Polarfuchs, Puma und Co.: Wie sich Tierschützer nahe der Saar-Grenze gegen private Wildtier-Haltung engagieren

Hund und Katze sind manchen offenbar nicht mehr spannend genug: Sie kaufen exotische Raubtiere. In Maßweiler nahe der Saar-Grenze kümmern sich Tierschützer:innen um Exemplare, die beschlagnahmt, falsch gehalten oder ausgesetzt wurden: vom Fuchs bis zum Puma.
Tierpflegerin Andrea Bennecke und Polarfuchs Wukk. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk
Tierpflegerin Andrea Bennecke und Polarfuchs Wukk. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk

Junger Polarfuchs gerettet

Berührungsängste kannte er vom ersten Moment an nicht. Kaum war Wukk angekommen, flitzte er durch sein neues Zuhause, sprang in eine der unterirdischen Höhlen und wollte mit seinen Mitbewohnern spielen. „Er ist total aufgeweckt und vorwitzig“, sagt die Biologin Eva Lindenschmidt. Wukk ist ein junger Polarfuchs. Vor wenigen Tagen traf er in der Tierart-Station im rheinland-pfälzischen Maßweiler ein. Zuvor hatte er laut der Tierschutz-Stiftung Vier Pfoten in einem winzigen Käfig in einer Privatwohnung bei Wien vor sich hinvegetiert, bevor er von den Behörden beschlagnahmt wurde.

In der Wildtierstation – der größten dieser Art in Deutschland – hat er nun die Umgebung gefunden, die er für ein artgerechtes Leben näher braucht: In einem großen Freigehege mit Höhlen und der Möglichkeit zum Graben und Verstecken. Neben der Rotfüchsin Singsing fühlt sich hier auch Jackson schon seit einigen Jahren wohl. Der silberfuchs-farbene Rüde stammt aus einer Zucht, die speziell darauf ausgelegt ist, domestizierte Füchse als Haustiere zu vermarkten.

Boom bei Handel mit exotischen Tieren

Das umstrittene Geschäft mit solchen Tieren boomt offenbar: „Es gibt einen sehr großen Markt, vor allem Richtung Polen und Tschechien, und Unmengen an Züchtern. Wenn man Geld dabei hat, kann man sich jedes exotische Tier gleich mitnehmen – und keiner fragt, wo es hinkommt oder ob man selbst Erfahrung oder einen Sachkundenachweis hat“, berichtet Lindenschmidt, die stellvertretende Leiterin der Tierart-Station.

Menschen wollen immer außergewöhnlichere Tiere

Lustige Videos von Wildtieren im Internet, die ein falsches Bild vermitteln, hätten das Problem zusätzlich verschärft. Hinzu kommt, dass viele Menschen offenbar immer neue Reize benötigen. „Meerschweinchen und Guppys haben ausgedient“, meint auch Sandra Altherr, Projektleiterin der Organisation Pro Wildlife. „Stattdessen sind jetzt Graupapageien, Schildkröten, Giftschlangen und Löwen gefragt – größer, außergewöhnlicher, gefährlicher. Dabei verursacht dieser Trend erhebliches Tierleid.“ Hierzulande sind aber Pumas und Löwen in Privathaltung doch eher die Ausnahme.

Wukk wurde in Wien gerettet und nach Maßweiler gebracht. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk

Saarland: Löwen und Krokodile dürfen legal gehalten werden

Das Problem ist nach Ansicht der Tierschützer:innen, dass es in Deutschland keine bundeseinheitliche Regelung für die Privathaltung von Wildtieren gibt. Bislang hätten neun Bundesländer darauf reagiert und eigene Verordnungen über die Haltung gefährlicher oder giftiger Tiere erlassen. „In Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt dürfen Löwen oder Krokodile leider weiterhin legal gehalten werden“, so Lindenschmidt. Die Tierschützer fordern diese Länder nachdrücklich auf, eigene umfassende und weitreichende Gefahrtierverordnungen einzuführen.

Keine Verordnung zum Halten exotischer Tiere

Im Saarland gilt die Polizeiverordnung über den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden. „Eine darüber hinausgehende Gefahrtierverordnung ist gegenwärtig nicht geplant“, sagt Matthias Weber, Sprecher des Umweltministeriums. Aktuell gebe es keine Polizeiverordnung zum Halten potenziell gefährlicher Tiere oder Exoten. Wildtierhaltungen seien nach dem Tierschutzgesetz weder anzeige- oder meldepflichtig.

Was die Lösung sein könnte

„Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, eine Regelung für den Umgang und die Haltung mit gefährlichen Tieren – vor allem Exoten – zu etablieren“, sagt Weber. So wären die gesetzlichen Lücken hinsichtlich Haltung und Handel mit Wildtieren und Exoten durch die Einführung einer „Positivliste“ wie im Nachbarland Frankreich oder aber einem Verbot zur Haltung bestimmter Arten wie in Luxemburg zu begrüßen.

RLP-Ministerium: Bisherige Gesetze ausreichend

In Rheinland-Pfalz ist man damit zurückhaltender. „Die bisher bestehenden Gesetze stellen eine ausreichende Grundlage dar, um die Haltung von Tieren zu reglementieren und gegebenenfalls zu sanktionieren“, erklärt Jan Budde, Sprecher des Umweltministeriums in Mainz. Dies gelte für alle Tierarten jedweden Ursprungs. „Strengere Gesetze haben nicht zwangsläufig zur Folge, dass bestimmte Tiere nicht mehr gehalten werden.“ Das Landesnaturschutzgesetz sei dahingehend ausreichend, und es bedürfe darüber hinaus keiner weiterreichenden Gefahrtierverordnung. Budde: „Ziel muss es sein, dass jeder Tierhalter über eine ausreichende Sachkenntnis verfügt, die überprüfbar ist.“

Sogenannte Positivlisten sind seiner Ansicht nach „juristisch und fachlich umstritten“. Beispiele aus Belgien und den Niederlanden hätten gezeigt, dass solche Listen „schwer mit EU-Recht vereinbar und kaum zielführend seien“. Dies liege unter anderem daran, dass nahezu täglich weltweit Arten neu beschrieben würden, deren Haltbarkeit erst in der Haltung ermittelt werden könne. „Eine solche Liste wäre somit überholt, bevor sie veröffentlicht wäre.“

Ein Puma für 2.000 Euro

Laut Pro Wildlife gehören Deutschland und die EU zu den größten Absatzmärkten für lebende Wildtiere. Den Besitzer:innen der exotischen Tiere fehlt nach Ansicht von Eva Lindenschmidt jegliches Problem- und Unrechtsbewusstsein: Den Puma Tikam, der seit drei Jahren in der Tierart-Station lebt, habe ein Privatmann aus Baden-Württemberg für 2.000 Euro in Tschechien gekauft und in seiner Wohnung gehalten. Als es Beschwerden der Vermieterin gab und das Veterinäramt mit Beschlagnahmung drohte, habe er den Puma widerwillig abgegeben. „Er hat nicht verstanden, warum man sich über die Haltung aufregte“, berichtet Lindenschmidt.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur