Ausblick auf den Corona-Winter: Welche Szenarien und Maßnahmen sind möglich?

Der dritte Corona-Winter steht bevor und damit auch Feierlichkeiten wie Weihnachten und Silvester. Die Ausgangslage scheint besser als in den vergangenen Jahren. Aber sind in diesem Jahr auch wieder große Feste möglich?
Welche Corona-Maßnahmen und Pandemieverläufe sind im Winter wahrscheinlich? Symbolfoto: Jonas Walzberg/dpa-Bildfunk
Welche Corona-Maßnahmen und Pandemieverläufe sind im Winter wahrscheinlich? Symbolfoto: Jonas Walzberg/dpa-Bildfunk

Weihnachten im kleinen Kreis, Silvester ohne Party und eingeschränkte Kontakte den ganzen Winter lang – so sah die kalte Jahreszeit in den vergangenen Jahren bei vielen aus. Aber wie steht es in diesem Jahr? Expert:innen geben einen Ausblick:

Immunität

Die Ausgangslage scheint 2022 deutlich besser zu sein als noch in den vergangenen Jahren. Fachleute nehmen an, dass es in der Bevölkerung nun einen hohen Schutz vor schweren Verläufen gibt. Der Großteil weist Antikörper auf, die auf Genesung, Impfung oder beides hindeuten. Ansteckungen sind allerdings trotzdem möglich. Der nachlassende Schutz könnte laut Modellierer Kai Nagel (TU Berlin) ein Faktor für neue Wellen sein.

Wellen

Bislang hat das Robert-Koch-Institut (RKI) den Pandemieverlauf rückwirkend in fünf Wellen geteilt. Aktuell befindet sich Deutschland in der sechsten Welle, die im Juni begann. „Ich gehe nicht davon aus, dass die jetzige – anscheinend leicht abflauende Welle – schon die letzte in diesem Herbst/Winter ist“, so der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb.

Varianten

Etwas klarer scheint die Frage, welche Erreger in nächster Zeit die Oberhand haben werden. Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC rechnet mit Fallzahlenanstiegen durch den Omikron-Abkömmling BQ.1 und dessen Sublinie BQ.1.1. Die Weltgesundheitsorganisation beobachtet zudem weitere Omikron-Varianten.

Szenarien

Mehrere Modellierergruppen haben kürzlich gemeinsam mögliche Winter-Szenarien veröffentlicht. Den Modellen zufolge bleibt eine weitere Welle nicht aus – auch dann nicht, wenn sich keine neue Variante durchsetzt. Sollte eine neue, besser übertragbare Version auftreten, falle die Welle allerdings deutlicher aus.

Die Fachleute schließen auch ein pessimistisches Szenario nicht aus, in dem eine neue Variante den bisherigen Immunschutz umgeht. Dann würden sich schwerere Verläufe mehren und auch die bislang erreichten Spitzenwerte der Krankenhausbelastung könnten überschritten werden. Bei BQ.1 und BQ1.1. gibt es jedoch keine Hinweise auf eine höhere Krankheitsschwere.

Verhalten

Laut Epidemiologen Zeeb brauche es jetzt einen Übergang in eine „aufmerksame Routine“. Bürger:innen sollten alle sinnvollen und machbaren Maßnahmen umsetzen, um Corona unter Kontrolle zu halten. Das bedeutet auch, dass Ältere und Risikopatient:innen ihren Impfschutz auffrischen sollten. „Hier spielt sich der besonders gefährliche Teil der Pandemie weiterhin ab, und steigende Sterbezahlen sollten wir wirklich in der Lage sein zu verhindern.“

Auch bei der Planung für Weihnachten und Silvester sollte man das persönliche Risiko abwägen, so Kai Nagel. „Man muss sich entscheiden, ob man die Gefahr einer Ansteckung, etwa bei einer größeren Familienfeier, eingehen will.“

Gefährdete

Patientenschützer:innen sehen nach wie vor eklatante Mängel beim Schutz wirklich gefährdeter Gruppen. „Die Situation für Menschen, die sich in der stationären und ambulanten Altenpflege nicht selbst schützen können, ist nach wie vor verheerend“, so Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Weder Bund noch Länder betrieben bei dem Thema ausreichende Prävention. Laut Brysch brauche es in der Altenpflege ein bundesweites Testregime, um Viruseinschleppungen durch Personal und Besucher:innen zu vermeiden. Zudem müsse man bei Ausbrüchen externe Pflege-Teams hinzuziehen und Ausweichquartiere für Nicht-Infizierte bereitstellen.

Maßnahmen

Aktuell in der Diskussion ist vor allem die Maskenpflicht in Innenräumen. Falls das pessimistische Szenario einer neuen Variante eintritt, seien laut Simulation des Teams von Kai Nagel strenge Maßnahmen beziehungsweise eine starke Verhaltensänderung nötig. Nur dann könne man einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems in diesem Fall verhindern.

Erfolgversprechende Schritte seien eine Homeoffice-Quote von 50 Prozent, FFP2-Maskenpflicht für Arbeit in Innenräumen sowie um die Hälfte reduzierte Freizeitaktivitäten im öffentlichen und privaten Raum. Letztes beträfe etwa sowohl Restaurantbesuche als auch private Treffen. Dafür müsse man dann den Betrieb an Schulen und Universitäten nicht einschränken.

Krankenhäuser

Die Universitätsklinik Charité in Berlin sprach sich bereits angesichts des bisherigen Fallzahlanstiegs für stärkeren Infektionsschutz wie etwa Maskenpflicht in Innenräumen aus. Hajo Zeeb erwartet, dass im Winter „unsere Versorgungseinrichtungen unter mehr oder weniger permanentem Druck stehen werden, auch mit eigenem erkrankten Personal„. Mediziner:innen schätzten, dass sich in ihren Häusern ein Viertel bis ein Drittel des Personals im Lauf von Herbst und Winter mit Corona anstecken dürfte.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur