Gewerkschafter warnen: Droht eine Überfüllung in Saar-Gefängnissen?

Gefängnisse im Saarland und Rheinland-Pfalz befürchten aktuell eine drohende Überfüllung. Der Grund: Wenn Menschen Geldstrafen nicht mehr zahlen können, müssen sie Ersatzfreiheitsstrafen antreten. Dieser Fall könnte wegen gestiegener Lebenshaltungskosten nun häufiger eintreten. Die Bediensteten im Vollzug seien jedoch bereits am Limit.
Gewerkschaften fürchten wegen Inflation und Preissteigerungen eine Flut von Ersatzfreiheitsstrafen. Symbolfoto: Christophe Gateau/dpa-Bildfunk
Gewerkschaften fürchten wegen Inflation und Preissteigerungen eine Flut von Ersatzfreiheitsstrafen. Symbolfoto: Christophe Gateau/dpa-Bildfunk

Die Gewerkschaften des Justizvollzugs in Rheinland-Pfalz und im Saarland warnen vor einer drohenden Überbelegung von Gefängnissen. Die Befürchtung: „Eine Flut von Inhaftierten“ wegen Ersatzfreiheitsstrafen. Das erklärten der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Winfried Conrad, und sein saarländischer Kollege Markus Wollscheid, am Mittwoch (31. August 2022) in Trier. Ersatzhaft treten Verurteilte an, die Geldstrafen nicht zahlen können.

Wegen Corona aufgeschobene Freiheitsstrafen stehen nun an

Die Vollstreckung dieser Strafen war wegen der Corona-Pandemie aufgeschoben worden. Nun erfolgen sie laut Conrad jedoch wieder. In Rheinland-Pfalz stünden in 5.000 bis 6.000 Fällen Zahlungen oder Vollstreckungen an. Im Saarland seien es rund 1.000 noch ausstehenden Verfahren, so Wollscheid.

Inflation und Preissteigerungen führen zu mehr Ersatzinhaftierungen

Doch auch ein weiterer Faktor könnte zu einem „Belegungs-Tsunami“ führen: Wegen der Inflation und steigenden Preisen können mehr Menschen ihre Geldstrafen nicht bezahlen. Es drohen dadurch vermehrt Ersatzfreiheitsstrafen. Die Zahlen könnten so auch im Bereich der Kleinkriminalität „explodieren“. Für jene Delikte verhängen Gerichte häufig Geldstrafen.

Aussetzung von Ersatzfreiheitsstrafen gefordert

Die Gewerkschaft fordert daher für ein Jahr Ersatzfreiheitsstrafen von unter 30 Tagen auszusetzen. „Um vorzubeugen, dass diese Welle, wenn sie kommt, uns nicht überrollt“, argumentiert Conrad vom Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands. Auch Maßnahmen wie eine Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafen und mehr Möglichkeiten, Strafen durch gemeinnützige Arbeit abzuleisten, seien denkbar.

Nur geringe Zahl von Inhaftierten mit Strafen unter 30 Tagen

In Rheinland-Pfalz beträfe die vorgeschlagene Ausnahmeregelung nur wenige Gefangene. Von den 2.602 Männern, die sich am 19. August im Erwachsenenvollzug befanden, verbüßen 223 eine Ersatzfreiheitsstrafe. Bei nur 37 liegt diese unter 30 Tagen, so das Justizministerium. In der JVA Ottweiler im Saarland seien im Schnitt nur rund 25 Personen mit Ersatzfreiheitsstrafen untergebracht. Laut der Gewerkschaftschefs seien die Gefängnisse in beiden Bundesländern zu rund 90 Prozent belegt.

Bedienstete im Justizvollzug am Limit

Wie Wollscheid und Conrad erklären, seien Bedienstete im Justizvollzug bereits „am Limit“. Viele Ersatzstrafhäftlinge hätten zudem gesundheitliche Probleme wie psychische oder Sucht-Erkrankungen. Das erhöhe den Behandlungsaufwand zusätzlich. Die Ersatzinhaftierungen bedeuteten für die Bediensteten eine Mehrbelastung, kritisiert auch der Vollzugsbedienstete und Gewerkschaftler Stefan Ternes von der Justizvollzugsanstalt Trier. Im Strafvollzug in Rheinland-Pfalz habe es Ende 2021 insgesamt 207.557 Überstunden gegeben. „Das geht jedes Jahr immer mehr nach oben“, so Ternes. Zudem seien landesweit 150 Stellen nicht besetzt.

Ministerium will Häufung von Haftantritten verhindern

Das Ministerium erklärte, dass den Staatsanwaltschaften die Herausforderungen bewusst seien, die die Wiederaufnahme der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen mit sich bringe. Daher wolle man darauf achten, dass nicht zu viele Haftantritte gleichzeitig erfolgten. Bereits jetzt biete man den Verurteilten zudem verschiedene Möglichkeiten an, eine Inhaftierung zu vermeiden.

So können Verurteilte eine Ersatzinhaftierung vermeiden

Seit einiger Zeit kann man Geldstrafen auch noch kurz vor Haftantritt begleichen. An der Pforte der JVAs gebe es inzwischen Geldautomaten, mit denen man – quasi in letzter Minute – noch die ausstehenden Zahlungen tätigen könne, so eine Sprecherin. Nur zehn Prozent der Geldstrafen würden als Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt. Darüber hinaus habe etwa die JVA Wittlich ihre Haftplatzkapazität jüngst ausgebaut.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur