Das war’s: Oskar Lafontaine hört als Politiker auf

Im Saarland hat alles angefangen. Und an der Saar geht es zu Ende: Nach mehr als fünf Jahrzehnten beendet Oskar Lafontaine seine politische Karriere. Seiner linken Politik ist er treu geblieben, auch wenn es weh tat.
Lafontaine hört als Politiker auf. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk
Lafontaine hört als Politiker auf. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk

Oskar geht. Nach mehr als 50 Jahren kehrt Oskar Lafontaine (78) der aktiven Politik den Rücken. Ein Politiker, der ohne Zweifel zu den bekanntesten linken Köpfen Deutschlands zählt. Mit der Landtagswahl am 27. März im Saarland, bei der er nicht mehr antritt, endet für den Noch-Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im saarländischen Landtag ein langer politischer Weg voller Höhen und Tiefen. „Ich ziehe mich zurück“, sagt Lafontaine der Deutschen Presse-Agentur. Und fügt hinzu: „Aber natürlich wird mich das politische Interesse nie verlassen.“

Oskar Lafontaines Posten

Das wäre auch höchst erstaunlich. Denn „Oskar“, wie er im Saarland kurz und bündig heißt, war fast alles, was man in einem politischen Leben in Deutschland werden kann: Oberbürgermeister von Saarbrücken, SPD-Landesvorsitzender, Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998), SPD-Kanzlerkandidat im Jahr 1990, SPD-Bundesvorsitzender, Bundesfinanzminister, Mitgründer der Linkspartei und deren Partei- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag.

„Ich war 13 Mal Spitzenkandidat bei Wahlen. Ich glaube, so viele gibt es nicht, die so oft an der Spitze von Wahlkämpfen gestanden haben. Ich habe meinen Beitrag zur res publica geleistet“, sagt Lafontaine. Seit 2009 hat er die Linksfraktion im Saar-Landtag geführt.

„Ich wollte immer etwas für die Leute erreichen, denen es nicht so gut geht“, sagt er in seinem Büro im Landtag. „Man muss ein echtes Mitgefühl haben für diese Menschen.“ Der Ausbau des Sozialstaats und eine friedliche Außenpolitik seien immer seine zentrale Anliegen gewesen. Lafontaines Vater – ein Bäckermeister – fiel in den letzten Kriegstagen, er wuchs im bescheidenen katholischen Arbeitermilieu von Dillingen auf. Höhere Schulbildung und ein Studium zum Diplomphysiker ermöglichte die Unterstützung der Kirche.

Dieser Tag war außergewöhnlich

Wenn er über „außergewöhnliche Ereignisse, die mein politisches Leben geprägt haben“ spricht, dann auch über den 11. März 1999. Da erklärte Lafontaine völlig überraschend seinen Rücktritt vom SPD-Bundesvorsitz und vom Amt des Bundesfinanzministers. Die SPD bebte. Lafontaine begründete seine Entscheidung mit dem sich abzeichnenden Sozialabbau der rot-grünen Bundesregierung, der später in die Agenda 2010 mündete. Und mit der Zustimmung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zum „völkerrechtswidrigen Krieg“ gegen Jugoslawien. 2005 trat Lafontaine aus der SPD aus.

War der Bruch mit der SPD ein Fehler? Er könne diese Frage „auch heute nicht beantworten“, sagt Lafontaine. „Vielleicht hätte ich, wenn ich in der SPD geblieben wäre, mehr erreichen können. Das kann man im Nachhinein kaum beurteilen. Ich würde mich immer noch als Sozialdemokrat aus der Ära Willy Brandts bezeichnen – mit den zwei Säulen Ausbau des Sozialstaats und friedliche Außenpolitik.“

Attentat auf Lafontaine prägend

Prägend sei für ihn auch das Attentat von April 1990 gewesen, als er bei einem Wahlkampfauftritt in Köln von einer psychisch kranken Frau lebensgefährlich verletzt wurde. Ob er auch Fehler gemacht habe als Politiker? „Im politischen Leben macht man immer Fehler“, sagt er. „Ja, manches würde ich im Nachhinein anders machen. Aber das Geschehene kann man nicht mehr ungeschehen machen.“

Traurig sei er über den Zustand der in 2007 von ihm mitgegründeten Partei Die Linke: „Die Partei wurde ja gegründet, um die SPD zur Änderung ihrer Politik zu zwingen und den Sozialabbau der rot-grünen Regierung wieder rückgängig zu machen.“ Damit habe man, weil die SPD zweimal eine gemeinsame Regierung mit der Linken abgelehnt habe, nur „bescheidene Erfolge“ gehabt.

Warum er die Linke heute kritisch sieht

Nach dem Einzug in viele Landtage habe auch die Linke in Deutschland den „progressiven Neoliberalismus“ übernommen: Themen wie Antirassismus, Feminismus, Diversity und Flüchtlingshilfe seien in den Vordergrund gerückt, die „Kernthemen“ von besseren Löhnen, Renten und Sozialleistungen seien aber vernachlässigt worden – „und die Wahlergebnisse wurden immer schlechter“. Und weil bei den Linken an der Saar mit „fingierten und manipulierten Listen“ bei Bundestags- und Landtagswahlen Mandate vergeben würden, könne er diese nicht mehr unterstützen, sagt Lafontaine.

Die Linkspartei muss bei der Saarlandwahl nun ohne ihr größtes Zugpferd „Oskar“ antreten. Der populäre „Politiker zum Anfassen“ hatte bei den vergangenen drei Wahlen dafür gesorgt, dass die Linken mit zweistelligen Ergebnissen über dem Bundesdurchschnitt lagen. Nun müssen die Linken an der Saar Umfragen zufolge um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. „Das hat sich in erster Linie die Bundespartei zuzuschreiben“, sagt Lafontaine und kritisiert fehlendes Durchgreifen gegen den Saar-Landesverband. „Es wäre ein Leichtes gewesen, die Mitgliederverwaltung in die Verantwortung der Bundespartei zu überführen, um den Betrug abzustellen.“

Was Lafontaine jetzt vorhat

Er sei nicht nur eine politische Person gewesen, sagt Lafontaine. Er sei auch begeisterter Leser: „Literatur hat mich immer fasziniert.“ Und auch „das ruhige Leben, das gute Leben“ wisse er zu schätzen: „Insofern werde ich keine Probleme haben, jetzt anders zu leben.“ Vielleicht schreibe er noch mal ein Buch. Auf jeden Fall aber werde er mit dem E-Fahrrad um seinen Wohnort Merzig nahe an der deutsch-französischen Grenze unterwegs sein – weil er die Natur liebe und weil auch seine Frau Sahra Wagenknecht gerne radle. Auch längere Touren: „110 Kilometer an der Saar und an der Mosel vorbei ist unsere Standardstrecke.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur