Rechtspopulistischer Shitstorm gegen das Gasthaus Zahm in Saarbrücken

Am gestrigen Sonntag (24. Juni 2018) organisierten sich rechtspopulistische Internet-Hetzer gegen das Gasthaus Zahm in Saarbrücken. Anlass für den "Shitstorm" war ein Facebook-Beitrag des Saarbrücker Gastlokals, in dem dieses mitteilte, dass AfD-Anhänger in ihrem Hause "nicht gerne gesehen" seien.
Das Gasthaus Zahm in Saarbrücken wurde Opfer eines rechten Shitstorms. Foto: Gasthaus Zahm/Facebook
Das Gasthaus Zahm in Saarbrücken wurde Opfer eines rechten Shitstorms. Foto: Gasthaus Zahm/Facebook
Das Gasthaus Zahm in Saarbrücken wurde Opfer eines rechten Shitstorms. Foto: Gasthaus Zahm/Facebook
Das Gasthaus Zahm in Saarbrücken wurde Opfer eines rechten Shitstorms. Foto: Gasthaus Zahm/Facebook

Am 22. Juni 2018 verfasste Jürgen Petry, der Inhaber des Gasthauses Zahm in Saarbrücken, einen Facebook-Beitrag mit folgendem Inhalt: „Ich lege Wert auf die Feststellung, dass AfD-Anhänger im Gasthaus Zahm nicht gerne gesehen sind. Bitte weitersagen!“

Dass dieser Beitrag bei AfD-Anhängern nicht gut ankommen würde, dürfte dem Inhaber des Gasthauses sicherlich bewusst und wohl sogar willkommen gewesen sein. Dass der Facebook-Post allerdings einen massiven, organisierten Shitstorm inklusive Beleidigungen und Bedrohungen hervorruft, überraschte den Saarbrücker Gastronomen hingegen.

Zu Beginn ein gewöhnlicher Meinungsstreit
Zunächst begann alles – gemessen an Social-Media-Maßstäben – recht harmlos. Der Beitrag des Gasthauses Zahm wurde von den Menschen gefeiert, die die politische Arbeit der AfD mindestens fragwürdig finden und wiederum von denen kritisiert, die mit der AfD sympathisieren. Es entwickelte sich etwa zwei Tage lang ein gewöhnlicher Meinungsstreit, der sich, auch wenn es auf Facebook schon einmal etwas rauer zugeht, in den Grenzen einer normalen, öffentlichen Auseinandersetzung hielt.

Organisierter Shitstorm
Doch dann passierte etwas, was seit einiger Zeit von verschiedenen Medien thematisiert wird: ein organisierter, rechter Mob erobert die Kommentarspalten und will den „Meinungsfeind“ um jeden Preis schädigen.

Ob die wohl bekannteste digitale Hetz-Patrouille „Reconquista Germanica“ den Shitstorm initiiert hat, konnte bislang noch nicht geklärt werden. Doch mittels eines Informanten konnten wir innerhalb kurzer Zeit nachverfolgen, dass zumindest in verschiedenen regionalen, geschlossenen Social-Media-Gruppen mit rechtspopulistischem Hintergrund dazu aufgefordert wurde, „es dem Wirt kräftig zu zeigen“.

Viele „unnatürliche“ Kommentare

So war es bereits auf den ersten Blick sehr auffällig, dass zwei Tage nach Absetzen des ursprünglichen Facebook-Beitrags wider des natürlichen Facebook-Algorhitmus (Anmerkung der Redaktion: je älter ein Beitrag auf facebook ist, desto geringer wird in der regel sein Verbreitungsgrad) innerhalb kürzester Zeit weit über 500 Hasskommentare auftauchten (Anmerkung der Redaktion: mittlerweile hat der Beitrag 4.836 Kommentare, Stand vom 25. Juni 2018 um 17:30 Uhr).

