Süß, aber gefährlich: Hat Rheinland-Pfalz ein Waschbären-Problem?
Waschbären auf dem Vormarsch: Gefährden sie die Artenvielfalt in RLP?
Wachbären breiten sich in Rheinland-Pfalz kontinuierlich aus. Werden die niedlichen Allesfresser dadurch zu einem Problem? Die Jäger sagen: Nein. Auch die Landwirte berichten von keinen Schäden. Sorgen haben dagegen die Naturschützer. Sie fürchten, dass die überwiegend nachtaktiven Raubtiere zunehmend eine Gefahr für am Boden brütenden Vögel und Amphibien werden können. Aber sollte deshalb verstärkt Jagd auf Waschbären in Rheinland-Pfalz gemacht werden?
Der Waschbär gilt als ausgesprochen anpassungsfähiger Allesfresser. Natürliche Feinde haben die mittelgroßen Säugetiere nicht. Deutschlandweit sind nach Schätzungen mittlerweile rund zwei Millionen Exemplare anzutreffen, Tendenz steigend. Konkrete Zahlen zur Population in Rheinland-Pfalz gibt es zwar nicht. Dass auch im Land aber zunehmend mehr der dämmerungs- und nachtaktiven Tiere unterwegs sind, zeigen Statistiken des Landesjagdverbands.
Höhere Abschusszahlen
Die Abschusszahlen beim Waschbär erhöhten sich im Vergleich zum vorherigen Jagdjahr um gut 75 Prozent auf fast 3.300 Tiere. Vor zehn Jahren standen nur rund 200 Tiere in der Jagdstatistik in Rheinland-Pfalz. Nach einzelnen Stichproben unter den rund 4.500 Jagdbezirken werden auch mehr angesiedelte Tiere gezählt.
Keine Rufe von Jägern nach mehr Waschbärenjagd
Der Waschbär gehöre zwar zu den invasiven und gebietsfremdem Arten, die verstärkt bejagt würden. Verhältnisse wie im Nachbarland Hessen gebe es in Rheinland-Pfalz aber nicht. Nachdrückliche Rufe aus der Jägerschaft, der Waschbär sollte in Rheinland-Pfalz stärker bejagt werden, seien ihr – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – nicht bekannt, sagte eine Sprecherin des Landesjagdverbands. „Aktuell werden keine konkreten Forderungen für die aktive Jagd der Waschbären gestellt.“
Zuletzt hatte der Deutsche Jagdverband erklärt, die häufigsten Raubsäuger seien derzeit der Fuchs und der Waschbär. Die gelte es zu bejagen. Gerade beim Waschbär sei die Fangjagd, also die Jagd mit einer Falle, essenziell. Bund und Länder seien aufgefordert, sich zur Jagd auf Fuchs, Waschbär und andere Raubsäuger als Instrument für den Artenschutz zu bekennen. Besonders verbreitet sind die Tiere demnach derzeit in Nordhessen, Südniedersachsen und Brandenburg.
Edersee als Ausgangspunkt
Das Aussetzen zweier Waschbärpaare am 12. April 1934 am nordhessischen Edersee gilt als das für die Verbreitung des ursprünglich aus Nordamerika stammenden Raubtiers in Europa wichtigste Ereignis. Auch flohen 1945 nach einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg auf eine Pelztierfarm bei Strausberg in Brandenburg einige Tiere. Seit 2016 werden sie auf der sogenannten Unionsliste geführt, die invasive Arten in der EU enthält.
Eine ähnlich zurückhaltende Einschätzung wie die des Landesjagdverbands kommt von den Bauern- und Winzerverbände in Rheinland-Pfalz. Zwar würden vereinzelt Schäden von Waschbären registriert. Aber von flächendeckenden Problemen ist weder dem Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd noch dem Verein Landschaft verbindet aus Rheinland-Pfalz etwas bekannt.
Naturschutzverbände haben Sorgen
Hat Rheinland-Pfalz damit keine Waschbären-Probleme? Eine solche Entwarnung kommt von den Naturschutzverbänden im Land nicht. Denn auf der Speisekarte des anpassungsfähigen Allesfressers stehen auch Eier und Jungvögel, der auf dem Boden brütende Kiebitz, der Rotmilan, Amphibien, Fledermäuse, Fische und Reptilien. Die Verbände äußern deshalb Sorge, dass die Waschbären die Lebensräume dieser seltenen Arte bedrohen könnte.
Es sei zwar unwahrscheinlich, dass der Waschbär in naturnahen Lebensräumen tatsächlich einzelne Arten bedeutend gefährdet, erklärt der Bund für Umwelt und Naturschutz in Rheinland-Pfalz (BUND). Es sollte jedoch eine effektive Kontrolle der Waschbärenpopulation geben, mahnt der BUND. So könnten schutzwürdige Gebiete gesichert und gefährdete Arten bewahrt werden.
Für Bejagung, aber gegen Bekämpfung
Der aktuelle Wissensstand rechtfertige die Bejagung und das Management, nicht jedoch die Bekämpfung der Tiere. Die Bejagung der Waschbären sollte nach Einschätzung des BUND daher durch Fachpersonen und im Zusammenspiel mit Artenschutzmaßnahmen in Form eines nachhaltigen Konfliktmanagements erfolgen.
Auch der Naturschutzbund Rheinland-Pfalz (Nabu) spricht sich aus Artenschutzgründen für ein Wildtiermanagement aus, das auch die Bejagung umfasst. Diese sollte jedoch dem Naturschutzrecht unterliegen und aus Artenschutzgründen stets genauestens geprüft werden, betont der Nabu.
Waschbär reagiert mit erhöhter Fortpflanzungsrate
Auf die übliche Form der Bejagung, bei der einzelne Tiere geschossen werden, reagiert der Waschbär nach Angaben der beiden Naturschutzverbände in der Regel mit einer erhöhten Fortpflanzungsrate. Befürchtet wird auch, dass dann neue Tiere aus den umliegenden Gebieten in den unbesetzten Lebensraum nachrücken.
Flankiert wird die Einschätzung der Naturschutzverbände von einer Studie vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Demnach können Waschbären einheimische Arten gefährden, weil sie Amphibien und Reptilien töten und fressen. Deshalb sei es notwendig, in Gebieten, in denen seltene Arten vorkommen, Managementmaßnahmen für Waschbären festzulegen.
Freie Wähler fordern Informationen von der Landesregierung
Wie geht es weiter mit dem Waschbären in Rheinland-Pfalz? Die Freien Wähler im Mainzer Landtag haben die Landesregierung in einer parlamentarischen Anfrage aufgefordert, über den Stand der Population zu berichten und ein umfassendes Managementkonzept vorzulegen, das alle betroffenen Akteure einbezieht. Gerade in der Westpfalz sei ein vermehrtes Aufkommen der invasiven Art zu beobachten. „Waschbären haben in Deutschland keine natürlichen Feinde und können sich daher stark vermehren“, argumentiert die Parlamentarische Geschäftsführerin Lisa-Marie Jeckel.
Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) sieht dagegen keinen Grund für entsprechende Schritte, da die Population der Waschbären in Rheinland-Pfalz vergleichsweise klein sei. Neben den allgemeinen jagdlichen Maßnahmen werde nur auf Öffentlichkeitsarbeit gesetzt. Gezielte oder geplante jagdliche Managementmaßnahmen zum Waschbären gebe es derzeit nicht, berichtet die Ministerin.
Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur