Zum ersten Mal seit 7 Jahren: Passionsspiele in Wintrich an der Mosel starten wieder

Erstmals seit sieben Jahren werden in Wintrich die Passionsspiele wieder aufgeführt. Es geht um die letzten Tage im Leben Jesu Christi. Das ganze Dorf macht mit.
Laienschauspieler der Wintricher Passionsspiele proben eine Szene auf der Bühne in der St. Stephanus Kirche. Foto: Harald Tittel/dpa-Bildfunk
Laienschauspieler der Wintricher Passionsspiele proben eine Szene auf der Bühne in der St. Stephanus Kirche. Foto: Harald Tittel/dpa-Bildfunk

Wintrich im Passionsfieber

In Wintrich an der Mosel sieht man in diesen Tagen auffällig viele Männer mit langen Bärten und langen Haaren. Ortsbürgermeister Dirk Kessler zum Beispiel trägt Vollbart, seine Haare liegen gewellt auf den Schultern. Ein deutliches Zeichen, dass in dem gut 900-Einwohner-Dorf die Passionsspiele am Start sind. „Ja, wir sind im Passionsfieber“, sagt Kessler, der Leiter der Spiele ist und auch als Judas mit auf der Bühne steht.

Premiere diesen Samstag

Seit einem Jahr bereitet sich Wintrich auf die Darstellung der letzten Tage im Leben Jesu Christi in der katholische Pfarrkirche St. Stephanus vor. Mehr als 100 Laienschauspieler sind dabei, die Rollen sind für 23 Aufführungen bis Anfang Mai meist mindestens doppelt besetzt. Die Kostüme sind längst genäht, die Kirche ist zum Theater umgebaut und der Chor mit 70 Frauen und Männern hat geprobt – für die Premiere an diesem Samstag (9. März 2024).

Die letzten Wintricher Passionsspiele liegen sieben Jahre zurück. Normalerweise gehen sie alle fünf Jahre über die Bühne, aber wegen der Corona-Pandemie sei das Ereignis von 2022 auf 2024 verschoben worden, erzählt Kessler. Die Reihe hat in dem Moselort eine lange Tradition: Erstmals wurden die Spiele 1902 aufgeführt. Zwischendurch gab es auch längere Pausen. „Wir haben sie 1997 neu aufleben lassen“, sagt der gebürtige Hamburger.

Man muss nicht katholisch sein

„Hier mitzuspielen macht so viel Spaß“, sagt Tim Eckert (26) aus Wintrich, der an der Universität Trier Politikwissenschaft und Germanistik auf Lehramt studiert. Es gehe vor allem um die Gemeinschaft, sagt Robin Lorenz (32), der den Jesus spielt. Egal, welchen Part man habe, vor oder hinter den Kulissen: „Man ist integriert und Teil der ganzen Passion“, sagt der IT-Berater aus Baden-Baden, der an der Mosel für eine Firma in Ludwigshafen arbeitet.

Jürgen Andrä, gebürtig aus Sachsen, spielt einen Schriftgelehrten. „Da das hier nun mal das größte soziale Event ist, macht man gerne mit“, sagt er. Eine besondere Bindung hat auch Schüler Aeneas Hauf (17) zu den Spielen: „Ich bin der jüngste der Passion: Ich war schon mit zwei, drei Monaten eingewickelt in Tüchern mit auf der Bühne dabei.“ Und Reinhold Beicht (69), der als Petrus auf der Bühne steht, sieht die Spiele „als Friedensbotschaft“. Neben Katholiken spielen auch Protestanten mit. „Bei uns ist Toleranz großgeschrieben“, sagt Kessler. Er selbst sei nicht getauft und leite die Spiele seit 1997.

Passion auch anderswo

Passionsspiele als Dramen um das Leiden und Sterben von Jesus gibt es auch in anderen Orten und Städten Deutschlands – meist in Abständen von jeweils mehreren Jahren. Ganz besonders bekannt sind die Oberammergauer Passionsspiele in Bayern, die es seit fast 400 Jahren gibt und die das nächste Mal 2030 geplant sind.

In Wallersheim im Eifelkreis Bitburg-Prüm haben die Passionsspiele im Februar begonnen und gehen noch bis Ende März. Zuletzt gab es sie 2018. Dieses Jahr machen rund 100 Darsteller in der Pfarrkirche St. Nikolaus mit. „Wenn wir anfangen zu spielen, sind wir eine Familie“, sagt Regisseur Joachim Nitsch. Bei den Spielen in Wallersheim stehe das Wort im Vordergrund, die Bühne werde minimalistisch gehalten. „Man kann sich dem Ganzen nicht entziehen, es macht was mit einem.“

Es sei dieses Jahr schwieriger als früher gewesen, genug Aktive für die Passionsspiele zu bekommen, erzählt Nitsch, der seit 38 Jahren dabei ist. Aber am Ende habe sich ein Team zusammengefunden, das ideal zusammenpasse. Insgesamt gebe es 14 Aufführungen.

Wenn auch nicht in diesem Jahr: Passionsspiele gibt es in Rheinland-Pfalz ansonsten auch in Rieden (Kreis Mayen-Koblenz) und in Schuld an der Ahr (Kreis Ahrweiler). Im Saarland sind unter andrem die Passionsspiele Auersmacher bekannt. Und im an die rheinland-pfälzische Eifel angrenzenden Ostbelgien gibt es die Passionsspiele Schönberg in St. Vith, die 2025 wieder anstehen.

Gute Nachfrage

Die Passionsspiele in Wintrich sind überregional bekannt. Der Vorverkauf laufe gut, sagt Konni Engelhardt, die zum dritten Mal die Muttergottes spielt. Es gebe viel Publikum von außerhalb. Bei den letzten Spielen seien auch Busse aus Schweden gekommen. Die Aktiven im Passions-Team stammten inzwischen aus 25 Gemeinden an der Mosel.

„Bei uns ist die Besonderheit die absolute Nähe“, sagt Regisseur Kessler. In der kleinen Kirche seien die rund 350 Zuschauer „mitten im Geschehen drin“. Der Chor spiele mit und agiere auch als Volk – mit lauten Stimmen. „Da gibt es Gänsehautmomente“, sagt Kessler.

Wie er die Wintricher Passion im Vergleich zu Oberammergau sehe? „Von der Qualität der Darbietung können wir mithalten auf jeden Fall“, sagt der 63-Jährige. „Vom Volumen her“, also Zahl der Darsteller und Zuschauer, nicht. Über die „Europassion“, den europäischen Verband der Passionsspielorte, sei man verbunden. „Es geht auch nicht darum, wer macht es besser. Jeder spielt eine andere Passion.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur