Wie die Pflegekräfte im Saarland mit Füßen getreten werden: „Da platzt mir die Hutschnur“

Die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte im Saarland sind nicht erst seit Corona beklagenswert. Doch die Pandemie hat die Situation in den saarländischen Krankenhäusern nochmal drastisch verschlechtert. Wir haben uns mit drei Pflegekräften unterhalten. Diese berichten von extremer Arbeitsbelastung, mangelnder Wertschätzung, Kündigungswellen und leeren Versprechungen aus der Politik. In Teil eins spricht die 38-jährige Hannah (Name von der Redaktion geändert) mit uns über die enorme Belastung in ihrem Job.
Die Arbeitsbelastung für die Pflegekräfte im Saarland ist extrem hoch. Symbolfoto: picture alliance/dpa | Frank Molter
Die Arbeitsbelastung für die Pflegekräfte im Saarland ist extrem hoch. Symbolfoto: picture alliance/dpa | Frank Molter

Extrem belastende Situation für Pflegekräfte im Saarland

Die Belastung für das Pflegepersonal in den saarländischen Krankenhäusern steigt immer weiter an. Bereits vor Corona waren die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte schlecht. Wirtschaftlicher Druck in den Kliniken, Fachkräftemangel und mangelnde Wertschätzung werden bereits seit Jahren beklagt. Doch die Pandemie hat die Lage des Pflegepersonals in der jüngsten Zeit drastisch verschärft.

SOL.DE-Reihe: „Wie die Pflegekräfte im Saarland mit Füßen getreten werden“

Wir haben uns mit drei Pflegekräften aus dem Saarland unterhalten, die uns eindrucksvolle Einblicke in ihren Arbeitsalltag und ihr Innenleben gewährt haben. In einer dreiteiligen Reihe möchten wir ihren Schilderungen ausreichend Raum gewähren. Natürlich handelt es sich beim Pflegenotstand nicht um ein Problem, das das Saarland exklusiv für sich beansprucht. Aber als saarländisches Medium möchten wir vor allem den Pflegekräften in unserer Region eine Plattform bieten.

„Die Arbeitsbedingungen bei uns im Krankenhaus sind unterirdisch“

Zu Beginn haben wir uns mit der 38-jährigen Hannah (Name von der Redaktion geändert) unterhalten, die in einem größeren saarländischen Krankenhaus für die stationäre Verpflegung von Patient:innen zuständig ist. Auf die Frage, wie sie ihre aktuellen Arbeitsbedingungen einschätzt, muss Hannah nicht lange überlegen. „Die Arbeitsbedingungen bei uns im Krankenhaus sind unterirdisch“. Die 38-Jährige erklärt, dass die Arbeitsbelastung schon vor Corona sehr hoch war: „Wir waren schon immer zu wenig Pflegekräfte für zu viele Patienten“.

Der Stress auf ihrer Station ging laut Hannah stellenweise sogar schon so weit, dass es temporär Streit innerhalb des Teams gab, wenn sich jemand krankgemeldet hat. „Ich weiß, es klingt doof und trifft in dem Fall die Falschen, aber man war dann schon manchmal sauer und hat sich im Stich gelassen gefühlt, wenn eine Kollegin zwei Krankenscheine in einem Jahr gemacht hat“, so Hannah.

Belastung der Pflegekräfte durch Corona extrem gestiegen

Durch die Corona-Pandemie sei die Arbeitsbelastung auf ihrer Station extrem gestiegen, erläutert die 38-Jährige. „Nicht falsch verstehen, ich finde die Corona-Hygienevorschriften und Testpflichten ja gut, aber es sind halt wieder viele Arbeitsschritte mehr, die dann auf unser ohnehin zu hohes Pensum nochmal drauf kommen. Also die andere Arbeit fällt ja dadurch nicht weg“, erklärt Hannah. „Zudem hat bei uns auch jemand wegen der extremen Belastung gekündigt. Bislang ist noch kein Ersatz da. Das heißt, wir haben mehr Arbeit bei weniger Leuten.“ Angst hat Hannah davor, dass es in der nächsten Zeit noch weitere Kündigungen geben wird. Die körperliche und psychische Belastung sei gewaltig, man nehme davon auch natürlich viel mit ins Privatleben, das darunter sehr leide.

„Bei dem Gerede in der Politik, ganz ehrlich, da platzt mir die Hutschnur“

Als wir Hannah fragen, wie sie das Agieren der Politik in der Pandemie bewertet, wird sie wütend. Trotz großer Ankündigungen habe sich bislang überhaupt nichts für sie verbessert. „Im Sommer, als es kaum Corona-Patienten gab, hat die Politik uns ganz deutlich gezeigt, wie ehrlich sie es mit ihren Versprechungen uns gegenüber meint. Da waren wir nämlich plötzlich überhaupt kein Thema mehr.“ Noch wütender mache sie aber, wenn Politiker:innen bewerten wollen, ab wann das Gesundheitssystem überlastet sei und wann nicht.

„Bei dem Gerede in der Politik, ganz ehrlich, da platzt mir die Hutschnur! Das Gesundheitssystem droht nicht zu überlasten, es ist längst überlastet. Man kann doch nicht erst von einer Überlastung reden, wenn alles komplett zusammenbricht. Wir gehen seit zwei Jahren auf dem Zahnfleisch, Leute stehen kurz vor dem Burnout oder kündigen, weil sie es nicht mehr aushalten. Wer das nicht erkennt, der ist vielleicht einfach eine Fehlbesetzung für eine politische Führungsposition“, sagt Hannah abschließend.

Weitere Pflegekräfte aus dem Saarland kommen zu Wort

Wir haben uns noch mit anderen Pflegekräften aus dem Saarland unterhalten. Die weiteren Teile unserer Reihe „Wie die Pflegekräfte im Saarland mit Füßen getreten werden“ folgen in den kommenden Tagen. Dann reden wir auch mit Personen, die ihren Job als Pflegekraft bereits gekündigt haben.

Verwendete Quellen:
– eigene Recherche