Umschwenken: Regierungspartei will G 9 an Gymnasien nun doch ermöglichen

Die Kehrtwende der Saar-SPD, die sich nun für eine Wiederbelebung des Abiturs an Gymnasien in neun Jahren (G 9) stark macht, hat Kritik bei Lehrern und bei der CDU ausgelöst. Eltern dagegen freuen sich.

Selten hat eine Umfrage im Saarland ein solches politisches Beben ausgelöst wie die Umfrage zur Wiedereinführung des Abiturs an Gymnasien in neun Jahren (G 9). 72 Prozent der Saarländer und sogar 75 Prozent der Eltern wünschen sich G 9 zurück, das 2001 von der CDU zugunsten des als „Turbo-Abi“ kritisierten G 8 abgeschafft wurde. Katja Oltmanns, Chefin des Elternvereins für schulische Bildung Saar, der die Forsa-Umfrage veranlasst hatte, und zugleich Sprecherin der Bürger-Initiative „G 9-Jetzt!-Saarland“, sagte gestern der SZ: „Wir haben uns schon gefreut, dass die SPD jetzt umgeschwenkt ist. Das zeigt, dass unsere Arbeit in der Vergangenheit nicht umsonst war.“

SPD-Landtagsspitzenkandidatin Anke Rehlinger und Bildungsminister Ulrich Commerçon ( SPD ) hatten tags zuvor verkündet, dass die SPD nach der Wahl allen G 8-Gymnasien die Chance eröffnen wolle, zu G 9 zurückzukehren. Aber die Bürger-Initiative „G 9-Jetzt!-Saarland“ traue dem Braten noch nicht und werde weiter Unterschriften für das G 9-Volksbegehren sammeln, sagte Oltmanns. „Wir wissen schließlich nicht, was nach der Landtagswahl passiert“, betonte die Mutter zweier Otto-Hahn-Gymnasiasten.

Ganz anders beurteilt der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV), der nach eigenen Angaben etwa 2400 Pädagogen von über 8000 an den Saar-Schulen vertritt, den Schwenk der SPD . „Mit dem Vorstoß der SPD , auch an Gymnasien G 9 wieder einführen zu wollen, gefährdet die Partei den Schulfrieden“, sagte SLLV-Chefin Lisa Brausch. Schülerinnen und Schüler legten an allen Schulformen das gleiche Zentralabitur ab. Commerçon schüre mit seinem Vorstoß die landläufige Meinung, dass nur an Gymnasien ein richtiges Abitur abgelegt werden könne, betonte Brausch. Die SPD verabschiede sich aus „wahlkampftaktischen Gründen“ von dem sich auf einem guten Weg befindenden Zwei-Säulen-Modell in der Sekundarstufe, welches sie bislang als den richtigen Weg angesehen habe. „Die qualitativ hochwertige Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen wird nach Auffassung des Verbandes durch diesen Vorstoß mit Füßen getreten!“, rief Brausch der SPD zu. Statt einer kostenintensiven Strukturdebatte sei es dringend erforderlich, die Gemeinschaftsschule endlich so auszustatten, dass sie bei der Schulwahl von Eltern als echte Alternative zum Gymnasium wahrgenommen werde, betonte Brausch. Leider ducke sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in dieser Frage weg, sagte Brausch der SZ. Aber auch Thomas Bock, Saar-GEW-Chef, rügte die SPD . Eine Schulstrukturdebatte im Rahmen eines Landtagswahlkampfes zu führen, sei „der falsche Weg“, so Bock. „Eine reine Rückkehr zu G 9 – unter Umständen genauso überhastet wie die Einführung von G 8 – löst die Probleme des Gymnasiums nicht“, erklärte Bock. Der Philologenverband, die Vertretung der Gymnasiallehrer, hatte die SPD-Kehrtwende kritisiert, weil dies auch schlecht für die Wahlfreiheit von Eltern sei, wenn diese innerhalb des Saarlands umziehen sollten.

Die CDU , Koalitionspartner der SPD , sieht wie der SLLV im SPD-Vorstoß nur „Wahlkampf“. Die Piraten freuten sich darüber, dass die SPD ihre „Blockadehaltung“ aufgegeben habe. Dagegen befürchten die Grünen „Grabenkämpfe“ in den Gymnasien , wenn diese künftig selbst über G 8/G 9 zu entscheiden hätten. Das sei „Gift“ für die Schulentwicklung und führe zu einer „Kannibalisierung“ unter den Schulen. Die Linken finden es gut, dass in die Schuldebatte „neuer Schwung“ komme.