Hohe Corona-Zahlen trotz Lockdown: Wo stecken sich Menschen an?

Seit über zwei Monaten halten die Lockdown-Maßnahmen bereits an - und sie werden immer härter. Dennoch liegen die Corona-Fallzahlen weiterhin auf hohem Niveau. Was sind die Gründe dafür?
Die Corona-Zahlen gibt es auf SOL.DE: Foto: dpa-Bildfunk
Die Corona-Zahlen gibt es auf SOL.DE: Foto: dpa-Bildfunk

Weiterhin hohe Zahlen

Die Corona-Fallzahlen bleiben trotz des Lockdowns seit November hoch. Doch warum eigentlich? Die Suche nach Antworten gleicht Stochern im Nebel. Aus Sicht von Expert:innen sei ein mögliches Problem, dass zu wenig im Homeoffice gearbeitet wird.

Derzeit fehlen jedoch schlicht Daten, um fundierte Aussagen treffen zu können. Wo Infizierte sich angesteckt haben, wisse man in vielen Fällen nicht. Das sagte Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen der Deutschen Presse-Agentur („dpa“). „Einerseits haben wir zwar weniger Kontakte, andererseits wissen wir scheinbar aber trotzdem wenig darüber, wo es gewesen sein könnte.“

RKI: Oft diffuse Ausbreitung

Es gebe wenig große Ausbrüche. „Von Infektionsherden kann man nicht wirklich sprechen, eher von einzelnen Kerzen.“ In den Lageberichten des Robert Koch-Instituts (RKI) ist von einer oft diffusen Ausbreitung von Sars-CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung die Rede – „ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind“. Häufungen stünden sie im Zusammenhang mit Alten- und Pflegeheimen, privaten Haushalten und dem beruflichen Umfeld. Zu der hohen Inzidenz trügen aber auch viele kleinere Ausbrüche etwa in Kliniken bei.

Frage nach Coronavirus-Variante B.1.1.7

Laut Zeeb ist zudem unklar, wie stark die wohl ansteckendere Coronavirus-Variante B.1.1.7 in Deutschland schon verbreitet ist. Der Anteil untersuchter Proben sei viel zu gering, um Rückschlüsse darauf zu ziehen. Dass das Sinken der Neuinfektionszahlen nur sehr langsam vorankomme, könne aber ein Indiz dafür sein, dass sich das Virus an manchen Stellen verändert habe.

Unklare Lage über Weihnachten

Kaum zu beantworten ist auch die Frage, ob Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen über Weihnachten die Zahlen auf hohem Niveau gehalten haben. Um die Feiertage herum sei weniger getestet worden, erklärte Zeeb. Daher seien die aktuellen Zahlen auch mit Vorsicht zu beurteilen. „Ich glaube, wir werden es nie ganz genau wissen.“ Positiv sei aber, dass es zumindest keinen rasanten Anstieg nach den Familienfesten gegeben habe.

„Faktor Betriebe“

Anders als im Lockdown im Frühjahr hätten viele große Betriebe noch offen, nennt der Epidemiologe laut „dpa“ einen weiteren Faktor. „Das führt dazu, dass viele Menschen unterwegs sein müssen.“ Zugleich warnte er davor, es sich zu einfach zu machen bei Ursachensuche und Argumentation – nach dem Motto: In den Firmen und Büros sind noch Leute zusammen, also wird es das schon sein.

Ähnlich sieht es die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, Eva Grill: Aufgrund der mangelhaften Datenlage ließen sich Effekte von Homeoffice oder fehlendem Homeoffice derzeit nicht robust beurteilen. Homeoffice sei aber „essenzieller Bestandteil der kontaktvermindernden Maßnahmen“, erklärte sie „dpa“ zufolge am Dienstag.

Was tun also?

Welche Maßnahmen müssten getroffen werden? Mehr Homeoffice und gegebenenfalls große Teile der Wirtschaft im nächsten Schritt stoppen? Dass strenge Maßnahmen helfen, die Ausbreitung des Virus deutlich zu verringern, zeigen Beispiele wie China, wo die Regierung viel rigoroser durchgreift. Ob man das mit all den damit verbundenen Folgen wolle, müsse für jeden einzelnen Fall diskutiert werden, so Zeeb.

Klar sei aber, dass die Grundlagen für politische Entscheidungen verbessert werden müssten. „Wir können unsere Entscheidungen noch nicht gut begründen, auf Grundlage von Daten“, so der Forscher. „Wir wissen nicht mal hinterher, was ausschlaggebend gewesen ist.“

Pandemie noch Monate

Die Pandemie werde noch Monate anhalten. Daher sei es wichtig, gemeinsam zu entscheiden, welche Daten man einheitlich erheben wolle und wie diese intelligent interpretiert werden können. Das laufe bisher viel zu lückenhaft und uneinheitlich, so Zeeb. „Positiv formuliert: Da ist noch zu viel Vielfalt im System.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– eigener Bericht