Saar-Polizei zählt weniger Fälle häuslicher Gewalt – mit einem großen Aber

Die Zahl der Straftaten im Saarland ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Auch zählte die Polizei weniger Fälle häuslicher Gewalt - die Dunkelziffer könnte in Corona-Zeiten aber noch höher sein als sonst.

Im Saarland ist die Zahl der Straftaten im Corona-Jahr 2020 deutlich gesunken: Mit 68.400 Delikten gab es 8,5 Prozent weniger als 2019. Das geht aus der polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die Innenminister Klaus Bouillon (CDU) am Mittwoch (24. März 2021) mit Vertreter:innen der Polizei präsentierte.

Aufklärungsquote gestiegen

Die Aufklärungsquote konnte um knapp 4 Punkte auf 57,8 Prozent verbessert werden. Der erfreuliche Rückgang der Straftaten sei nach Ansicht des Innenministers „sicherlich der Pandemie geschuldet“, so Bouillon: „Weniger Mobilität, weniger Bewegung, weniger Straftaten.“ Auch die rückläufigen Zahlen bei Raubdelikten und Körperverletzung könnten damit erklärt werden, dass Geschäfte, Gaststätten und Freizeiteinrichtungen coronabedingt geschlossen gewesen seien, meinte Landespolizei-Vizepräsidentin Natalie Grandjean. Dies habe zu einer deutlichen Reduzierung der Tatgelegenheiten geführt.

Polizei zählt weniger Fälle häuslicher Gewalt

Ein Rückgang sei auch im Bereich der häuslichen Gewalt verzeichnet worden. 2.739 Fälle seien 2020 gezählt worden und damit 1,8 Prozent weniger als im Jahr davor. Dies sei auffällig, sagte Gerald Stock, Leiter der Direktion Kriminalitätsbekämpfung, weil dies der medialen Berichterstattung und den Rückmeldungen aus Frauenhäusern entgegenspreche. Doch offensichtlich kontaktiere nicht jede Frau in der Folge auch die Polizei, vor allem, weil insbesondere in Pandemiezeiten die Existenzängste groß seien. Gerade in diesem Bereich sei das Dunkelfeld sehr hoch: 85 Prozent der Delikte würden nicht oder erst Monate oder gar Jahre später angezeigt. Es sei durchaus möglich, dass die von den Hilfsorganisationen wahrgenommene Steigerung der Fälle erst in der nächsten Kriminalitätsstatistik auftauche.

Viele Frauen halten Situation einfach aus

Viele Frauen hielten zudem die Situation zu Hause aus, weil sie den Mann nicht ohne Unterbringungsmöglichkeit vor die Tür setzen wollten, so Grandjean. Zum Beispiel könnten die Männer dann nicht in den wegen Corona geschlossenen Hotels unterkommen.

Mehr Straftaten gegen das Leben

Deutlich gestiegen seien die Fallzahlen bei den Straftaten gegen das Leben (um 46,7 Prozent). Dabei handelte es sich um elf Morddelikte, davon neun Versuche, 23 Totschlagsdelikte (davon 18 Versuche), acht fahrlässige Tötungen und zwei versuchte Schwangerschaftsabbrüche. Der Versuchsanteil sei laut Grandjean sehr hoch und von 46,7 auf 65,9 Prozent gestiegen. Ein möglicher Erklärungsansatz für die Steigerung sei, dass Delikte, die in der Vergangenheit oft als schwere Brandstiftung gewertet worden seien, von der Staatsanwaltschaft nun eher als Tötungsdelikte eingestuft würden.

Kinder wurden häufiger Opfer von sexuellem Missbrauch

Auch die Zahl der Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung stieg (knapp 24 Prozent). Sorgen mache man sich laut Bouillon insbesondere beim Deliktbereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die überwiegende Anzahl der Fälle gehe auf das Einwirken auf Kinder, zum Beispiel mittels Schriften oder pornografischen Abbildungen, zurück. Stock warnte laut „epd“ vor dem sogenannten Sexting, bei dem Kinder und Jugendliche Nacktfotos von sich etwa als Mutprobe oder Liebesbeweis verschickten.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– Mitteilung des saarländischen Innenministeriums, 24.03.2021
– Polizeiliche Kriminalstatistiken aus dem Saarland 1999-2016