corona betrifft, eher gedrückt. Die allgemeinen Verordnungen und Einschränkungen des täglichen Lebens beschäftigen auch das Personal auf meiner Intensivstation. Die Kollegen sind es leid, dass nach fast zwei Jahren Pandemie noch die gleichen Probleme bestehen wie zu Beginn. Dabei steht die Lösung für das Problem mit dem Impfstoff parat. Diese Situation ist für die Pflegekräfte einfach frustrierend und es ist für sie kaum nachzuvollziehen, wie es zu so vielen Impfverweigerern kommen kann“.

„Es ist und bleibt eine unheimlich herausfordernde Arbeit, die einem wirklich sowohl physisch wie psychisch alles abverlangt. Es ist kein Jammern von den Kollegen, sondern Frust, egal ob aus der Politik oder der Gesellschaft stammend, der Frust ist groß und die Tage des Klatschens sind lange vergessen“.

„Heute haben wir die zunehmende Dynamik der steigenden Coronazahlen zu spüren bekommen. Für alle im Team ist es befremdlich, dass trotz dieser extrem hohen Zahlen keine Reaktion aus der Politik kommt, um die Krankenhäuser zu unterstützen. Wir stellen uns allesamt darauf ein, dass die nächsten Wochen hart werden und dass von einer besinnlichen Weihnachtszeit nichts zu spüren sein wird“.

Zusammenhalt im Team macht Unmögliches möglich

Schmitt beschreibt in mehreren Einträgen auch den tollen Zusammenhalt in seinem Team, für das er große Dankbarkeit zeigt. Nur durch den unermüdlichen Einsatz aller Pflegekräfte kann so die dramatische Lage auf der Intensivstation überhaupt noch gestemmt werden. Die Arbeit der Pfleger:innen kann man unter den geschilderten Eindrücken überhaupt nicht hoch genug einschätzen. Karsten Schmitt macht sich aber auch große Sorgen, wie lange die Mitarbeitenden der Intensivstation das extreme Pensum noch abrufen können, wie der folgende Eintrag exemplarisch aufweist:

„In solchen Situationen spürt man sehr schnell, wie alle – trotz viel Frust und Kummer – mitziehen und den „Laden“ am Laufen halten. Die Frage wird sein, wie lange man diese Einstellung aufrechterhalten kann, die Motivation und Kraftreserven sind nach fast zwei Jahren Pandemie eher leer als voll und die personelle Situation hat sich nicht gerade verbessert in den letzten Jahren“.

Dabei ist es nicht nur die Corona-Lage, die dem Krankenhauspersonal zu schaffen macht. Es ist vor allem auch die chronische Unterbesetzung der Station, wie der folgende Eintrag zeigt:

„Die Lage an der Corona-Front hält sich am heutigen Tag stabil. Es sind heute eher die vielen Ausfälle aus dem Personalpool, die uns Probleme bereiten, einige Kollegen sind angeschlagen und die letzten beiden Jahre haben bei vielen Spuren hinterlassen. Eine ohnehin angespannte Personaldecke, die über Jahre von der Politik ignoriert wurde, zeigt spätestens in einer Pandemie, wo die Grenzen liegen“.

Hier könnt ihr die Lage auf der Intensivstation in Saarbrücken verfolgen

Karsten Schmitt hat in seinem Corona-Tagebuch zahlreiche weitere eindrucksvolle Einträge verpasst, die es sich zweifellos zu lesen lohnt. Das komplette Online-Tagebuch ist abrufbar unter: „Corona-Tagebuch: Die vierte Corona-Welle“.

Verwendete Quellen:
– Online-Tagebuch von Karsten Schmitt vom Wingterberg-Klinikum Saarbrücken
– eigene Recherche