Ins Auge springen vor allem die Kommentare aus ganz Deutschland, die frei erfunden und in bewusst geschäftsschädigender Weise abgesondert wurden. So griffen Leute aus Berlin, Dresden, Oranienburg, Zwickau und vielen weiteren (insbesondere ostdeutschen) Städten die eigentlich nur lokal bekannte Gaststätte „wie aus dem Nichts“ an. Diese Menschen beklagten die Hygiene, das schlechte Essen, Ungeziefer, Uringeruch und weitere absurde Unterstellungen, um das Gasthaus bewusst zu schädigen. Dass diese Personen das Gasthaus nie von innen gesehen haben, dürfte wohl jedem klar sein.

Auch Jürgen Petry vom Gasthaus Zahm geht von einer organisierten Aktion aus: „Man weiß ja, dass diese Leute sehr gut vernetzt sind.“ Auf SOL.DE-Nachfrage erklärte Petry, dass er sich beim Verfassen des Beitrags bewusst war, dass er sich damit nicht nur Freunde machen würde. Er sei allerdings überrascht darüber, wie viele „gute Bürger“ sich an offensichtlich gelogenen Bewertungen und sogar an Beleidigungen und Bedrohungen seiner Mitarbeiter beteiligen.

Gezielte Geschäftsschädigung
Nicht nur auf Facebook wollen die rechten Hetzer den Gastronomen gezielt schädigen. Innerhalb von nur einer Stunde erhielt das Gasthaus Zahm am gestrigen Sonntag über Google und das Bewertungsportal TripAdvisor eine Flut von schlechten Bewertungen mit gezielt geschäftsschädigenden Aussagen. Erneut wird das schlechte Essen, das unfreundliche Personal sowie die schlechte Hygiene des Restaurants von Menschen kritisiert, die das Restaurant wohl niemals von innen gesehen haben. Dass die Kritiken komplett erlogen sind, erkennt man auch daran, dass der Gastronom für sein Gasthaus bislang fast nur 4- bis 5-Sterne-Wertungen erhalten hat und die 1-Sterne-Bewertungen allesamt am gestrigen Abend innerhalb von nur einer Stunde abgegeben worden sind.




Auf unsere Nachfrage erklärte Herr Petry, dass er nach jetzigem Stand gegen die Hetzer strafrechtlich nicht vorgehen wird: „Ich möchte nicht noch weiter Öl ins Feuer gießen. Ich habe eine Fürsorgepflicht gegenüber meinen Kollegen und Mitarbeitern. Gegen diese wurden schon Beleidigungen und Bedrohungen ausgesprochen. Das möchte ich natürlich verhindern.“

Ob Petry den Beitrag bereue, beantworte er mit folgenden Worten: „Die massive Hetze ist natürlich nicht schön, aber ich bin nicht der Meinung, dass ich als Gastwirt unpolitisch sein muss. Mein Beitrag war eine Reaktion auf die Umfragewerte von letztem Freitag und den massiven Zuwachs der AfD im Saarland. Man kann nicht immer das Maul halten, sonst passiert auch nichts.“ Durch die unschöne Hetze fühlt sich Petry in seiner Meinung bestätigt. Mit einem letzten Facebook-Beitrag möchte er nun mit der Sache erst einmal abschließen.

Viel Zuspruch für Gasthaus Zahm
Der polarisierende Beitrag hat übrigens nicht nur für einen rechten Shitstorm gesorgt. Das Gasthaus erhielt für seine Worte auch viel Zuspruch. So gewann das Gasthaus Zahm auf Facebook knapp 1.000 Fans dazu. Auch gegen die schlechten Bewertungen gehen mittlerweile vermehrt Nutzer vor, indem sie ein Gegengewicht in Form von guten Kritiken schaffen. Diese Stimmen stammen im Gegensatz zu den Hetz-Kommentaren übrigens zu großen Teilen aus dem Saarland.

Ob er sich denn über die Solidarisierung dieser Leute freue, beantwortete Herr Petry mit: „Das ist natürlich ganz schön. Mir fehlt nur ein bisschen Solidarität aus der Branche.“ Ob weitere Gaststätten den Schritt von Petry nachgehen, bleibt nach dem heftigen Shitstorm von gestern noch abzuwarten.