Mörder und Vergewaltiger aus U-Haft entlassen: Gericht weder überlastet noch unterbesetzt

Weil der Prozess zu lange dauerte, wurde ein 19-Jähriger in Rheinland-Pfalz aus der Untersuchungshaft entlassen – obwohl er wegen Mordes und Vergewaltigung einer Jugendlichen verurteilt war. Laut des Justizministers war das zuständige Gericht jedoch weder überlastet noch unterbesetzt.
Der Prozess am Landgericht Frankenthal dauerte zu lange. Daher wurde ein Mörder und Vergewaltiger aus der U-Haft entlassen. Archivfoto: Uwe Anspach/dpa-Bildfunk
Der Prozess am Landgericht Frankenthal dauerte zu lange. Daher wurde ein Mörder und Vergewaltiger aus der U-Haft entlassen. Archivfoto: Uwe Anspach/dpa-Bildfunk

Justizminister sieht keine Hinweise auf Personalmangel

Im Fall des 19-Jährigen, der wegen Mordes und Vergewaltigung verurteilt, aber aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, sieht Justizminister Herbert Mertin keine Hinweise auf Personalmangel am zuständigen Gericht.

„Die Verfahrensverzögerung beruhte nicht auf Personalengpässen oder einer außergewöhnlichen Belastung der Kammer„, so der FDP-Politiker am Freitag im Rechtsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags in Mainz. Die Ursachen für den langen Prozess lägen vielmehr „ausschließlich im Bereich der richterlichen Unabhängigkeit„. Das teilte das zuständige Landgerichts Frankenthal mit. Der Richterbund hatte im Zusammenhang mit dem Prozess auf die hohe Belastung in der Justiz hingewiesen.

Terminierung sei Kernteil der richterlichen Unabhängigkeit

Mertin verstehe, dass die Entscheidung, den noch nicht rechtskräftig verurteilten, jungen Mann auf freien Fuß zu setzen, eine „verstörende Wirkung“ in der Öffentlichkeit habe. Allerdings dürfe er weder diesen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken noch die Verhandlungsführung der Jugendstrafkammer des Landgerichts Frankenthal kommentieren. Die Terminierung eines Verfahrens gehöre zum „Kernbereich der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit“.

Mann wegen Mordes und Vergewaltigung einer 18-Jährigen verurteilt

Der 19-Jährige war im August wegen Mordes und Vergewaltigung vom Landgericht zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Er saß seit März 2020 in Untersuchungshaft. Damals hatte er als 17-Jähriger ein 18-jähriges Mädchen an einem Weiher in Ludwigshafen vergewaltigt und erwürgt. Laut Richterspruch missbrauchte er auch drei weitere Mädchen sexuell.

Verteidigung legte wegen Verzögerungen Beschwerde ein

Die Verteidigung hatte nach dem Urteil jedoch Haftbeschwerde beim OLG eingelegt – mit Erfolg. Die Begründung: Fortdauer der Untersuchungshaft und der Anspruch auf eine beschleunigte Verurteilung seien nicht mehr vereinbar. Der Angeklagte habe die Verzögerungen nicht selbst verschuldet. In dem fast zweijährigen Prozess sei nur an 57 Tagen verhandelt worden. Das Landgericht führte die lange Dauer auf die aufwendige Beweisaufnahme, viele Prozessbeteiligte und Krankheitsfälle inklusive Corona zurück.

Lange U-Haft sei „Vertane Lebenszeit“

Laut Anwalt der Nebenklage sei die Entscheidung, den Mörder und Vergewaltiger ihrer Tochter auf freien Fuß zu setzen, für die Eltern unerträglich. Der Anwalt des 19-Jährigen dagegen erklärte, dass die Entscheidung über die eingelegten Revisionen erst in etwa einem Jahr fallen könnten. Der Mann säße dann drei Jahre in U-Haft. Dies sei außergewöhnlich lange und „vertane Lebenszeit“. Seine Erfahrung sage ihm, dass sein Klient nicht fliehen werde. Um die Sicherheit des Angeklagten zu gewährleisten, patrouilliert die Polizei um seinen unbekannten Aufenthaltsort.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– Eigene Berichte