Mann mit jüdischen Wurzeln gequält: Strafbefehl gegen Saarbrücker Burschenschaftler beantragt
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg/Baden-Württemberg hat wegen eines möglichen antisemitischen Angriffs auf einen Studenten den Erlass von Strafbefehlen gegen sechs Beschuldigte beantragt. Unter ihnen ist auch ein Mitglied der Saarbrücker Burschenschaft Ghibellinia zu Prag, wie die Anklagebehörde am Freitag (14. Mai 2021) auf SOL.DE-Anfrage mitteilte.
Burschenschaftler misshandelt
Ein damals 25-Jähriger hatte im August eine Party mit etwa 30 Menschen im Haus der Burschenschaft Normannia in Heidelberg besucht. Dort sei er mit Gürteln geschlagen, mit Münzen beworfen und antisemitisch beleidigt worden, so die Staatsanwaltschaft. Das Opfer ist Mitglied der Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania in Heidelberg und hatte den Angaben zufolge vor dem Angriff berichtet, er habe jüdische Vorfahren. Nachdem er misshandelt worden war, erstattete er Anzeige.
Strafbefehl gegen Saarbrücker Burschenschaftler beantragt
Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin zehn Beschuldigte, darunter waren fünf Mitglieder der Saarbrücker Ghibellinia. Vier von ihnen konnte eine Beteiligung an der Tat nicht hinreichend nachgewiesen werden, so Staatsanwalt Thomas Bischoff zu SOL.DE. Gegen einen damals 28-jährigen Saarbrücker Burschenschaftler wurde Strafbefehl wegen Beleidigung erlassen. Er sei am Münzwurf beteiligt gewesen. Für Beleidigung kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren verhängt werden. Das Amtsgericht Heidelberg muss nun entscheiden, ob es die Strafbefehle gegen den Saarbrücker und fünf weitere Burschenschaftler erlassen wird. Würde einer der Beschuldigten dann Einspruch erheben, käme es zum Prozess.
Kritik an Saarbrücker Burschenschaft
Die Saarbrücker Burschenschaft war in den vergangenen Jahren immer wieder in Kritik geraten. So zitierte die „Frankfurter Rundschau“ beispielsweise aus einem internen Protokoll der Ghibellinia, in dem von einer „Aktivenfahrt nach Namibia zur N****jagd“ (N-Wort von SOL.DE unkenntlich gemacht) und „zwei wöchentlichen Pogromen“ die Rede war. Die Burschenschaft hatte das Schriftstück später als „satirisch“ bezeichnet.
Jusos fordern Distanzierung
Nicht zuletzt wegen dieser Vorwürfe hatten die Jusos von der Universität des Saarlandes gefordert, sich von der Studentenverbindung zu distanzieren. Dass die Burschenschaft auf dem Campus Mitteilungen aushängen dürfe und eine eigene Pinnwand habe, bezeichnete eine Sprecherin im „SR“ als „unerträglich“. Die „Ghibellinia“ passe nicht zu einer vielfältigen und toleranten Universität. Die Normannia zu Heidelberg hatte nach eigenen Angaben ihre „Aktivitas“ – darin sind alle studierenden Mitglieder zusammengeschlossen – kurz nach Bekanntwerden des Vorfalls vom August aufgelöst.
Verwendete Quellen:
– eigene Recherche
– eigene Berichte
– Mitteilung der Staatsanwaltschaft Heidelberg, 14.05.2021
– Saarländischer Rundfunk