Drosten: Impfauffrischung im Herbst für die meisten unnötig

Der Herbst naht - wer braucht dann eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus? Der Großteil der Bevölkerung nicht, meint der Virologe Drosten. Die WHO hält Booster-Impfungen für Gesunde ohnehin für unangebracht - zumindest im jetzigen Stadium der Pandemie.
Drosten hält eine dritte Impfung im Herbst bei den meisten für unnötig. Foto: dpa-Bildfunk
Drosten hält eine dritte Impfung im Herbst bei den meisten für unnötig. Foto: dpa-Bildfunk

Für die meisten Geimpften wird nach Überzeugung des Virologen Christian Drosten im Herbst keine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus nötig sein. „Die Schutzwirkung der Corona-Vakzinen ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch das baldige Aufkommen einer neuen Virusvariante, die gegen die verfügbaren Impfstoffe resistent ist, erwartet er nicht.

Wo die dritte Impfung laut Drosten sinnvoll sein kann

Bei alten Menschen sowie bestimmten Risikopatient:innen hält Drosten eine Auffrischungsimpfung in diesem Herbst jedoch durchaus für sinnvoll. „Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter.“ In besonderen Umfeldern wie Seniorenheimen sei eine Auffrischung daher denkbar. Die dafür benötigten Dosen nicht ins Ausland abzugeben sei trotz der internationalen Impfstoff-Knappheit vertretbar.

Drosten: Erst Lücke bei Ü60-Jährigen schließen

Für die übrige Bevölkerung werde irgendwann vielleicht ein Altersniveau definiert werden, ab dem eine Auffrischungsimpfung sinnvoll werde. „In diesem Herbst kommt es aber darauf an, überhaupt erst einmal die Impflücken bei den über 60-Jährigen zu schließen.“

USA will ab September Auffrischimpfungen durchführen

Die US-Regierung hatte am Mittwoch (18. August 2021) angekündigt, die gesamte amerikanische Bevölkerung voraussichtlich ab September mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus versorgen zu wollen. Vollständig Geimpfte sollen rund acht Monate nach der zweiten Spritze mit den Präparaten von Moderna oder Pfizer/Biontech eine dritte Dosis bekommen, wie hochrangige Gesundheitsbeamt:innen mitteilten. Grund dafür seien die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante sowie Datenauswertungen zum allmählich abnehmenden Impfschutz.

Studie von Vakzinhersteller: Mehr Antikörper nach Auffrischimpfung

Das deutsche Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer hatten am Montag erste Daten für die Zulassung einer Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht. In den kommenden Wochen sollten die Daten einer Phase-1-Studie auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und weiteren Behörden eingereicht werden. Die Teilnehmer:innen hätten acht bis neun Monate nach der zweiten Dosis eine Auffrischungsimpfung erhalten, hieß es. Im Vergleich zu einer zweifachen Impfung hätten bei den Menschen mit Auffrischungsimpfung „signifikant höhere neutralisierende Antikörpertiter“ nachgewiesen werden können. In den USA, weiteren Ländern und vereinzelt auch Deutschland werden für bestimmte Gruppen bereits Auffrischungsimpfungen vorgenommen.

WHO: Viele Millionen warten noch auf ihre erste Impfung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert die Pläne für Auffrischimpfungen bei gesunden Menschen. Bislang sei nicht einmal klar, ob sie nötig seien, sagte die Chef-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan am Mittwoch in Genf. Während in reichen Ländern jede Menge Impfstoff vorhanden ist, warten weltweit in Dutzenden Ländern viele Millionen Personen noch auf die Chance einer Impfung. Der WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan meinte, Menschen eine Auffrischimpfung anzubieten sei so, als gebe man Menschen mit Rettungswesten noch eine weitere Weste dazu, während Millionen andere ohne jeglichen Schutz bleiben müssten.

Auch Menschen mit Impfungen in Covid-Behandlung

Nach Angaben des Kölner Intensivmediziners Christian Karagiannidis haben die meisten der derzeit in deutschen Kliniken behandelten Covid-Patient:innen keine Corona-Impfung. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Donnerstag, Print Freitag), es gebe aber auch Fälle von geimpften Corona-Patient:innen in stationärer Behandlung – sogenannte Impfdurchbrüche. „Aktuell haben wir in Nordrhein-Westfalen 12 bis 13 Prozent der Covid-Patienten in den Kliniken mit Impfschutz. Diese Quote dürfte auch der bundesweiten Quote entsprechen.“

Wie es zu Impfdurchbrüchen kommen könnte

Bei den stationär behandelten Menschen mit Impfdurchbrüchen handele es sich nach seiner Erfahrung beispielsweise um Patient:innen mit eingeschränkter Immunantwort, etwa als Folge einer medikamentösen Dämpfung des Immunsystems. Wichtig sei, dass jetzt insbesondere jenen Patient:innen eine dritte Impfung als Booster angeboten werde, die ein gedämpftes Immunsystem hätten, sagte Karagiannidis.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur