„Es Laura“: Warum für Frauen im Saarländischen das Neutrum verwendet wird

Weibliche Vornamen werden im Saarland gerne mit dem Pronomen "es" ergänzt. Anna ist "es Anna" und Laura "es Laura". Das stößt andernorts oftmals auf Verwirrung, passiert aber nicht nur aus Gewohnheit, sondern aus - inzwischen sogar gutem - Grund.
Im Saarland ist es normal, weiblichen Vornamen ein "es" voranzustellen. Foto: Pixabay, Bearbeitung: SOL.DE
Im Saarland ist es normal, weiblichen Vornamen ein "es" voranzustellen. Foto: Pixabay, Bearbeitung: SOL.DE

Wer erinnert sich noch an eine Folge der „Super-Nanny“, in der Katja Saalfrank das Saarland besucht? Nach ersten Gesprächen mit der Familie fragt die Pädagogin schockiert den Vater: „‚Sie‘ ist also ‚es‘?“ Wenn er über seine Tochter sprach, hatte der Mann konsequent das neutrale Pronomen verwendet.

„Es“ und „das“ im Saarland selbstverständlich

Im Saarland ist dieser Sprachgebrauch ganz selbstverständlich. In mehreren Dialekten fügen Sprecher:innen zu weiblichen Vornamen den neutralen Artikel „das“ oder das Pronomen „es“ hinzu. Die Tochter ist dann eben „es Laura“ oder „das Laura“ und die Freundin „es Anna“ oder „das Anna“. Laut Sprachwissenschaftler:innen gehe es dabei immer um eine Beziehung. Das Neutrum mache deutlich: Laura und Anna gehören zur Gemeinschaft.

Sprachphänomen betonte früher den niedrigen Status der Frau

Vor einigen Hundert Jahren hatte die Kombination jedoch noch eine ganz andere Bedeutung. Laut der Mainzer Sprachwissenschaftlerin Simone Busley könne das Sprachphänomen bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden. „Es“ und „das“ vor dem Namen drückten damals den niedrigen Sozialstatus der Frau aus.

„Gerade die unverheirateten Frauen hatten früher einen Kinderstatus sozusagen. Das Neutrum ist das Genus für Kinderbezeichnungen“, so Busley. Daher heiße es „das Kind“, „das Baby“, „das Mädchen“ und „das Fräulein“. Bei Bezeichnungen für Jungen und Männer ist das anders. Wie Kinder hatten Frauen eine niedrige Stellung in der Gesellschaft.

Heute drückt das Neutrum Vertrautheit aus

Heute jedoch drücke das Neutrum Vertrautheit aus. „Wenn man ‚das Simone‘ ist, dann ist das nett und der Sprecher integriert die Person in die Gemeinschaft“, so Busley. Laut der Sprachwissenschaftlerin sei der Wandel hin zu einer positiven Implikation im Laufe des 20. Jahrhunderts passiert. Das ist mitunter der häufigen Verwendung zu verdanken. „Je mehr Frauen dieses Neutrum bekommen, desto normaler wird das. Irgendwann wird das nur noch mit weiblich und jung assoziiert.“

Heute sei der Gebrauch von „es“ oder „das“ bei Frauennamen nicht nur im Saarland völlig normal, sondern auch im Norden von Rheinland-Pfalz. „Es gibt Regionen, da verwendet man eigentlich immer das Neutrum im Dialekt, wenn man die Frau mit dem Rufnamen anspricht.“ Als Beispiel nennt sie einen Satz, der für Saarländer:innen ganz normal klingt: „Das Silke kommt heute nicht, es ist krank.“

Mütter und Großmütter sind die Ausnahme

Eine Ausnahme von der Regel gibt es allerdings: Spricht man von Müttern und Großmüttern, ist nicht von „es“ oder „das“ die Rede. „Das Neutrum darf man nur bei Frauen verwenden, die man beim Rufnamen nennt und das macht man bei der Mutter und der Großmutter ja nicht.“ Und zugegeben, der Satz „Mama kommt heute nicht, es ist krank“, klingt selbst in saarländischen Ohren falsch.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– eigene Recherche