Saar-Student entwickelt digitalen Blindenstock mit Radartechnik – 10.000 Dollar Preisgeld und Auszeichnungen
Christa Maria Rupp weiß, wie es ist, wenn man unterwegs auf einen Blindenstock angewiesen ist. „Es gibt viele böse Dinge, die einem dann passieren können“, sagt die Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins für das Saarland. Denn der Stock mit seiner Rollspitze hilft zwar, Unebenheiten oder Hindernisse auf dem Boden wahrzunehmen. Doch „ab Bauchnabelhöhe wird es schwierig“, so die 69-Jährige.
Erst neulich sei sie auf einem Bürgersteig unterwegs gewesen, an dem eine Hecke nicht geschnitten war. „Da hatte ich direkt die Dornen im Gesicht„, erzählt sie. Und auch die Rampe, die an einem parkenden Lkw heruntergelassen war, konnte der Blindenstock ihr nicht anzeigen: „Er war unter der Ladefläche, und ich bin volle Kanne vor den Laster geknallt.“ Genau solche Situationen möchte der 26-jährige Lukas Hartz vermeiden helfen.
Saar-Student entwickelt digitalen Blindenstock
Lukas Hartz hat an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBKsaar) einen digitalen Blindenstock mit Radartechnik entwickelt. Mithilfe einer Linse im Griff werden Blinde dabei über eine Vibration gewarnt, wenn sich ein Gegenstand in Brust- oder auch Kopfhöhe nähern sollte. Darüber hinaus ist der Griff abnehmbar und kann – wie eine Taschenlampe – auch als mobile Orientierungshilfe drinnen und draußen genutzt werden.
10.000 Dollar Preisgeld und Designpreis
Für sein Projekt, das er als Abschlussarbeit im Bereich Produktdesign einreichte, erhielt er nicht nur die seltene Note 1,0, sondern wurde auch mehrfach dafür ausgezeichnet. Unter anderem mit dem internationalen Designförderpreis BraunPrize. Als eine:r von acht Gewinner:innen in der Kategorie „Students“ wurde Lukas Hartz für sein Diplomprojekt „Orto“ mit 10.000 Dollar geehrt. Für HBK-Rektor Christian Bauer ein „toller Erfolg, zumal sich Lukas Hartz gegenüber mehr als 1.000 Bewerberinnen und Bewerbern durchsetzen konnte und die HBKsaar so international in der Designwelt als Schmiede großer Talente wahrgenommen wird“.
Bei seiner Entwicklung ging es dem Studenten dabei um mehr als „nur“ um Design. „Mir war es auch ein Anliegen, mit meiner Arbeit ein relevantes Thema abzudecken und eine sozialverträgliche Innovation zu schaffen und nicht die 400. Leuchte oder den 50. Tisch.“ Schon in der Theorie habe er sich intensiv mit der Thematik Design und Beeinträchtigung/Behinderung auseinandergesetzt und der Frage, wo es Berührungspunkte gibt. Sein Gespür für solche Aspekte entstand bereits nach dem Abitur, als er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen machte.
Aus Gesprächen mit blinden Menschen habe sich dann das Thema für seine Diplomarbeit und sein Prototyp entwickelt: Denn einerseits sei ihm bewusst geworden, dass ein Blindenstock „auch in seiner Analogheit super funktioniert“, weil sich mit ihm Unebenheiten auf dem Boden wahrnehmen lassen. Auf der anderen Seite stoße er jedoch bei Hindernissen in Brusthöhe an seine Grenzen. Bei Recherchen wurde Hartz schließlich auf ein Forschungsprojekt an der Ruhr-Universität Bochum aufmerksam. Im Mittelpunkt stand hier die Frage, wie man Technologie zur Orientierung anderweitig einsetzen könnte als zur Abstandserkennung in der Autoindustrie. Die Ingenieur:innen aus dem Ruhrgebiet unterstützten das saarländische Projekt mit Knowhow.
Besonderer Wert auf Gestaltung und Haptik
Gleichzeitig legte Lukas Hartz – auch nach dem Austausch mit der blinden Physiotherapeutin Annette Wagenbreth – besonderen Wert auf die Gestaltung und Haptik. So enthält der weich geschwungene Kunststoff-Griff eine Korkpartie, die die Hand entlastet. Und statt des üblichen Weiß hat der Stock neongelbe Anteile.
„Design ist von Nutzen nicht zu trennen. Design ist Nutzen und Funktion – ansonsten ist es kein gutes Design“, meint der Saarbrücker. Das sei auch gerade für behinderte Menschen von besonderer Bedeutung. „Viele Hilfsmittel haben so eine gewisse Stützstrumpfästhetik, die kommt sehr rudimentär und einfach daher“, betont er. „Aber auch wenn Blinde es nicht sehen, haben sie einen Anspruch, wie sie nach außen wirken wollen.“ Für ihn habe seine Arbeit daher auch etwas mit der Entstigmatisierung von Hilfsmitteln und mit Wertschätzung zu tun.
Blindenverein begeistert
Beim Blindenverein kam dieses Engagement jedenfalls gut an. „Total gefreut„, habe sie sich, als der Student mit seiner Idee Kontakt zu ihr aufgenommen habe, sagt Christa Maria Rupp. Auch wenn sie zunächst noch etwas skeptisch gewesen sei, was er eigentlich genau vorhabe. Gerne würde sie den jungen Designer bei dem Projekt weiter begleiten: „Wir haben viele junge vollblinde Menschen, die ganz mobil im Straßenverkehr unterwegs sind und seine Orientierungshilfe wirklich mit Herz und Hand ausprobieren können“, sagte Rupp.
Dass sich ein Unternehmen finden sollte, das aus dem Prototyp ein Serienmodell macht, wäre auch für Lukas „der absolute Traum, da bin ich wirklich ein Idealist“. Bis der Wunsch vielleicht wirklich einmal in Erfüllung geht und sich ein entsprechendes Unternehmen finden sollte, arbeitet der 26-Jährige derweil mit zwei Kommilitonen an einer weiteren Idee: In ihrem Startup-Unternehmen entwickeln sie Fahrradschuhe, die sich der Fußgeometrie anpassen.
Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur