Richter zitiert zweifelhaften Spitznamen von S. – Derweil ist die Verteidigung verärgert

Wer schoss wann? Das lässt das Gericht im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizeikräfte nahe Kusel genauer prüfen. Die Verteidigung beklagt mangelnde Akteneinsicht. Der Richter zitiert einen zweifelhaften Spitznamen.
In der Mitte des Bildes zu sehen: der Hauptangeklagte S. (39). Foto: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Uwe Anspach
In der Mitte des Bildes zu sehen: der Hauptangeklagte S. (39). Foto: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Uwe Anspach

Spurensuche im Polizistenmord-Prozess – Diskussion um Akteneinsicht

Im Mordprozess um zwei getötete Polizeikräfte nahe Kusel haben Zeug:innen am gestrigen Dienstag (19. Juli 2022) unter anderem zu Schüssen und letzten Funksprüchen in der Tatnacht ausgesagt. Im vollbesetzten Saal im Landgericht Kaiserslautern wiederholte der Hauptangeklagte seine Version, derzufolge er bei der nächtlichen Fahrzeugkontrolle Ende Januar lediglich in einer Art Notwehrsituation geschossen habe.

Das Gericht beschloss am Dienstag, die Tonaufzeichnung der Schüsse an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg zu geben. „Die hören sich an, wie, wo, was ist – und die können sagen, ob das plausibel ist oder nicht“, sagte Richter Raphael Mall an diesem neunten Verhandlungstag.

Schusswechsel zwischen Polizist und S.

Die Ermittler:innen gehen von einem Schusswechsel zwischen dem Polizisten und dem Hauptangeklagten aus. Der Polizeikommissar soll dabei seine Dienstpistole leergeschossen haben – ohne den Angreifer zu treffen.

Ein Kriminaltechniker sagte am Dienstag, jüngsten Ermittlungen zufolge gehe er davon aus, dass der Polizist bereits am Boden lag, als ihn der vorletzte Schuss in Oberarm und Brust traf. Danach sei nach Einschätzung des Zeugen der tödliche Kopfschuss erfolgt.

Richter zitiert zweifelhaften Spitznamen

Der Hauptangeklagte beteiligte sich erneut rege am Prozess, sprach mit dem Richter, befragte Zeug:innen und machte sich Notizen. In einem älteren Chat habe sich der Hauptangeklagte früher einmal als „Vollstrecker“ bezeichnet, sagte Richter Mall mit Verweis auf Ermittlungsakten. Zeug:innen schilderten den 39-Jährigen am Dienstag als exzellenten Schützen, der Tiere oft per Kopfschuss getötet habe.

Er habe sich deswegen mit einem anderen Jäger gestritten, sagte der Hauptangeklagte. „Es kam zu einem kleinen Eklat.“ Aus heutiger Sicht könne es sein, dass dieser Mann der Vater des später erschossenen Polizisten gewesen sei – er sei sich aber nicht sicher.

Verteidigung verärgert: „Das ist untragbar“

In einer kritischen Anmerkung zum Prozessverlauf forderte die Verteidigung Einsicht in Akten aus einem parallel laufenden Verfahren wegen Jagdwilderei im Saarland. „Bei jedem Kaufhausdiebstahl bekommt man parallel Akten. Hier geht es um Mord – und nichts passiert. Das ist untragbar“, sagte einer der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft kündigte für den nächsten Verhandlungstag am Donnerstag Vernehmungsbeamte als Zeugen an. Dann kläre sich einiges.

Bisher sind Termine bis Mitte Oktober in Kaiserslautern vorgesehen.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur