Nach Tötung auf Wittlicher Kirmes: Wie der Prozess vor dem US-Militärgericht abläuft
US-Militärs richten über Tötungsdelikt auf Wittlicher Kirmes
Eine tödliche Messerattacke auf einen 28-Jährigen vor gut einem Jahr bei einer Kirmes in Wittlich wird ab dem heutigen Montag (30. September 2024) von einem Militärgericht auf der US-Airbase Spangdahlem in der Eifel aufgearbeitet. Angeklagt ist ein amerikanischer Soldat, der auf dem Militärflugplatz beim Bodenpersonal für Wartung und Transport von Fracht zuständig war. Ihm werden ein „nicht geplanter“ Mord, schwere Körperverletzung und Behinderung der Justiz vorgeworfen.
Auf der traditionellen Säubrennerkirmes war es im August 2023 nach deutschen Angaben zu einem Streit zwischen zwei US-Soldaten und dem späteren Opfer gekommen. Bei einem „Gerangel“ aus unklaren Gründen sei der 28-Jährige mit dem Messer tödlich verletzt worden. Die Strafverfolgung wurde gemäß einem Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut von den deutschen Behörden an die US-Militärjustiz abgegeben.
Dem angeklagten 26-Jährigen, der den drittniedrigsten Dienstgrad der US-Luftwaffe hat, droht bei einem Schuldspruch lebenslange Haft. Zudem werde er dann unehrenhaft aus dem Militär entlassen, hieß es. Der zweite Soldat sei durch eine Disziplinarmaßnahme bereits bestraft worden, sagte eine Sprecherin der Airbase.
Der Prozess, der bis 11. Oktober terminiert ist, beginnt mit verfahrenstechnischen Dingen wie der Anhörung von Anträgen und der Auswahl von Geschworenen. Danach erst stehen sogenannte Eröffnungsplädoyers an, in denen die Parteien auf schuldig oder nicht schuldig plädieren. Im Anschluss startet die Beweisaufnahme, Zeugen werden gehört.
Solche Prozesse gibt es wenige
Prozesse vor US-Militärgerichten in Deutschland sind selten. In Spangdahlem waren es im vergangenen Jahr vier, in Ramstein fünf Verfahren. Zumindest seit 2016 gab es an beiden Standorten kein Verfahren wegen Mordes. Der Prozess dürfte schon bei seinem Beginn die Unterschiede nicht nur zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Rechtssystem aufzeigen – sondern auch zwischen der zivilen und der militärischen Strafjustiz der USA.
Warum der Alkoholkonsum eine entscheidende Rolle spielt
Der Vorwurf des nicht geplanten oder nicht vorsätzlichen Mordes („unpremeditated murder“) wird in dem verbindlichen Handbuch für Militärgerichtsverfahren („Manual for Courts-Martial“) erläutert. Ein „vorsätzlicher Mord“ liegt demnach mit „dem Entstehen eines konkreten Tötungsvorsatzes und der Abwägung der beabsichtigten Tat“ vor. Diese Tat könnte mit dem Tod bestraft werden.
Allerdings kann „freiwillige Intoxikation“ wie Alkoholkonsum laut Handbuch dazu führen, dass die Tat als „nicht vorsätzlicher“ Mord gewertet wird. In diesem Fall droht maximal lebenslange Haft. Die Frage nach möglicher Trunkenheit hat also bei diesem Verfahren allergrößte Bedeutung.
Ein Richter und mindestens acht Geschworene
Das Handbuch, mit dem das US-Militärgesetz (Uniform Code of Military Justice) verbindlich interpretiert wird, hält ausdrücklich fest, dass auch diese etwas weniger streng bestrafte Form des Mordes kein Totschlag („manslaughter“) sei, der mit zwischen 10 und 20 Jahren Haft bestraft wird.
Das für schwere Straftaten zuständige Militärgericht („General Court Martial“) besteht aus einem Militärrichter, der auch ein erfahrener Jurist ist. Ihm stehen demnach mindestens acht Geschworene zur Seite. Diese Geschworenen sind normalerweise Offiziere, die vom Kommandeur der Einheit vorgeschlagen werden. Ankläger und Verteidiger können bestimmte vorgeschlagene Geschworene ablehnen.
Im Unterschied zu zivilen Strafprozessen in den USA muss die Jury ihr Urteil nicht einstimmig fällen: Eine Dreiviertel-Mehrheit reicht. Der Angeklagte könnte auch darauf bestehen, dass nur der Vorsitzende Richter entscheidet. Dies gilt aber als sehr unwahrscheinlich.
Verfahren von „anderem Klima“ geprägt
„Solche Prozesse sind nicht alltäglich“, sagt auch Ron-Jo Koenen vom Lehrstuhl für deutsches und europäisches Strafrecht an der Universität Trier. Die „Grobstruktur“ des Prozesses sei deutschen Verfahren ähnlich: Es gebe eine Eröffnung, eine Beweisaufnahme und ein Urteil nach vorangegangenen Plädoyers. „Aber die Einzelheiten sind doch sehr unterschiedlich und das Verfahren als solches ist von einem anderen Klima geprägt“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter.
Ein wesentlicher Unterschied sei, „dass wir hier eine Ad hoc Gerichtsbarkeit haben: Wir haben hier kein ständig tagendes Gericht, sondern das Gericht wird in seiner jeweiligen Zusammensetzung speziell nur für dieses Verfahren einberufen“. Und dann gebe es in der Regel noch eine Jury aus Geschworenen.
Wenn die Todesstrafe im Raum gestanden hätte, hätte das Verfahren nicht in Deutschland stattfinden dürfen, sondern in die USA verlegt werden müssen, erklärt Koenen. Er ging davon aus, dass der Angeklagte im Fall einer Verurteilung „höchstwahrscheinlich in ein Gefängnis nach Amerika ausgeflogen“ werde.
Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur