Saarland geht Armutsbekämpfung an: Diese drei Städte sollen profitieren

Armut und Perspektivlosigkeit sind in vielen Teilen des Saarlandes ein Problem. Das soll sich aber zukünftig ändern; mit sogenannten Perspektivzentren sollen diese Probleme angegangen werden. Was konkret geplant ist:
Armut und Perspektivlosigkeit sind in vielen Teilen des Saarlandes ein Problem. Symbolfoto: dpa-Bildfunk/Patrick Lux
Armut und Perspektivlosigkeit sind in vielen Teilen des Saarlandes ein Problem. Symbolfoto: dpa-Bildfunk/Patrick Lux

Perspektivzentren in mehreren Saar-Städten geplant

Die Arbeitslosenquote ist hoch, der Bildungsstand niedrig, es gibt wenig Kita-Plätze, zudem einen großen Anteil an Migrant:innen und Alleinerziehenden. Armut spiegelt sich in Städten in vielen Bereichen wider. Der saarländische Sozialminister Magnus Jung (SPD) will das ändern. „Es kann nicht im Interesse einer Gesellschaft sein, wenn ein Teil der Quartiere dauerhaft abgehängt ist“, sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Mit sogenannten Perspektivzentren möchte er an drei Standorten im Saarland eine quartiersbezogene Armutsbekämpfung vorantreiben: in Saarbrücken-Burbach, in der Innenstadt-Nord von Völklingen und in der Innenstadt von Neunkirchen. Um dieses Modellprojekt auf den Weg zu bringen, stehen mehr als eine Million Euro im Doppelhaushalt 2024/2025 bereit.

Neue Perspektiven für die Orte geplant

Innerhalb von zehn Jahren soll aus diesen Vierteln durch ein Gesamtkonzept und Zusammenarbeit auf allen Ebenen ein „Quartier im Aufbruch“ werden. „Es ist nicht so, dass in diesen Stadtteilen bisher nichts passieren würde“, räumte Jung ein. Schon jetzt gebe es dort eine Vielzahl an Beschäftigungs- und Integrationsprojekten. Diese soziale Arbeit habe durchaus auch ihre Wirkung und helfe individuell sicherlich so manchem aus der Not. „Sie ist aber nicht ausreichend geeignet, um die Quartiere wieder nach vorne zu bringen.“ Ein neuer, ebenen und ressortübergreifender Ansatz solle bewirken, dass eine neue Dynamik entstehe und die Bevölkerung vor Ort die Perspektive bekomme: „Der Staat und die Gesellschaft haben uns nicht aufgegeben. Wir haben eine Chance, uns nach vorne zu entwickeln.“

Mitarbeit der Politik ist essenziell

Damit dies gelinge, sei die Mitarbeit aller Ressorts der Landesregierung erforderlich. Das heißt, es müsse ein Konzept entstehen, das nicht nur in der Sozialpolitik im engeren Sinne verbleibe, „sondern die Wohnungspolitik, die Stadtentwicklung, Verkehrspolitik, Bildungspolitik, Gesundheitspolitik, Migrationspolitik, Wirtschaftsförderung: Sie alle gemeinsam müssen ein Bild davon entwickeln, wie Burbach oder Neunkirchen oder Völklingen im Jahr 2035 dastehen soll.“ Zudem müsse man auch als Land Entscheidungen so treffen, „dass wir unser Engagement in den Quartieren, die besondere Probleme haben, konzentrieren“.

Für Aufbruch in den Quartieren könne dabei vieles sorgen – angefangen von Studentenwohnungen über Landesprogramme für migrantische Ökonomie bis zu mehr Personal in Kitas und Grundschulen.

Zusammenarbeit wird angestrebt

Nicht zuletzt seien bei allen Vorhaben auch alle Beteiligten vor Ort gefragt: Land, Regionalverband und Stadt müssten gemeinsam arbeiten und auch Träger und Bürger einbinden. „Wichtig ist mir, dass nicht der Eindruck entsteht, wir kommen als Land daher und sagen euch mal, wie es geht und machen alles neu und besser“, betonte Jung. Stattdessen wolle man auf dem Vorhandenen aufbauen und mit denen zusammenarbeiten, die hier schon seit vielen Jahren tätig seien: „Die müssen einen Platz in diesem Prozess haben, das sind wichtige Akteure“, so der Minister.

Seiner Ansicht nach werde es schon vieles bringen, wenn man die vielen guten Einzelansätze stärker vernetze. „Aber am Ende soll das auch ein Hebel sein, mit dem durchdachten Gesamtkonzept viel mehr Geld für die Entwicklung dieser Quartiere zu mobilisieren.“

Aktuell werde mit den beteiligten Kommunen und Landkreisen ein sogenannter „Letter of Intent“ abgeschlossen, aus denen dann ein Leitbild und schließlich ein konkreter Masterplan entwickelt werden solle.

Thema oftmals gesellschaftliche Tabuzone

Neunkirchens Oberbürgermeister Jörg Aumann (SPD) begrüßte es nach eigenen Worten „ausdrücklich“, dass der Minister das Thema Armut offensiv angeht. „Er holt damit das Thema aus der gesellschaftlichen Tabuzone“, sagte er.

Hohe Armut in Neukirchener Innenstadt

In Neunkirchen konzentriere sich die Armut vor allem in der Innenstadt. Dort liege etwa die Überschuldungsquote bei rund 24 Prozent. Saarland weit betrage sie nur rund zehn Prozent. „Unser Sozialbericht zeigt auf, dass es nicht den einen Grund für Armut gibt“, so der Oberbürgermeister. Vielmehr gebe es mehrere Gründe, die oft ineinandergriffen und ursächlich dafür seien, dass Menschen arm seien: „Die Folge ist Ausgrenzung und Benachteiligung in vielen Lebenslagen.

Lösung der Armutsproblematik mit nachhaltigen Perspektiven für die Menschen

Von dem neuen Projekt erhoffe er sich „eine ganzheitliche und nachhaltige Herangehensweise zur Lösung der Armutsproblematik, um betroffenen Menschen in unserer Stadt eine nachhaltige Perspektive zu bieten“. „Für uns ist es wichtig, den Blickwinkel bedarfsorientiert zu erweitern“, so der Oberbürgermeister. Man wolle den Fokus nicht nur auf das Programm in der Unterstadt richten, sondern auch weitere, von Ausgrenzung und Benachteiligung betroffene Wohngegenden strategisch einbeziehen.

Stadtbild soll sich verbessern

Sozialminister Jung befindet sich bereits in ersten Gesprächen mit dem Bundesbauministerium, um sich bei dem Projekt als „Modellregion“ anzubieten. Doch noch wichtiger, als ein bundesweites Vorbild zu werden, sei ihm der Erfolg des Gesamtkonzepts. Was er sich für die Quartiere in zehn Jahren konkret erhofft? „Ich wünsche mir, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, dass es eine bessere Durchmischung in der Bevölkerung gibt, dass es viele öffentliche und private Investitionen gibt, die sich auch im Stadtbild deutlich machen und dass es zu einem Imagewechsel kommt.“ Der soziale Frieden im Land kann seiner Ansicht nach nur gelingen, wenn man allen Menschen eine Perspektive zur Teilhabe gibt.

Verwendete Quelle:
– Deutsche Presse-Agentur