Afghanistan-Desaster: Rücktritte von Maas und Kramp-Karrenbauer gefordert

Die militant-islamistischen Taliban haben innerhalb kürzester Zeit die Macht in Afghanistan übernommen. An der menschlichen Tragödie trägt auch die deutsche Politik eine Mitschuld, wie Bundespräsident Steinmeier einräumte. Vor allem Außenminister Maas und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer stehen nun in der Kritik. Es werden sogar vereinzelt deren Rücktritte gefordert:
Heiko Maas (Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder) und Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld) stehen wegen der Afghanistan Tragödie in der Kritik.
Heiko Maas (Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder) und Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld) stehen wegen der Afghanistan Tragödie in der Kritik.

Innerhalb kürzester Zeit nach dem Abzug der Truppen aus Afghanistan haben die militant-islamistischen Taliban die Macht im Land übernommen. Die jahrelangen Anstrengungen, ein stabiles, tragfähiges Gemeinwesen in Afghanistan aufzubauen, sind damit krachend gescheitert. Nun sind zigtausende Menschen von Gewalt oder Tod bedroht.

Bundespräsident Steinmeier: „Sind für Tragödie in Afghanistan mitverantwortlich“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Deutschland Mitverantwortung für die dramatische Lage in Afghanistan gegeben. „Wir erleben in diesen Tagen eine menschliche Tragödie, für die wir Mitverantwortung tragen, und eine politische Zäsur, die uns erschüttert und die Welt verändern wird“, sagte er am Dienstag (17. August 2021) in Berlin. „Die Bilder der Verzweiflung am Flughafen Kabul sind beschämend für den politischen Westen.“

Heftige Kritik an Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer

Als beschämend wird von vielen Seiten auch das Handeln der Bundesregierung in der neuerlichen Afghanistan-Krise bezeichnet. Vor allem Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sind heftiger Kritik ausgesetzt. Diese hagelt es aktuell von allen Seiten.

Vorwürfe gegen AKK und Maas: „auf ganzer Linie versagt“

So sprach FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff in einem Interview mit der „Welt“ davon, dass Maas und Kramp-Karrenbauer „auf ganzer Linie versagt“ hätten. Die beiden Politiker:innen aus dem Saarland seien ebenso wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) unfähig gewesen, Ortskräften rechtzeitig eine Ausreise zu ermöglichen, was „beschämend“ sei.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Man muss sich fragen, warum die Bundesregierung so überrascht wirkt vom schnellen Vorstoß der Taliban. Es ist unverständlich, warum nicht schon spätestens vor einer Woche Leute aus Afghanistan herausgeholt worden sind mit der Möglichkeit, Visa erst in Deutschland auszustellen“, so der Politiker.

Jan Korte, der Fraktionsgeschäftsführer der Linken im Bundestag, sagte der dpa: „Wie die Bundesregierung, allen voran Außenminister Maas, bei der Evakuierung deutscher Botschaftsangehöriger, Mitarbeitern von NGOs und afghanischen Ortskräften dilettiert, ist skandalös und gefährdet Menschenleben. Während andere Länder ihre Angehörigen schon seit Tagen aus Afghanistan ausfliegen, bequemt sich die Bundesregierung erst jetzt, Flugzeuge nach Kabul zu schicken“.

Auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hatte nur kritische Worte übrig. Gegenüber der „Welt“ sagte er: „Die Bundesregierung hat offenbar den Zeitpunkt verschlafen, die deutschen Staatsbürger und die einheimischen Ortskräfte, die für uns gearbeitet
haben, rechtzeitig in Sicherheit zu bringen“.

Rücktritte von Maas und Kramp-Karrenbauer gefordert

Am deutlichsten fiel die Kritik an Maas und Kramp-Karrenbauer von Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch aus, der den beiden sogar einen Verzicht auf künftige Ministerämter nahelegte. „Außenminister und Verteidigungsministerin geben ein verheerendes Bild ab“. Er bezeichnete das Handeln von Maas und AKK als „totales Versagen“ und forderte, dass diese „den Anstand haben, deutlich zu machen, dass sie für die Bildung einer nächsten Bundesregierung nicht zur Verfügung stehen“. Bartsch warf den Politiker:innen aus dem Saarland vor, den Vormarsch der Taliban mit „Ignoranz und Behäbigkeit“ begleitet und damit tausende Menschenleben in Gefahr gebracht zu haben.

Bartsch: Rettungsflieger mit nur sieben Menschen ist „ein weiterer Schlag ins Gesicht“

Bartsch legte gegenüber der dpa nach: „Dass der erste Rettungsflieger aus Afghanistan mit nur sieben Menschen an Bord gestartet ist, ist für Tausende, die auf Rettung vor den Schergen der Taliban warten, ein weiterer Schlag ins Gesicht“, so der Linken-Politiker.

Maas zu Afghanistan: „Wir haben die Lage falsch eingeschätzt“

Bundesaußenminister Heiko Maas hat inzwischen Fehler eingeräumt. „Es gibt auch nichts zu beschönigen: Wir alle – die Bundesregierung, die Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft – wir haben die Lage falsch eingeschätzt“, sagte Maas.

Laut dem Politiker habe man nicht vorhergesehen, dass die afghanischen Streitkräfte nicht bereit gewesen seien, sich den Taliban entgegenzustellen. „Das ist eine Fehleinschätzung gewesen von uns allen. Darüber werden wir sicherlich auch zu reden haben“, sagte Maas.

Kramp-Karrenbauer lobt Evakuierungseinsatz in Afghanistan

Deutlich weniger kritisch zeigte sich hingegen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Diese lobte am Dienstag den ersten deutschen Evakuierungseinsatz in Afghanistan, bei dem fünf Deutsche, ein Europäer und ein Afghane aus Kabul unter schwierigen Bedingungen ins Nachbarland Usbekistan ausgeflogen worden sind. „Das war ein echtes Husarenstück, was die Piloten geleistet haben“, sagte die CDU-Politikerin und ergänzte, das Flugzeug habe „mitgenommen, was mitzunehmen war“.

Kramp-Karrenbauer betonte in diesem Zusammenhang: „Wir nehmen alles mit, was vom Platz her irgendwie in unsere Flugzeuge passt“. Das gelte für deutsche und internationale Kräfte ebenso wie für Afghanen. Der Auftrag der Bundeswehr sei, so viele Menschen wie möglich auszufliegen.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– Bayerischer Rundfunk
– Welt
– Tagesschau