Knalltüte oder Wundertüte? Was vom OB-Kandidaten Mirko Welsch zu erwarten ist

Fast wäre der OB-Wahlkampf in Saarbrücken ein bisschen langweilig geworden. Amtsinhaberin Charlotte Britz (SPD) ist beliebt und erfahren, CDU-Kandidat Uwe Conradt als Noch-Chef der Landesmedienanstalt nicht weniger prominent. Aber da ist der Dritte im Bund: Mirko Welsch. Der interessierte Leser fragt sich: Knalltüte oder Wundertüte im Kampf um den OB-Posten?
Die politisch bewegte Vergangenheit von Mirko Welsch sollte mit der Kandidatur bei der Oberbürgermeisterwahl von Saarbrücken ihren Höhepunkt finden. Foto: Mirko Welsch.
Die politisch bewegte Vergangenheit von Mirko Welsch sollte mit der Kandidatur bei der Oberbürgermeisterwahl von Saarbrücken ihren Höhepunkt finden. Foto: Mirko Welsch.
Die politisch bewegte Vergangenheit von Mirko Welsch sollte mit der Kandidatur bei der Oberbürgermeisterwahl von Saarbrücken ihren Höhepunkt finden. Foto: Mirko Welsch.
Die politisch bewegte Vergangenheit von Mirko Welsch sollte mit der Kandidatur bei der Oberbürgermeisterwahl von Saarbrücken ihren Höhepunkt finden. Foto: Mirko Welsch.

Eines muss man Mirko Welsch lassen: Er ist wandlungsfähig. Eine Eigenschaft, die ein Politiker in turbulenten Zeiten vielleicht braucht. Er begann als Liberaler, also als FDP-Mitglied, wechselte – Achtung: Strammes Manöver nach rechts – zur AfD, knutschte zwischendurch mit einer stadtbekannten NPD-Frontfrau (die zum Zeitpunkt des Kusses zwar schon stramm rechts, aber noch nicht in der NPD war – wir wollen politisch korrekt sein).

Die Knutsch-Affärre mit Jacky Süßdorf brachte ihm immerhin eine Story bei „VICE“ ein („Sowas passiert aber auch nur im Saarland“).

Ach ja: Auch in der „heute show“ hatte Mirko Welsch seinen Auftritt, damals noch als homosexueller AfD-Bundessprecher. Was sich ähnlich paradox anhört wie „Juden in der AfD“ – aber das ist eine andere Geschichte. Der Auftritt bei den „Heute Show“-Kollegen gelang zwar mäßig geschmeidig. Aber – hey: „VICE“ und „Heute Show“ – muss man auch erst mal schaffen. Chapeau!

Im Frühjahr 2017 trat Welsch aus der AfD aus und wechselte zum Bürger Bündnis Saar, das ihn jetzt gemeinsam mit den Freien Wählern zum Saarbrücker OB-Kandidaten nominierte.

Den Überblick noch nicht verloren? Okay, dann schön weiterlesen!

Übrigens: Den ersten Preis für den originellsten Slogan verdient Mirko Welsch auf jeden Fall. Auf seiner Website „mirkofuer.de – Mirko für Deutschland“, formuliert er – Achtung: Wortspiel-Alarm: „Welsch eine Alternative“.

Gut, damals hatte Mirko Welsch noch ganz Deutschland im Visier – aber: Was ist Berlin gegen Saarbrücken? Seine Website offenbart allerdings ein Grundproblem, das man mit Mirko Welsch haben kann. Man weiß nie so recht, wofür er eigentlich steht. FDP, AfD, Freie Wähler, …?

Er selbst sagt über sich: „Ich bin ein konservativer Patriot und kein nationalistischer Idiot.“

Lektion 1: Das Internet vergisst nie. Oder zumindest: Mirko Welsch hat vergessen, seine alte Seite aus AfD-Zeiten zu löschen. Dort tritt er noch in seinem früheren Amt auf: „…als Gründer und Bundessprecher der „Homosexuellen in der AfD mache ich meine Arbeit mit Freude und hohem Engagement.“ Steht er also noch zu jeder seiner damaligen Aussagen – wie „Ausreisekultur statt Willkommenskultur“? Möglicherweise würde er heute als OB-Kandidat geschmeidiger formulieren.

Und auch Twitter merkt sich so einiges. Dort fabuliert er „Der Islam ist Antisemitismus. Um damit die Nachfolge von Hitler in Deutschland.“ Lektion 2: Hitler-Vergleiche gehen ganz selten gut, lehrt die Geschichte.

Immerhin mit den alten AfD-Granden hat Mirko Welsch gebrochen, auch das ist auf Twitter nachzulesen:

Für welche Inhalte sich Mirko Welsch im Saarbrücker OB-Wahlkampf einsetzen wird, liegt noch im Dunkeln. In ihrer Pressemitteilung inszeniert ihn die Freie BürgerListe nur als „ersten schwulen OB-Kandidaten in Saarbrücken“. Was mutmaßlich stimmt. Also, dass er der erste ist.

Immerhin soviel verrät die Pressemitteilung in einem Satz: „Als erste Themenschwerpunkte wurden die Abschaffung der Straßenbaugebühren sowie eine seriöse und nachhaltige Verkehrspolitik in Saarbrücken beschlossen.“ Kann ja nix schaden.

Vielleicht hilft ein Blick nach Berlin, um dem Phänomen Mirko Welsch näher zu kommen. Die Berliner Blogger von „Reality Check“ besuchten ihn 2016 in seinem Heimatort Dudweiler und wagten den „Versuch einer Annäherung“. Damals war Welsch noch strammer AfD-Vertreter.

Einen Dudweiler Bezirksratskollegen von Mirko Welsch zitieren die Berliner mit den Worten: „Unter uns gesagt, der hat einen an der Schüssel.“ Der Welsch äußere sich „zu allem und jedem und spielt sich gern als Rächer der Enterbten auf. Der ist ständig in der Offensive, wird schnell aggressiv und beleidigend, dann überschlägt sich seine Stimme und er fängt an zu geifern.“ Über seine Motivation damals in die AfD einzutreten, erzählt Welsch den Bloggern: „Die AfD steht heute da, wo vor 20 Jahren die CDU gestanden ist, wieso gilt das heute als rechts?“ Eingetreten sei er wegen der Euro-Rettung.

So viel sei verraten: Auch den Berlinern gelingt es nicht, Mirko Welsch politisch klar zu verorten. Ein Fazit zieht der Beitrag aber doch: „Der Mann braucht Aufmerksamkeit wie Sauerstoff.“

Wird die vermeintliche Knalltüte, für die mancher den etwas skurrilen Lokalpolitiker hält, vielleicht doch zur Wundertüte im OB-Wahlkampf?