Kardinal Marx stellt Zölibat zur Debatte

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, will das Zölibat in der katholischen Kirche diskutieren. Anlass ist das Bekanntwerden von neuen Zahlen zu Missbrauchsfällen durch Priester.
Priestern der katholischen Kirche ist es nicht erlaubt, in einer Ehe zu leben. Symbolfoto: Peter Endig/dpa-Bildfunk.
Priestern der katholischen Kirche ist es nicht erlaubt, in einer Ehe zu leben. Symbolfoto: Peter Endig/dpa-Bildfunk.
Priestern der katholischen Kirche ist es nicht erlaubt, in einer Ehe zu leben. Symbolfoto: Peter Endig/dpa-Bildfunk.
Priestern der katholischen Kirche ist es nicht erlaubt, in einer Ehe zu leben. Symbolfoto: Peter Endig/dpa-Bildfunk.

Als Reaktion auf den Missbrauchskandal in der katholischen Kirche will der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, die Ehelosigkeit von Priestern auf den Prüfstand stellen. „Worte der Betroffenheit reichen nicht aus; wir müssen handeln„, sagte der Münchner Erzbischof und Kardinal am Freitag (5. Oktober) in Rom.

Die Kirche müsse sich in einer ehrlichen Diskussion vielen Fragen stellen. Dazu gehörten „Machtmissbrauch und Klerikalismus, Sexualität und Sexualmoral, Zölibat und Ausbildung der Priester“. „Der Zölibat ist nicht die Ursache für Missbrauch, das ist absolut nicht der Fall“, sagte Marx.

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Allerdings könne ein Leben in der Ehelosigkeit kombiniert mit bestimmten Schwächen einer Person zum Problem werden. Er nannte als Beispiele sexuelle Unreife oder versteckte Homosexualität. Marx sprach sich dafür aus, dass die Kirche hinterfragen müsse, ob sie ihr Personal richtig auswähle.

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie hatten zwischen 1946 und 2014 in Deutschland mindestens 1670 katholische Geistliche 3677 meist männliche Minderjährige missbraucht. Dies sei aber nur die nachweisbare „Spitze des Eisbergs“, sagte der Studienleiter Harald Dreßing Ende September in Fulda. Er wies auf problematische Strukturen in der katholischen Kirche hin, die Missbrauch nach wie vor befördern könnten – dazu gehöre auch der Zölibat, das Heiratsverbot für Priester.

Priester leben sexuelles Bedürfnis heimlich aus

„Es gibt eine Schätzung, die davon ausgeht, ein Drittel der Priester ist heterosexuell aktiv, ein Drittel homosexuell und ein Drittel versucht es redlich, sich daran zu halten„, sagt der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri. Er hat vor einem Monat ein Buch veröffentlicht, in dem er die Abschaffung des Zölibats fordert.

„Der Zölibat soll ein Zeichen sein, das auf das Jenseits verweist, wo es keine Ehe mehr gibt“, erklärt Bilgri. „Aber dieses Zeichen wird heute auf keinen Fall mehr von den Menschen verstanden – ganz im Gegenteil, weil man viele Priester dazu zwingt, ihre sexuellen Empfindungen heimlich zu leben.“

Bischöfe diskutieren Zölibat bei Gipfeltreffen

Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. hatten die Debatte über den Zölibat für beendet erklärt, aber für Papst Franziskus scheinen verheiratete Priester kein Schreckgespenst zu sein. Eine kleine Nebenbemerkung in seinem Schreiben „Amoris Laetitia“ ließ 2016 aufhorchen. Franziskus beschreibt darin das Problem, dass die katholischen Priester wenig Erfahrung im Umgang mit Problemen von Familien haben, und ergänzte: „In diesem Sinn kann auch die Erfahrung der langen östlichen Tradition der verheirateten Priester nützlich sein.“

Angesichts der Missbrauchskandale in mehreren Ländern hat der Papst die Chefs aller nationalen Bischofskonferenzen zu einem Gipfeltreffen im Februar nach Rom eingeladen. Auch der Zölibat dürfte dort ein Thema sein.