Mordfall Yeboah in Saarlouis: So lief der erste Tag im Prozess gegen 51-Jährigen

31 Jahre nach dem Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis hat am heutigen Mittwoch (16. November 2022) der Prozess gegen den 51-jährigen mutmaßlichen Täter begonnen. Er soll bei einem Grillfest mit der Tat angegeben haben.
31 Jahre nach einem Brandanschlag auf ein saarländisches Asylbewerberheim beginnt in Koblenz ein Mordprozess gegen einen heute 51-jährigen Angeklagten (rechts zwischen seinen Anwälten). Foto: Thomas Frey/dpa-Bildfunk
31 Jahre nach einem Brandanschlag auf ein saarländisches Asylbewerberheim beginnt in Koblenz ein Mordprozess gegen einen heute 51-jährigen Angeklagten (rechts zwischen seinen Anwälten). Foto: Thomas Frey/dpa-Bildfunk

Samuel Yeboah starb 1991 bei einem Brandanschlag

Das Jahr 1991: Nach langer Flucht hat der Asylbewerber Samuel Yeboah aus dem westafrikanischen Ghana ein vermeintlich sicheres Dach über dem Kopf im saarländischen Saarlouis gefunden. Doch nachts züngeln die Flammen hoch – im Dachgeschoss seines Asylbewerberheimes erleidet der 27-Jährige schwerste Brandverletzungen. Er stirbt noch am selben Tag. Erst jetzt, 31 Jahre später, kommt es zu einem Mordprozess.

Auftakt im Mordprozess gegen 51-Jährigen

Beim Auftakt am Mittwoch vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz führt ein Justizwachtmeister den schwarz gekleideten Angeklagten an Handschellen in den größten Saal des historischen Gebäudes. Der heute 51-jährige Deutsche sitzt seit April 2022 in Untersuchungshaft.

Der Angeklagte im Mordfall Yeboah. Foto: Thomas Frey/dpa-Bildfunk

Mord aus rassistischen Gründen

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, das Feuer aus nationalsozialistischer und rassistischer Gesinnung gelegt zu haben. Sie hat Anklage wegen eines Mordes und wegen versuchten Mordes in 20 Fällen erhoben. Außerdem geht es um Brandstiftung mit Todesfolge und Brandstiftung mit versuchter Todesfolge. Die Tat sei heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen geschehen.

Verteidigung will Freispruch

Der Angeklagte bestreitet laut seinem Anwalt Guido Britz die Vorwürfe. „Das Ziel der Verteidigung ist ein Freispruch„, sagt der Jurist am Rande des Prozesses. Es gebe bis heute Anhaltspunkte, die auf andere Menschen als Täter hindeuteten.

Angeklagter soll vor Tat über Anschläge gesprochen haben

Zuvor hat Staatsanwältin Sophie Gößl die Anklage verlesen. Demnach soll der Angeklagte in der „Pogromstimmung“ mit rechtsextremistischen Ausschreitungen Anfang der neunziger Jahre in einer Gaststätte in Saarlouis über rassistische Anschläge auf Unterkünfte für Ausländer im sächsischen Hoyerswerda gesprochen haben.

Asylheim brannte noch in derselben Nacht

Noch in derselben Nacht auf den 19. September 1991 habe der damals 20-Jährige Benzin auf die Holztreppe des Asylbewerberheims in Saarlouis gegossen und angezündet, getrieben von „tiefer Menschenverachtung„. Das Feuer breitet sich seinerzeit rasch aus. Samuel Yeboah wird tödlich verletzt, zwei andere Hausbewohner springen aus einem Fenster und brechen sich Knochen. 18 weitere Bewohner können unverletzt fliehen.

Bei dem Brandanschlag in Saarlouis war Samuel Yeboah ums Leben gekommen. Fotos: Landespolizeipräsidium Saarland

51-Jähriger soll auf Grillfest mit Tat geprahlt haben

Die Bundesanwaltschaft nimmt den Fall im April 2020 neu unter die Lupe. Lange soll es eine Mauer des Schweigens gegeben haben. Im August 2022 aber heißt es in einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Fortdauer der Untersuchungshaft des 51-Jährigen, er habe 2007 bei einem Grillfest einer Zeugin mit Blick auf den Brandanschlag gesagt: „Das war ich, und sie haben mich nie erwischt.“

Verteidigung beschreibt Angeklagten als Familienmensch

Verteidiger Britz wirft der Bundesanwaltschaft beim Prozessauftakt den Versuch vor, das Verfahren mit der Einbettung der Tatvorwürfe in das deutsche Klima der rassistischen Anschläge vor drei Jahrzehnten unzulässig zu politisieren. Ihre Wortwahl einer „Pogromstimmung“ überzeichne und verzerre die damaligen Geschehnisse. Auch die Ausschreitungen in Hoyerswerda stelle die Anklage historisch falsch dar. Sein Mandant habe sich vor vielen Jahren für ein „bürgerliches Leben entschieden“ – als „arbeitender Ehemann und fürsorglicher Familienvater„, ergänzt Britz. An einem künftigen Verhandlungstag werde es eine Einlassung des Angeklagten geben.

Staatsanwaltschaft verspricht „Fülle an Beweisen“

Einstellung der ursprünglichen Ermittlungen, später nur eine Zeugin, Zurückweisung der Vorwürfe durch den Verteidiger? Oberstaatsanwalt Malte Merz versichert am Rande des Prozesses: „Es gibt eine Fülle an Beweisen.“ Auch nach 31 Jahren. Die saarländische Polizei hat sich für „Defizite in der damaligen Polizeiarbeit“ entschuldigt. Ein so später Prozess ist ungewöhnlich – aber Mord verjährt nicht.

Initiativen fordern Entschädigung für Überlebende

Vor dem OLG Koblenz informieren Stände des Saarländischen Flüchtlingsrats, der Aktion 3. Welt Saar und der Antifa Saar über den Brandanschlag. Eine ganze Generation lang hätten sie die Erinnerung an den rassistisch motivierten Brandanschlag wachgehalten, teilen die drei Organisationen mit. Ohne dieses Engagement hätte es keine neuen Ermittlungen und keinen Strafprozess gegeben. Die Initiativen fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss sowie finanzielle Entschädigung für die Überlebenden des Anschlags.

Demo vor der Gericht. Foto: Thomas Frey/dpa-Bildfunk

Fall müsse konsequent aufarbeitet werden

Saar-Justizministerin Petra Berg (SPD) betont, die tödliche Tat dürfe niemals vergessen werden: „Wir müssen den Fall konsequent aufarbeiten, die Opfer unterstützen.“ Es müsse auf Grundlage der beginnenden juristischen Aufarbeitung umfassend aufgeklärt werden, „welche Versäumnisse und Defizite vorgelegen haben, damit für die Zukunft die richtigen Schlüsse gezogen werden“.

Struktureller Rassismus habe Aufklärung verhindert

Anwälte von Überlebenden des Brandanschlags, die als Nebenkläger auftreten, erheben am Rande des Prozesses schwere Vorwürfe: Vor drei Jahrzehnten habe es einen strukturellen Rassismus in Deutschland mit verbreitetem Desinteresse an umfassender Aufklärung von Straftaten gegen Ausländer gegeben. Anwalt Alexander Hoffmann sagt, einige von Yeboahs Mitbewohnern seien damals aus Deutschland abgeschoben worden – ohne je von der Polizei zu dem Brandanschlag befragt worden zu sein.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur