Missbrauch in Homburg: Klinik hatte schon 2011 Hinweis auf pädophile Veranlagung von Matthias S.

Das Universitätsklinikum des Saarlandes weitet seine Überprüfung des Matthias S. aus und nimmt auch dessen Studium in Homburg ins Blickfeld. Laut eines TV-Berichts wusste die Klinik schon 2011 von der pädophilen Veranlagung des Assistenzarztes, der bis 2014 dort angestellt war und Kinder sexuell missbraucht haben soll.

Im Zusammenhang mit Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch durch den Assistenzarzt Matthias S. weitet das Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) den Zeitraum seiner Überprüfung aus. Es werde auch die Zeit in den Blick genommen, in der der Beschuldigte den klinischen Abschnitt seines Studiums der Humanmedizin Ende 2005 in Homburg begann, teilte das UKS am Donnerstag (27. Juni) mit. Ins Grundstudium stieg er zwei Jahre zuvor ein.

Grund für die Ausweitung seien Hinweise auf weitere mögliche Fälle, die sich aus Beratungsgesprächen im Rahmen der Aufklärungsarbeit ergeben hätten. Auch die Universität des Saarlandes sei bei der Untersuchung mit im Boot.

Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft

In Kaiserslautern prüft nun ein früherer Arbeitgeber des Beschuldigten dessen Patientenkontakte: Matthias S. war von April 2014 bis zu seinem Tod im Juni 2016 in der Klinik für Neurologie im Westpfalz-Klinikum beschäftigt. Nach derzeitigem Kenntnisstand habe er in seinem dienstlichen Umfeld in der Klinik für Neurologie keinen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen gehabt, teilte die Klinik mit.

Das ARD-Magazin „Monitor“ hatte zuerst über den möglichen Missbrauchsskandal berichtet. In einem Bericht, der am Donnerstagabend (28. Juni) im Ersten ausgestrahlt wurde, erhob der bayrische Verfassungsrichter Hartmut Wächtler schwere Vorwürfe gegen die Saarbrücker Staatsanwaltschaft.

Diese habe die Eltern der mutmaßlichen Opfer informieren müssen. Wächtler bezeichnet das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als „Verletzung von Gesetzen.“ Die Behörde begründet ihr Vorgehen damit, dass die Kinder keine „Verletzten“ im Sinne des Gesetzes gewesen seien. Die Verdachtsmomente gegen Matthias S. seien damals nicht konkret genug gewesen.

Schon 2011 Hinweis auf pädophile Veranlagung

Der Monitor-Bericht präsentiert zudem ein Schreiben, das die Uniklinik bereits im Jahr 2011 erreicht haben soll. Darin heißt es, Matthias S. habe eine pädophile Veranlagung und untersuche Kinder im Genitalbereich, auch „wenn es nicht nötig gewesen wäre“. Auch Kollegen hätten bemerkt, dass der Assistenzarzt die nötige Distanz zu seinen jungen Patienten nicht gewahrt hätte.

Einer anschließenden Anordnung des Klinikchefs, Matthias S. dürfe Kinder nur noch im Beisein von Krankenschwestern, anderen Ärzten oder den Eltern behandeln, hätte er sich widersetzt und die Personen herausgeschickt. Rund 300 junge Patienten seien im Zeitraum von 2010 bis 2014 durch Matthias S. behandelt worden. 95 Prozent der Untersuchungen seien medizinisch nicht notwendig gewesen.

Matthias S. starb neben elfjährigem Jungen

Der beschuldigte Arzt war 2016 an einer natürlichen Ursache in seiner Wohnung gestorben. Dabei schlief er laut „Monitor“-Bericht neben einem elfjährigen Jungen, den Matthias S. aus dem Judoclub kannte, in dem er Trainer war. Auch die Kinder im Judoclub hatten die Ermittler angehört, doch auch hier nicht deren Eltern oder die Eltern der Klinik-Patienten informiert. Das Verfahren gegen Matthias S. war nach seinem Tod eingestellt worden.

In seiner Wohnung wurde kinderpornografisches Material gefunden. Zudem habe der Assistenzarzt ein Kinderzimmer und ein Matratzenlager bei sich eingerichtet. Mit Zustimmung der Eltern habe S. immer wieder Kinder bei sich zu Besuch gehabt, so „Monitor“.

Mittlerweile sind laut UKS Eltern informiert worden, erste Gespräche wurden geführt oder vereinbart. Zudem würden derzeit alle rund 300 Patienten kontaktiert, die von 2010 bis 2014 in der Ausscheidungsambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie von dem Assistenzarzt behandelt wurden.

Eine mehrköpfige „Taskforce“ sei ins Leben gerufen worden, die Kinderschutz-Konzepte am Klinikum optimieren solle. Auch ein externer Gutachter werde in der Sache beauftragt, hieß es.

Möglicher Missbrauchs-Skandal in Homburg: Bisherige Artikel zum Thema

27.06.2019: Sexuelle Missbräuche in Homburg: Arzt soll mit zwölfjährigem Patienten gechattet haben
25.06.2019: So verteidigt die Klinik ihr Schweigen nach sexuellen Missbräuchen in Homburg
24.06.2019: Pädophiler Arzt soll an Homburger Klinik Kinder missbraucht haben

Verwendete Quellen:
• dpa
Monitor: Jahrelang vertuscht: Mutmaßlicher Missbrauch an Uniklinik
• eigene Berichte