Prozess um tödlichen Brandanschlag von Saarlouis: Bewertung des Angeklagten nach Jugendrecht?

Vor 32 Jahren war es in einem Saarlouiser Asylbewerberheim zu einem tödlichen Brand gekommen. Derzeit angeklagt ist ein heute 52-Jähriger. Laut einer Gutachterin soll der Deutsche nach Jugendrecht bewertet werden:
Bei dem Brandanschlag in Saarlouis war Samuel Yeboah ums Leben gekommen. Fotos: Landespolizeipräsidium Saarland
Bei dem Brandanschlag in Saarlouis war Samuel Yeboah ums Leben gekommen. Fotos: Landespolizeipräsidium Saarland

Prozess um tödlichen Brandanschlag von Saarlouis: Bewertung des Angeklagten nach Jugendrecht?

Nach Einschätzung der Jugendgerichtshilfe und einer Gutachterin soll der Angeklagte im Prozess um einen tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim 1991 in Saarlouis nach Jugendrecht bewertet werden. Zerrüttete Familienverhältnisse, Beziehungsbrüche, Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie einschlägige Delikte und extremer Alkoholkonsum des Angeklagten sprächen für die Anwendung des Jugendstrafrechts, sagte eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe am heutigen Dienstag (19. September 2023) vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Die forensisch-psychiatrische Gutachterin schloss sich der Einschätzung an.

20 Jahre alt zum Tatzeitpunkt

Der Angeklagte sei bereits 1990 und 1993 wegen anderer Delikte nach Jugendstrafrecht verurteilt worden, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte 20 Jahre alt und damit laut Gesetz ein Heranwachsender. Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Werden Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nach Jugendstrafrecht verurteilt, sind nur in seltenen Fällen bei Mord mit besonderer Schwere der Schuld bis zu 15 Jahre möglich.

Samuel Yeboah stirbt bei dem Feuer

Die Bundesanwaltschaft wirft dem heute 52-jährigen, deutschen Angeklagten vor, den Brand aus rassistischer Gesinnung gelegt zu haben. Der damals 27-jährige Asylbewerber Samuel Yeboah aus dem westafrikanischen Ghana war infolge der Flammen gestorben. Der Angeklagte hatte im Prozess ausgesagt, bei dem Brand dabei gewesen zu sein. Gelegt habe das Feuer aber ein damaliger Bekannter aus der Skinhead-Szene. Der Prozess läuft bereits seit November 2022.

Entschuldigung nach all den Jahren

Zu Beginn des Verhandlungstages überraschte der Angeklagte mit einer weiteren Einlassung. Er bereue sein Fehlverhalten im Jahre 1991, ließ er über seinen Anwalt vorlesen. Er habe ein Mitglied einer Gruppe sein und dazugehören wollen. Mittlerweile habe er sich aber distanziert und sei Vater. Von Freunden und Familie für ihn gesammeltes Geld in Höhe von 3.000 Euro wolle er den Brandopfern zur Verfügung stellen.

Schwere Familienverhältnisse

Im Prozess ging es am Dienstag neben der Frage des Jugendrechts vor allem um die damaligen Lebensverhältnisse und den Alkoholkonsum des Mannes. Der Angeklagte habe sein Leben damals ohne Weitsicht auf die Konsequenzen geführt, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Der erste Bruch in seinem Lebenslauf sei geschehen, als er erfahren habe, dass sein Stiefvater nicht sein leiblicher Vater sei. Dieser Vertrauensbruch habe tiefgreifende Veränderungen in der Familie ausgelöst.

Zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss

Für klassische psychiatrische Erkrankungen gebe es keine Anhaltspunkte, sagte die forensisch-psychiatrische Gutachterin Sylvia Leupold. „Wohl gibt’s Hinweise auf eine nicht unproblematische Persönlichkeitsentwicklung.“ Das damalige Leben des Angeklagten sei sehr vom Lustprinzip geprägt gewesen. Der Angeklagte habe „überhaupt keine Reflexion“ der Konsequenzen gehabt. Es gebe Hinweise für eine leichte Alkoholkonsumstörung in den damaligen Jahren, sagte Leupold. Zum Tatzeitpunkt sei der Angeklagte alkoholisiert gewesen. Allerdings sei eine gewisse Bewusstseinsklarheit da gewesen.

Auf den Tag genau – 32 Jahre nach dem Brandanschlag am 19. September 1991 – wurde am heutigen Dienstag die Beweisaufnahme des Prozesses geschlossen. Nach 44 Hauptverhandlungstagen steht am kommenden Montag das Plädoyer der Generalbundesanwaltschaft an.

Verwendete Quelle:
– Deutsche Presse-Agentur