Polizistenmord-Prozess: Jäger und Freunde beschreiben S. als großkotzig, aufbrausend und furchteinflößend

Im Prozess um den Polizistenmord in Kusel sagten am heutigen Donnerstag (14. Juli 2022) Jäger aus dem Saarland aus. Diese gaben an, sich vor dem Angeklagten gefürchtet zu haben. Einige hätten ihn im Verdacht gehabt, Wilderei zu betreiben. Eine geplante Meldung bei der Polizei verlief jedoch im Sande.
Der Angeklagte soll zwei Polizeikräfte im Januar bei einer Kontrolle erschossen haben, um Wilderei zu verdecken. Foto: Uwe Anspach/dpa-Bildfunk
Der Angeklagte soll zwei Polizeikräfte im Januar bei einer Kontrolle erschossen haben, um Wilderei zu verdecken. Foto: Uwe Anspach/dpa-Bildfunk

Nach den tödlichen Schüssen auf eine Polizistin und einen Polizisten in der Nähe von Kusel am 31. Januar 2022 hätten einige Jäger im Saarland den nun Hauptangeklagten Andreas S. schnell als mutmaßlichen Täter im Verdacht gehabt. Das berichtete ein Weidmann am heutigen Prozesstag vor dem Landgericht Kaiserslautern. Er habe sich nach der Berichterstattung über die Tat mit Bekannten ausgetauscht und am Morgen danach die Polizei angerufen. Den Beamt:innen habe er erklärt, dass es der 39-Jährige gewesen sein könnte.

Jäger wollten den Angeklagten bereits zuvor melden

„Es war uns bekannt, dass er wildert„, so der 36-Jährige vor Gericht. Viele hätten zudem Angst vor S. gehabt. Der Grund: Auf einer Jagd im Herbst 2021 habe dieser im Beisein von anderen gesagt, er würde sich den Weg freischießen, wenn sich ihm jemand in den Weg stellen würde. Bereits Ende des vergangenen Jahres habe man daher Kontakt mit der Polizei aufnehmen wollen, so der Zeuge. Der zuständige Beamte sei jedoch krank gewesen.

Zuvor habe sich der Verdacht der Jäger, dass S. saarlandweit und auch bis in die Pfalz hinein wildert, erhärtet. So erklärte ein anderer Jäger, dass er den Angeklagten auf das Thema angesprochen habe. Daraufhin habe der 39-Jährige erwidert: „Solange Du mich siehst, brauchst du keine Angst zu haben.“

Auch ehemalige Freunde hatten Angst vor S.

Auch ein früherer Freund von S. gab am Donnerstag an, sich bedroht gefühlt zu haben. Da dieser seit Ende März keinen Jagdschein mehr gehabt habe, durfte er nicht mehr an der Jagd teilnehmen. Nach einer verpassten Entenjagd habe der Angeklagte ihm zu hören gegeben, dass es nun keinen Schutz mehr für ihn gebe. „Ich hoffe, dass ich Dir nachts nicht über den Weg laufe„, habe S. dem Zeugen gesagt.

Revierleiter berichtet von drapierten Rehköpfen in S. Pirschbezirk

Sogar der Revierleiter von St. Ingbert-Nord sagte aus, im Herbst 2020 „ein ungutes Gefühl“ bei dem 39-Jährigen bekommen zu haben. Demnach habe einer der einst drei Pirschbezirke, die dem Angeklagten gekündigt worden waren, in seinem Revier gelegen. Auf einem Hochsitz und an einer Salzlecke habe ein Wilderer dort mehrere Rehköpfe und eine Sauschwarte drapiert. Zwar wisse der Leiter nicht, ob S. dafür verantwortlich war, aber „Es war für mich ein Statement.“

Bereits im Juni 2019 hatte man S. zwei Pirschbezirke vorzeitig gekündigt, da wiederholt Verstöße gegen die „Kirr-Ordnung“ auftraten. Diese gestattet das Anlocken von Wild nur mit Getreide und heimischen Früchten. In den Bereichen kamen dazu jedoch auch Backwaren zum Einsatz. So habe man auch an der Salzlecke mit den Rehköpfen Backwaren und Würstchen gefunden, so der Revierleiter.

„Er hat halt ein paar mehr PS“

Ein Freund von S. hatte zuvor dessen Schießfertigkeiten geschildert. „Einen besseren Schützen kenne ich nicht„, erklärte der 67-Jährige aus Homburg. Der Zeuge ist in der Jagdausbildung tätig und den Angeklagten seit vielen Jahren. Er beschrieb den 39-Jährigen als „jagdlich äußerst passioniert“. Zudem habe er Abschusspläne gerne übererfüllt. „Er hat halt ein paar mehr PS als andere Menschen.“

„Kurze Zündschnur“ und „großkotzige Art“

Charakterlich sei S. impulsiv und aufbrausend, so ein früherer Freund. „Er hat eine kurze Zündschnur„, rege sich aber auch schnell wieder ab. Mehrere Zeugen gaben an, dass der 39-Jährige trockener Alkoholiker sei. Ein anderer Jäger erklärte, ihm sei die „großkotzige Art“ von S. zuwider gewesen. Darüber hinaus habe er es nicht mit sich vereinbaren können, dass er die Tiere immer per Kopfschuss tötete. „Er macht Beute um jeden Preis„, sagte wieder ein anderer aus.

Verteidigung beantragte Aussetzung

Die Verteidigung hatte zu Beginn des Prozesstages beantragt, das Verfahren auszusetzen. Demnach seien ihnen wichtige Akten aus den laufenden Ermittlungen im Saarland zur Vergangenheit des Angeklagten nicht zur Verfügung gestellt worden. Der Vorsitzende Richter stellte den Antrag jedoch zurück. „Können Sie aber vergessen, sehe ich jetzt schon“, erklärte er. Die Staatsanwaltschaft warf der Verteidigung unnötige Verzögerungstaktik vor.

Darum geht es im Polizistenmord-Prozess

Seit dem 21. Juni steht S. bereits vor Gericht. Laut Anklage soll er bei einer nächtlichen Fahrzeugkontrolle eine 24-jährige Polizeianwärterin und einen 29-jährigen Polizeikommissar mit Gewehrschüssen in den Kopf getötet haben. Die Taten hätten seine Jagdwilderei verdecken sollen. Der 33-jährige Florian V. soll bei den Schüssen dabei gewesen sein. Er ist wegen versuchter Strafvereitlung angeklagt. Demnach soll er S. geholfen haben, Spuren zu verwischen.

Am Dienstag (19. Juli) geht der Prozess weiter. Dann sind elf Zeugen geladen. Bislang ist das Hauptverfahren bis zum 19. Oktober terminiert.