Weniger Wildschweine in Corona-Zeiten im Saarland geschossen

Noch vor einem Jahr hatten Jäger:innen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland bei Wildschwein-Abschüssen Rekordzahlen erzielt. Nun schaut das auch wegen Corona-Auflagen anders aus. Landwirt:innen sorgen sich.
In Corona-Zeiten werden weniger Wildschweine geschossen. Foto: dpa-Bildfunk
In Corona-Zeiten werden weniger Wildschweine geschossen. Foto: dpa-Bildfunk
In Corona-Zeiten werden weniger Wildschweine geschossen. Foto: dpa-Bildfunk
In Corona-Zeiten werden weniger Wildschweine geschossen. Foto: dpa-Bildfunk

Sowohl im Saarland als auch in Rheinland-Pfalz dürften in diesem Jagdjahr deutlich weniger Wildschweine geschossen worden sein als im Rekordjahr davor. Expert:innen nennen als einen Faktor dafür Corona-Auflagen, die beispielsweise private Bewegungsjagden schwieriger machten. Der große Bestand an Schwarzwild sorgt Landwirt:innen, die über Schäden durch die Paarhufer klagen. Auch Umweltverbände sind nicht grundsätzlich gegen Jagd. Gleichzeitig betonen sie, dass Wildschweine nicht nur schädlich seien, sondern etwa für den Wald sehr wichtig sein könnten.

Saar-Pferdezüchter wünscht sich rigorosere Jagd

Pferdezüchter Clemens Gessner in Nohfelden ist sauer, wenn er den Zustand einiger seiner Wiesen betrachtet. Dort, wo ab Mai eigentlich seine Isländer grasen sollten oder er Heu machen wollte, haben Wildschweine den Untergrund komplett verwüstet. „Das Problem hat wirklich zugenommen“, sagt er. „Die Schweine werden immer mehr und die Schäden immer größer.“ Er wünscht sich, dass Jäger:innen im Kampf gegen das Schwarzwild noch rigoroser vorgehen. „Die Erfahrung hat doch gezeigt: Wenn man mal welche wegschießt, verziehen sie sich.“

Saar-Jäger-Chef: Wild zieht sich zurück

Schon jetzt scheint klar, dass die Jagdstrecke in dem bald ablaufenden Jagdjahr längst nicht so hoch ausfallen wird wie 2019/2020: Geschäftsführer Johannes Schorr von der Vereinigung der Jäger des Saarlandes erwartet „deutlich weniger“ Abschüsse – unter anderem deshalb, weil wegen Corona-Auflagen viele private Bewegungsjagden nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen stattfanden. Auch ziehe sich das Wild wegen der vielen Spaziergänger:innen und Freizeitsportler:innen zurück.

Erste Zwischenergebnisse zeigten, dass die Rekordstrecke von Wildschweinen im Vorjahr „nicht im Entferntesten wiederholt werden kann“, sagt Landesjägermeister Josef Schneider. Damals waren mehr als 13.100 Stück Schwarzwild verbucht worden. Mit 5,11 Stück je 100 Hektar habe das Saarland bundesweit erstmals den Spitzenwert eingenommen – vor den Rheinland-Pfälzern mit 5,04.

Einbruch auch in Rheinland-Pfalz

Auch der Landesjagdverband Rheinland-Pfalz erwartet nach einem „absoluten Rekord“ mit über 100.000 Abschüssen im Vorjahr nun einen Einbruch. „Wir hoffen, dass es trotz aller Corona-Beschränkungen trotzdem ein erfolgreiches Jahr war“, sagt Sprecher Günther D. Klein. Es sei enorm wichtig gewesen, dass die Ausgangssperre für Jäger:innen, wenn sie zum nächtlichen Ansitz gingen, nicht gilt.

„Der beste Schaden ist der, der nicht entsteht“, sagt Hauptgeschäftsführer Alexander Welsch vom Bauernverband Saar. Übers Land verteilt gebe es „immer noch eine hohe Schadensituation“. Landwirt:innen seien „froh über alles, was geschossen wird.“

„Eine einfache Korrelation zwischen aktueller Jagdstrecke und Wildschäden ist nur bedingt möglich“, meint Sabine Schorr, Sprecherin des saarländischen Umweltministeriums. Es gebe weitere Faktoren wie etwa die Verfügbarkeit von Nahrung wie Bucheckern und Eicheln, die Witterung und die Größe des Ausgangsbestandes.

Verband: Schwarzwild hat großen ökologischen Faktor

Auch die Naturschutzverbände Nabu und BUND sind nicht grundsätzlich gegen die Jagd. Aber: Schwarzwild sei nicht „per se schädlich“, meint der jagdpolitische Sprecher des Nabu im Saarland, Detlef Reinhard, sondern habe einen großen ökologischen Faktor innerhalb des Gesamtgefüges. „Wildschweine fressen Schädlinge und lockern den Boden auf“, erklärt er. „Das heißt, was für die Landwirtschaft schlecht ist, kann für den Wald sogar gut sein.“ Er sei überzeugt, dass die Jagd allein nicht zur gewünschten drastischen Reduzierung führe. Verantwortlich für Bestand und die Fortpflanzung sei eher das Nahrungsaufkommen. Trockenjahre, die in der Landwirtschaft zu Ernteausfällen führten, träfen auch den Schwarzwild-Nachwuchs.

Bemerken Tiere: Wo viele Menschen sind, gibt es keine Jagd?

Der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Saarland, Michael Grittmann, glaubt nicht, dass die Zunahme an Spaziergänger:innen dazu führt, dass die Schwarzwild-Strecken in diesem Jahr geringer ausfallen. Er habe öfter beobachtet, dass sich Tiere vermehrt in bewohnten Regionen, Parks und Friedhöfen oder am Leinpfad an der Saar aufhielten. „Wildschweine sind ja nicht dumm“, sagt er. „Sie haben schon gelernt: Wo viele Menschen sind, wird nicht gejagt.“

Natürliche Feinde fehlen

Grittmann ist überzeugt, dass es aktuell auch deshalb so viel Schwarzwild gibt, weil es an natürlichen Feinden fehlt. „Deshalb würden wir uns ja wünschen, wenn der Wolf wiederkäme, weil er auch die Wildschweine im Visier hat.“ Und eine Überpopulation hat nach Einschätzung von Nabu-Vertreter Reinhard nicht nur negative Folgen für die Landwirtschaft, sondern wirkt sich auch auf andere Arten aus. Wo viel Schwarzwild sei, gebe es wenig Bodenbrüter. Zudem müsse man als „ganz große Gefahr im Hintergrund“ den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) betrachten. „Wenn es zu viel Schwarzwild gibt, ist es per se nicht förderlich – egal in welche Richtung.“

Jägerinnen fehlt das gesellige Beisammensein

Verlässliche Abschusszahlen erwarten die Landesjagdverbände erst im Sommer. Für Günther D. Klein in Rheinland-Pfalz ist schon klar, dass vieles in diesem Jagdjahr auf der Strecke geblieben ist – nicht nur das gesellige Beisammensein sei aufgrund der Corona-Bestimmungen unmöglich gewesen, sondern auch das feierliche „Strecke-Verblasen“ zum Abschluss einer Jagd. „Das Fehlen der Tradition ist bei unseren Mitgliedern sehr stark bemerkt worden“, berichtet er. Jagd bedeute nicht nur die Entnahme von Wild oder Jagdmanagement, auch das Bekunden von Respekt gegenüber dem Wild sei für die Jäger wichtig.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur