Landespolizei erfasst mehr Vergewaltigungsfälle im Saarland

Die saarländische Landespolizei hat in den vergangenen Jahren mehr Fälle von Vergewaltigung verzeichnet. Dabei ist jedoch unklar, ob die Fallzahl tatsächlich gestiegen ist. Die Vermutung ist vielmehr, dass dank wachsender Sensibilisierung mehr Betroffene Sexualdelikte anzeigen.
Im Saarland werden immer mehr Fälle von Vergewaltigung polizeilich erfasst. Symbolfoto: Maurizio Gambarini/dpa-Bildfunk
Im Saarland werden immer mehr Fälle von Vergewaltigung polizeilich erfasst. Symbolfoto: Maurizio Gambarini/dpa-Bildfunk
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Mehr Fälle von Vergewaltigung bei der Polizei registriert

Im Saarland ist die Zahl von polizeilich erfassten Sexualdelikten gestiegen. Während 2021 noch 100 Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und besonders schwerem sexuellen Übergriff mit Todesfolge verzeichnet wurden, waren es 2022 bereits 120. Das berichtet der „SR“ und beruft sich auf Angaben der Landespolizei. Die Polizei erfasste demnach 2021 insgesamt 98 Fälle von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung (10). Ein Jahr später waren es 117, beziehungsweise vier Versuche. Auch für 2023 zeichne sich eine steigende Tendenz ab.

Mehr Opfer melden wohl die Taten

Die Gründe für den Anstieg sind laut Polizeihauptkommissars Falk Hasenberg nicht belegt, so der „SR“. Eine mögliche Erklärung sei jedoch, dass mehr Opfer die Tat melden. Da die Hemmschwelle, Sexualdelikte anzuzeigen, jedoch weiter hoch ist, gebe es wohl auch eine hohe Dunkelziffer. Auch der Frauennotruf Saarland glaubt, dass sexualisierte Gewalt an sich nicht zugenommen hat, vielmehr sei sie seit jeher ein „massives gesellschaftliches Problem“. Betroffene würden dank wachsendem Bewusstsein für das Thema, jedoch öfter darüber sprechen. Seit Jahren stiegen die Beratungszahlen – Vergewaltigung und häusliche Gewalt seien dabei die häufigsten Themen.

Viele Vergewaltigungen hängen mit häuslicher Gewalt zusammen

Viele der erfassten Vergewaltigungsfälle fielen demnach mit dem Bereich der häuslichen Gewalt zusammen (2021: 22, 2022: 30). Das bedeutet, dass die Beteiligten in einer Beziehung oder einem Angehörigenverhältnis standen. Fast alle Opfer waren dabei Frauen (51 von 52). Im vergangenen Jahr habe die Polizei eine „stark steigende Tendenz“ in diesem Bereich beobachtet. Die meisten Opfer von Vergewaltigung kennen die Täter. Sexueller Missbrauch findet häufig im sozialen Umfeld wie im Freundes- und (Online-)Bekanntenkreis oder in Bildungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen statt.

Widerstandunfähige Opfer: Mehr Anzeigen wegen K.-o.-Tropfen

In den vergangenen Jahren ist laut Polizei vor allem die Zahl von besonders schweren Fällen von Vergewaltigung gestiegen (2021:5, 2022: 11), bei denen die Täter verstärkt Gewalt anwendeten. Aber auch die Zahl von Vergewaltigungen von widerstandsunfähigen Personen wuchs besonders stark (2021:11, 2022:25). Die meisten Opfer waren dabei weiblich (22) und unter 40 Jahren (24). Die Täter nutzen dabei aus, dass die Opfer in einem Zustand sind, in dem sie sich nicht wehren können – etwa unter starkem Alkoholeinfluss. Immer häufiger wird dieser auch mit K.-o.-Tropfen herbeigeführt. Laut Landespolizei sei es in diesem Zusammenhang zu immer mehr Anzeigen gekommen.

Schnelle Spurensicherung ist essenziell

Das Problem bei Vergewaltigungen unter Einfluss von K.-o.-Tropfen: Die Opfer können sich oftmals nicht richtig an die Tat erinnern. Zudem ist schnelles Handeln nötig, da die Wirkstoffe nur bis zu zwölf Stunden lang im Körper nachweisbar sein. Wer glaubt, Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein, sollte unter keinen Umständen duschen oder die Kleidung waschen. Eine Spurensicherung ist auch ohne Anzeige in Kliniken oder bei in gynäkologischen Praxen möglich. Die Beweismittel können zehn Jahre lang eingelagert und rechtlich verwertet werden. So haben Betroffene die Möglichkeit, das Erlebte zunächst zu verarbeiten.

Täter-Opfer-Umkehr erschwert Betroffenen die Anzeige

Der Frauennotruf plädiert für weitere Sensibilisierung für das Thema – auch etwa in Kliniken oder bei der Polizei. So könne man einer Täter-Opfer-Umkehr, auch Victim Blaming genannt, entgegen wirken. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt, suche man häufig die Verantwortung bei den Betroffenen. Das erschwere es Opfern nicht nur, Anzeige zu erstatten, sondern auch ihre Erfahrungen als Unrecht zu erkennen, darüber zu sprechen und Unterstützung zu suchen.

Viele Vergewaltigungen im Saarland konnten aufgeklärt werden

Die Polizei rät dennoch dringend, Vergewaltigungen anzuzeigen. Nur so könne man ein Strafverfahren einleiten und Täter ermitteln und verurteilen. Viele der Fälle, die Opfer in den vergangenen Jahren meldeten, konnten aufgeklärt werden. 2021 waren es 82 von 98, im Folgejahr 107 von 117. Anzeige erstatten ist bei jeder Polizeidienststelle möglich. Dabei können auch Vertrauenspersonen oder ein Rechtsbeistand die Betroffenen begleiten.

In Bedrohungssituationen den Notruf wählen – per Smartphone auch heimlich

In akuten Gefahr- und Bedrohungssituationen sollte man den Notruf 110 wählen. Viele Smartphones haben dabei auch SOS-Funktionen, die per Tastenkombination heimlich aktiviert werden können. Hält man etwa beim iPhone gleichzeitig den Power-Button und eine der Lautstärketaste gedrückt, alarmiert es automatisch den Rettungsdienst, informiert Notfallkontakte und sendet den Standort. Auch das Aktivieren von lauten Warnsignalen ist möglich. Android-Smartphones senden auf dreimaliges kurzes Drücken des Power-Buttons SOS-Nachrichten an Notfallkontakte. Zudem können der Standort sowie fünfsekündige Audioaufnahmen und Fotos von Front und Rückkamera mitgeschickt werden. Die Funktionen lassen sich in den Einstellungen anpassen.

Hier gibt es Unterstützung

Unterstützung bei sexualisierter Gewalt bieten auch Hilfseinrichtungen und Beratungsstellen. Neben dem Frauennotruf und dem „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ sind auch die Frauenhäuser im Saarland stets erreichbar. Für betroffene Männer gibt es das „Hilfetelefon Gewalt an Männern“. Eine Übersicht über die Hilfsangebote findet ihr auf der Website des Sozialministeriums.

Verwendete Quellen:
– Saarländischer Rundfunk
– eigene Recherche