Tödliches Familiendrama in Fechingen: Das fordern Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Im Mord-Prozess gegen einen 59-jährigen Deutsch-Russen vor dem Landgericht Saarbrücken gehen die Einschätzungen zur Tat von Staatsanwaltschaft und Verteidigung weit auseinander. Der Lkw-Fahrer und Autoverwerter soll Mitte Mai vergangenen Jahres seinen Sohn (35) und seinen Schwiegersohn (37) bei einer Familienfeier erschossen und seine Ex-Frau (60) und schwangere Tochter (30) schwer verletzt haben.
Für Oberstaatsanwalt Wolfgang Lauer war klar: Hier habe es sich keineswegs um eine Spontan- oder Affekttat gehandelt, „sondern um ein kaltblütig geplantes und ebenso durchgeführtes Verbrechen“. Dabei seien eine besondere Schwere der Schuld und zwei Mordmerkmale gegeben: sowohl das der Heimtücke als auch niedrige Beweggründe.
„Seine Familie sollte sterben, weil sie nicht mehr so funktionierte, wie er es sich vorstellte“, sagte Lauer. Der Angeklagte, der laut Gutachterin narzisstische Züge aufweise, habe darunter gelitten, dass er dialysepflichtig geworden sei und sich gekränkt gefühlt wegen einer fehlenden Anteilnahme. Lauer: „Ihm ging es schlecht, der Familie ging es gut. Das konnte er nicht ertragen.“ Den 60. Geburtstag seiner Ex-Frau habe der Mann bewusst dazu genutzt, über die Terrasse ins Haus einzudringen und auf die Familienmitglieder zu schießen. Echte Anzeichen von Reue habe er in dem Prozess nicht gezeigt.
Laut Nebenklage-Vertreterin Rosetta Puma hatte Viktor H. mit einem Allmachtsanspruch über seine Familie geherrscht. Als die Kinder begonnen hätten, die Mutter vor Terror und Erniedrigungen zu schützen, hätten sich seine Aggressionen gesteigert. Die angebliche Selbstmordabsicht sei zweifelsfrei widerlegt worden. „Er hat nicht sterben wollen, er hat die große Bühne gesucht„, so Puma. Bis heute habe das Tatgeschehen, bei dem er das Leben von zwei Familienvätern und Ehemännern ausgelöscht habe, massive Folgen für alle Beteiligten: Noch immer litten sie unter psychischen Beeinträchtigungen. Die schwer verletzte Ex-Frau habe eine Pflegestufe erreicht und müsse von einer Tochter versorgt werden.
Verteidiger Volker Ochs zeigte sich „über die Härte und Einseitigkeit der Beurteilung“ überrascht und widersprach dem Bild von einem kaltblütigen und berechnenden Täter. Auch habe dieser – obwohl er die Chance gehabt habe – seine angeschossene Tochter und Ex-Frau nicht noch getötet. Das Ergebnis der Beweisaufnahme laute: „Eine familiäre Tragödie und totales menschliches Versagen“.
Was sein Mandant nach der Trennung von seiner Ex-Frau erlitten habe, seit laut Ochs „das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann“. Er habe seine Familie verloren, „für die er alles getan hat und die alles für ihn war.“ Sein Mandant sei aufgrund einer krankhaften seelischen Störung nur vermindert schuldfähig. Wegen Totschlags und versuchten Mordes beantragte er eine Haftstrafe von nicht über zehn Jahren.
Der Angeklagte bekannte sich in seinem letzten Wort schuldig und sagte, er wisse nicht, was ihn zu dieser Tat bewegt habe. Er sei froh, dass seine Tochter und Ex-Frau noch lebten.
Das Urteil soll am kommenden Dienstag (11.00 Uhr) verkündet werden.