Falsche Krebsdiagnosen: Totschlag-Urteil gegen St. Ingberter Pathologen ist da

Hat ein Pathologe fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt, als er bei Proben fälschlicherweise eine Krebserkrankung ausgeschlossen hatte? Diese Frage stand in einem Prozess vor dem Landgericht Saarbrücken im Mittelpunkt.
Der Pathologe wurde jetzt verurteilt. Archivfoto: BeckerBredel
Der Pathologe wurde jetzt verurteilt. Archivfoto: BeckerBredel

Wegen falscher Diagnosen mit fatalen Folgen ist ein Pathologe vom Landgericht Saarbrücken zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Dabei handelt es sich um eine Gesamtfreiheitsstrafe aus insgesamt drei Prozessen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im aktuellen Fall sah das Gericht am Dienstag (28. März 2023) den Tatvorwurf des Totschlags und in einem anderen Fall der fahrlässigen Körperverletzung als erwiesen an. Der heute 64-jährige Deutsche soll 2019 bei Untersuchungen von Proben in zwei Fällen einen Hautkrebs ausgeschlossen haben. Ein Fehler mit möglicherweise massiven Konsequenzen für die Betroffenen – denn Ärzte und Patienten hatten sich auf das Ergebnis verlassen und daher keine weiteren medizinischen Behandlungen eingeleitet.

Einer der beiden Patienten (Jahrgang 1952) starb ein Jahr später. Bei dem anderen Mann (45) wurde die bösartige Erkrankung erst bei einer erneuten Hautveränderung 2020 festgestellt. Die Prognose dieses Mannes, der in dem Verfahren als Nebenkläger auftrat, sei laut Gutachter nun deutlich schlechter.

Laut Staatsanwaltschaft und Gericht war dem Pathologen bewusst gewesen, dass er aufgrund einer Suchterkrankung und Depression nicht in der Lage gewesen war, den Facharztstandard einzuhalten. In seinem Institut in St. Ingbert wurden bis zu 50.000 Proben im Jahr untersucht. Im August 2018 stellte er selbst einen Antrag auf Berufsunfähigkeit. „Spätestens ab diesem Zeitpunkt kommt ein Vorsatz in Betracht“, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Lauer am Dienstag. Gleichwohl dürfe man nicht von einem Automatismus ausgehen.

Da im Fall des Nebenklägers die Diagnose nicht „glasklar“ gewesen sei und laut Gutachter weitere Untersuchungen hätten folgen müssen, habe die Kammer hier eine Fahrlässigkeit zugebilligt. Im Fall des verstorbenen Patienten jedoch habe eine Fehldiagnose vorgelegen. Dies erschien der Kammer als «grober Verstoß gegen den ärztlichen Standard» und sie ging von Totschlag aus. Zugute halten müsse man dem Angeklagten, dass er zumindest die objektiven Sachverhalte eingeräumt und die Fehldiagnosen gestanden habe.

Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft wegen versuchten und vollendeten Totschlags gefordert. Die Verteidigung plädierte auf fahrlässige Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge und eine Gesamtstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Weil ihr Mandant bereits seit Februar 2020 in Haft und „gesundheitlich sehr angeschlagen“ sei, hatte sie zudem die Aufhebung des Haftbefehls gefordert. Dieser wird laut Urteil aber aufrechterhalten. Die Nebenklage sah zum Zeitpunkt der Tat keine Fahrlässigkeit mehr vorliegen, sondern zumindest einen bedingten Vorsatz.

Bereits im Juli 2022 war der Angeklagte aufgrund von falschen Diagnosen mit gravierenden Folgen für die Betroffenen wegen fahrlässiger Tötung, schwerer und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Unter Einbeziehung eines vorangegangenen Urteils aus dem Jahr 2020 wegen Betrugs und Bestechung im Gesundheitswesen hatte die Gesamtfreiheitsstrafe zuletzt bei fünf Jahren und drei Monaten gelegen.

Der Vorsitzende Richter betonte am Dienstag, dass die Kammer die lange Verfahrensdauer im Blick habe – und zwar nicht nur für den Angeklagten, sondern vor allem auch für den Nebenkläger. Für ihn bleibe die Unsicherheit, dass sich Metastasen bilden könnten und es nur deswegen soweit kommen konnte, weil der Arzt fahrlässig gehandelt habe und die richtige Diagnose nicht rechtzeitig genug gestellt worden sei. „Das bleibt ungewiss, damit muss der Betroffene leben.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur