Saarbrücker Forscher entwickeln Wirkstoffe gegen resistente Keime

Ein Forschungsteam aus Saarbrücken hat einen Wirkstoff entwickelt, der einen der wichtigsten Krankenhauskeime unschädlich machen kann. Dieser verursacht eine Vielzahl von Infektionen und kann etwa für Covid-19-Patient:innen eine große Gefahr darstellen.
Der Krankenhauskeim "Pseudomonas aeruginosa" kann besonders für Corona-Patient:innen gefährlich werden. Symbolfoto: Armin Weige
Der Krankenhauskeim "Pseudomonas aeruginosa" kann besonders für Corona-Patient:innen gefährlich werden. Symbolfoto: Armin Weige

Resistente Keime breiten sich zunehmend aus. Dadurch hat eine Behandlung von Infektionskrankheiten mit ehemals hochwirksamen Antibiotika oftmals keinen Erfolg mehr. Ein Team aus Saarbrücken hat nun Wirkstoffkandidaten entwickelt, die einen der wichtigsten Krankenhauskeime unschädlich machen. Die Forscher:innen um Prof. Anna Hirsch vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben die Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht.

Krankenhauskeim ist gefährlich für Covid-Patient:innen

„Pseudomonas aeruginosa“ heißt der Keim, der eine Vielzahl von Infektionserkrankungen verursacht. Darunter sind etwa Wund-, Augen- und Harnwegsinfektionen bis hin zur Sepsis. Außerdem kann er Lungenentzündungen hervorrufen. Diese stellen insbesondere für Mukoviszdose- und Covid-19 Patient:innen während der künstlichen Beatmung eine große Gefahr dar. Da immer mehr Varianten des Keimes auftreten, die gegen konventionelle Antibiotika resistent sind, verschärft sich die Bedrohung weiter. Bei etwa zehn Prozent der Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa liegen in der EU derzeit Resistenzen gegen drei oder mehr Antibiotikaklassen vor. Die Tendenz steigt.

„Pathoblocker“ beeinträchtigt keine anderen Bakterien

Die Forscher:innen des HIPS haben in Kollaboration mit der Universität des Saarlandes jetzt einen „Pathoblocker“ gegen den Keim entwickelt. Während Antibiotika Bakterien abtöten, blockieren Wirkstoffe dieser Art deren krankmachende Eigenschaften. Die Methode hat den Vorteil, dass für den Menschen ungefährliche Bakterien nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. So kommt es weniger häufig zur Entstehung von Resistenzen.

Wirkstoff aus Saarbrücken deaktiviert Enzym

Die Wirkstoffklasse des Forschungsteams entschärft demnach eine der wichtigsten „Waffen“ des Keimes: Das Enzym LasB. Dieses ist für den Abbau von menschlichem Gewebe verantwortlich. So ermöglicht es Pseudomonas aeruginosa den Infektionsort zu erreichen und sich dort einzunisten. Die neue Wirkstoffklasse gegen den Keim bindet direkt an das Enzym und deaktiviert dieses.

Zwölfmal bessere Bindung als bei anderen Kandidaten

„Da uns die dreidimensionale Molekülstruktur von LasB aus einer früheren Studie bestens bekannt war, konnten wir unsere Moleküle so entwerfen, dass sie bestmöglich zu ihrem Zielprotein passen und dieses effizient und spezifisch inaktivieren können“, erklärt Anna Hirsch. Sie leitet die Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung am HIPS. Die entwickelten Wirkstoffkandidaten könnten LasB zwölfmal besser binden als bisherige Kandidaten. „Das ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung hin zum fertigen Medikament“, so Hirsch.

Tests mit Larven zeigen gute Ergebnisse

Erste Untersuchungen mit Larven zeigten das Potenzial der Moleküle, den Organismus vor dem schädlichen Effekt von LasB zu schützen. Demnach überlebten in dem Modell von den Larven, die in Kontakt mit dem Enzym kamen, nur rund zehn Prozent. Derweil waren es bei den Larven, die mit dem Wirkstoff aus dem Labor von Anna Hirsch behandelt wurden, über 60 Prozent.

Innovativer Ansatz bei der Optimierung

Bei der Optimierung der Substanz setzten die Forscher:innen auf das sogenannte „fragment linking“. Die Methode ist zwar deutlich komplizierter als konventionelle Ansätze, dafür bietet sie in sehr kurzer Zeit einen deutlich höheren Aktivitätsgewinn. „Wir hoffen, dass unsere Methode in Zukunft auch verwendet werden kann, um die Entwicklung von Wirkstoffen gegen andere Krankheiten zu beschleunigen„, so die Erstautorin der Studie, Cansu Kaya.

Entwicklung „von unschätzbarem Wert“

„Leider ist die Entwicklung neuer Antibiotika sehr langwierig, teuer und wird nur noch von wenigen Pharmafirmen unterstützt“, erklärt Prof. Rolf Müller, der geschäftsführende Direktor des HIPS. Er leitet zudem die Abteilung Mikrobielle Naturstoffe. „Die entwickelten Substanzen bieten uns einen alternativen Ansatz, um das Problem der antimikrobiellen Resistenz angehen zu könne“, meint er. Dies sei von unschätzbarem Wert, da sich resistente Keime auch in Zukunft immer mehr ausbreiten würden.

Förderung von 1,46 Millionen Euro

Das Forschungsteam will die Wirkstoffe nun weiterentwickeln und für die Anwendung am Menschen optimieren. Anna Hirsch bekommt dabei Unterstützung von der US-amerikanischen Förderorganisation CARB-X. Sie fördert die Arbeiten in diesem Bereich seit Ende 2020 mit Fördergeldern in Höhe von 1,46 Millionen Euro.

Verwendete Quellen:
– Pressemitteilung des HIPS