Saar-Corona-Experte Lehr rechnet mit einem „unangenehmen“ Herbst

Was bedeuten die hohen Corona-Fallzahlen im Sommer für den kommenden Herbst? Welche Maßnahmen der Regierung wären sinnvoll? Und welche Auswirkungen könnten neue Varianten haben. Der saarländische Corona-Experte Dr. Thorsten Lehr gibt seine Einschätzung zu den wichtigsten Fragen zum weiteren Pandemie-Verlauf.
Thorsten Lehr arbeitet als Professor in der Klinischen Pharmazie. Foto: Iris Maria Maurer/dpa-Bildfunk
Thorsten Lehr arbeitet als Professor in der Klinischen Pharmazie. Foto: Iris Maria Maurer/dpa-Bildfunk

Der Professor für Klinische Pharmazie Dr. Thorsten Lehr hat mit seinem Team an der Universität des Saarlandes ein Modell entwickelt, das den Verlauf der Corona-Lage in Deutschland simuliert. Damit gilt er als Experte für Pandemie-Prognosen. Das ZDF hat ihm angesichts des nahenden Herbstes und der Debatte über künftige Schritte der Regierung die drängendsten Fragen zur weiteren Entwicklung gestellt.

Strengere Maßnahmen nicht nötig

Lehrs Einschätzung nach brauche es nicht viel strengere Maßnahmen als bislang. Vielmehr sei wichtig, die bestehenden durchzusetzen. Der Winter gehe unter anderem aufgrund der Energiekrise mit vielen anderen Problemen einher. „Und wir können glücklich sein, wenn die Maßnahmen, die angestrebt sind, auch wirklich diesen Winter durchgesetzt werden.“

Anstieg der Inzidenzen zum Ende des Sommers wahrscheinlich

Aktuell sei die Inzidenz in Deutschland etwa 20-mal so hoch wie vor einem Jahr. Der Corona-Experte rechnet damit, dass die aktuelle Sommerwelle erst einmal weiter abfällt und sich dann auf einem Plateau einpendelt. „Und dass wir dann, wenn die Reiserückkehrer zurückkommen, wieder einen Anstieg der Inzidenzen sehen.“ Im Moment herrsche jedoch überall die neue Leichtigkeit des Seins, so Lehr.

Experte rechnet mit neuen Varianten als Urlaubsmitbringsel

Aufgrund des starken Fernreiseverkehrs hält der Pharmazie-Professor es zudem für möglich, dass Urlauber:innen wieder neue, bislang unbekannte Varianten als Mitbringsel im Gepäck haben. Derzeit sei zwar keine neue Mutation in Sicht. Bislang sei jedoch eigentlich alle vier bis fünf Monate eine neue Covid-Variante aufgetaucht.

BA.4 und BA.5 könnten im Herbst gefährlicher werden

Allerdings dürfe man auch BA.4 und BA.5 mit ihrem sehr hohen Infektionspotenzial nicht vergessen. Zusammen mit den schlechteren klimatischen Bedingungen im Herbst würde dies zu „auf jeden Fall zu sehr vielen Infektionen“ führen. Auch eine hohe Zahl von Krankheitsausfällen sowie schwere Verläufe und Todesfälle seien dann wahrscheinlich.

Herbst dürfte „unangenehm“ werden

„Wir müssen uns einfach darauf einstellen, dass der Herbst auf jeden Fall sehr viel infektiöser wird als das, was wir bisher gesehen haben“, so Lehr. Auch viele andere Viren würden dann nochmal durchschlagen – insbesondere, wenn keine Maske getragen wird. Die fehlende Immunität mit möglicherweise noch etwas kälteren Wohnungen dürfe für viele unangenehm werden.

Lehr geht von hoher Dunkelziffer aus – Testungen sinnvoll

Lehr geht dabei davon aus, dass die Dunkelziffer mindestens zwei bis dreimal so hoch ist wie die erfassten Zahlen. Der Corona-Experte sieht das jedoch durchaus positiv: „Haben wir eine hohe Dunkelziffer, ist die Durchseuchung relativ schnell eigentlich abgesättigt.“ Das Problem dagegen sei, dass diese Dunkelziffer auch eine Eindämmung der Infektionen verhindere.

„Die Testung wieder einzuführen, flächendeckender, ist sicherlich ein gutes Instrument, um diese Pandemie auch besser einzubremsen“, so der Professor abschließend.

Verwendete Quellen:
– ZDF