Saar-Experte: Corona-Maßnahmen werden im Winter wohl „im Keller vergessen“

Der saarländische Corona-Experte Thorsten Lehr geht anhand von Berechnungen davon aus, dass die Corona-Zahlen ab Oktober steigen. Die möglichen Maßnahmen werden im Winter allerdings kaum zum Einsatz kommen, glaubt er. Andere Krisen stünden im Fokus:
Im Bild: Thorsten Lehr. Foto: Iris Maria Maurer/dpa-Bildfunk
Im Bild: Thorsten Lehr. Foto: Iris Maria Maurer/dpa-Bildfunk

Die Corona-Pandemie wird diesen Herbst und Winter nach Ansicht des Experten für Corona-Prognosen, Thorsten Lehr, ähnlich verlaufen wie im Jahr zuvor. „Ich rechne ab Oktober wieder mit steigenden Zahlen„, sagte der Professor für Klinische Pharmazie in Saarbrücken der Deutschen Presse-Agentur. In Politik und Öffentlichkeit werde Corona aber eine kleinere Rolle spielen. „Die Energie- und Wirtschaftskrise lässt wahrscheinlich kaum Platz für Corona. Es kann gut sein, dass Corona eher die zweite Geige spielen wird im Winter.“

Länder werden die Maßnahmen „vermutlich im Keller vergessen“

Er rechne daher damit, dass der Werkzeugkasten zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen, der den Ländern mit dem neuen Infektionsschutzgesetz zur Verfügung steht, kaum eingesetzt werde. „Ich denke, er wird nicht zum Zug kommen, der wird vermutlich im Keller vergessen.“ Denn angesichts der drohenden Krisen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher werde man sicher versuchen, „so wenig wie möglich einzuschränken, um nicht noch mehr Verstimmung hervorzurufen“, sagte Lehr.

„Man muss sich selber schützen“

„Ich glaube, die Politik wird nicht die Energie haben, uns hier zu schützen.“ Man müsse sich daher selber schützen. Jeder könne sich überlegen, ob er eine Maske tragen wolle, auch wenn er es nicht müsse. „Wir haben viele Instrumente in der Hand, um zumindest den schweren Verläufen vorzubeugen„, sagte der Experte. „Aber wir werden es nicht mehr schaffen, das Kollektiv der Bevölkerung durch die Politik zu schützen. Diese Zeiten sind schlichtweg vorbei.“

Keine massiven Anstiege der Zahlen im September

Derzeit gingen die Corona-Zahlen noch zurück, aber das werde bald vorbei sein, meinte Lehr. Für den September erwarte er eine gewisse Konsolidierungsphase „ohne massive Anstiege“. Man müsse aber bedenken, dass deutlich weniger getestet werde als noch 2021. Und: Dass die Inzidenzen bei 200 bis 240 dreimal höher lägen als zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr.

Lehr glaubt, es kann noch einmal wie letzten Winter werden

Wenn im Herbst kein Erreger komme, der ein deutlich schwereres Krankheitsbild mit sich bringt, sei das Szenario laut Simulationen für den Winter so: „Die Intensivstationen dürften sich füllen, aber nicht bersten“, sagte Lehr. Es werde erneut einen hohen Krankenstand geben, auch bei Ärzten und Pflegepersonal. Und auch Operationen würden wieder verschoben werden. „Ich glaube, dass das noch einmal wie im letzten Winter werden kann.“

Andere Viren könnten wieder größere Rolle spielen

In Herbst und Winter könnten mit dem Wegfall der Schutzmaßnahmen zudem andere Erreger wieder vermehrt eine Rolle spielen. „Sprich: Influenza und respiratorische Viren„, sagte der Wissenschaftler. Gut möglich, dass damit eine zusätzliche Belastung des Gesundheitssystems drohe. „Man muss nicht besorgt sein, aber ein Auge darauf haben, dass der klassische Wettkampf der Viren beginnen könnte.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur