Nach Material-Vernichtung im Fall Dillinger: Konsequenzen für zuständigen Staatsanwalt

Alle sind sich einig. Die Vernichtung von Material im Missbrauchsskandal um einen Priester war falsch. Nun geht der Blick von Politik, Justiz und Polizei nach vorne.
Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln im Missbrauchsskandal um den verstorbenen Priester Edmund Dillinger. Fotos: picture alliance/dpa | Oliver Dietze; Wikimedia Commons/Okami-san/CC3.0-Lizenz/Bild bearbeitet
Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln im Missbrauchsskandal um den verstorbenen Priester Edmund Dillinger. Fotos: picture alliance/dpa | Oliver Dietze; Wikimedia Commons/Okami-san/CC3.0-Lizenz/Bild bearbeitet

Ministerin: Material-Vernichtung im Fall Dillinger war falsch

Als „voreilig und falsch“ hat die saarländische Justizministerin Petra Berg (SPD) die von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken angeordnete Vernichtung möglichen Beweismaterials aus dem Besitz des Priesters Edmund Dillinger bezeichnet. „Es war ein schwerer Schlag für alle diejenigen, die sich mit großem Engagement für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Vergangenheit einsetzen“, sagte sie am Freitag im Justizausschuss des Landtags.

Die Sitzung sollte Hintergründe und Verantwortlichkeiten für die Vernichtung der Asservate aufklären. Der Ende 2022 verstorbene Priester aus Friedrichsthal steht im Verdacht, über Jahrzehnte vor allem Jugendliche sexuell missbraucht und in teils pornografischen Posen fotografiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte sichergestelltes Material aus seinem Haus verbrennen lassen, nachdem sie keine Grundlage für Ermittlungen gesehen hatte.

„Große Enttäuschung für die Opfer“

Berg sagte, die Vernichtung sei auch „eine große Enttäuschung für die Opfer dieser Taten“. Sie habe sich von Anfang an „für eine lückenlose, transparente Aufklärung“ eingesetzt. „Damit so etwas nicht noch einmal vorkommt, habe ich veranlasst, dass die bestehenden internen Richtlinien zum Umgang mit Asservaten einer eingehenden Prüfung unterzogen werden“, sagte sie. Zudem sollten Staatsanwält:innen in verpflichtenden Schulungen noch besser für Belange des Opferschutzes sensibilisiert werden.

Konsequenzen für zuständigen Staatsanwalt

„Der Staatsanwalt, der die Vernichtung der Asservate angeordnet hat, bedauert seinen Fehler sehr“, sagte die Ministerin. Er werde zunächst keine Jugendschutz- und keine Missbrauchsverfahren mehr bearbeiten. Er habe zudem einen Antrag auf Einleitung eines gegen ihn selbst gerichteten Disziplinarverfahrens gestellt. Das Ministerium habe seinem Antrag entsprochen und ein Verfahren eingeleitet.

Generalstaatsanwalt Manfred Kost hatte sich bereits Ende vergangener Woche für die Vernichtung entschuldigt. „Ja, es sind mit Blick auf die Vernichtung bzw. den Zeitpunkt der Vernichtung Fehler passiert. Fehler, die sich leider auch nicht mehr nachträglich berichtigen lassen“, sagte er im Ausschuss. Ein Teil der Asservate – Korrespondenz und eine Ledermappe – sei dem Neffen des verstorbenen Priesters, Steffen Dillinger, auf seinen Wunsch ausgehändigt worden. Ein weiterer Teil sei noch vorhanden.

Der Neffe sei mehrfach mündlich darüber informiert worden, dass die Dinge, die er nicht zurückwollte, vernichtet werden würden, sagte Polizeidirektor Frank Mink. Er habe sinngemäß geantwortet, „solche Bilder wolle er nicht mehr haben oder sehen“. Als Dillinger dann am 7. Juli bei der Polizei erschien, um die vereinbarten Dokumente abzuholen, habe er erstmals gesagt, dass er auch die Terminkalender wollte, sagte Mink. Diese waren dann aber schon am 5. Juli mit anderen Dingen in eine Müllverbrennungsanlage gebracht worden.

Terminbücher hätten wichtig sein können

Vor allem die Terminbücher hätten zur Aufarbeitung auf Betroffenenseite wichtig sein können, hatte Dillinger gesagt. Darin habe sein Onkel „akribisch“ täglich Termine, Anrufe und Treffen festgehalten. Zu dem verbrannten Material, das keine strafrechtliche Relevanz gehabt habe, gehörten laut Mink rund 6.850 Dias, 44 Videokassetten, 510 Negativ-Streifen, fünf Fotoapparate und 43 Jahresterminkalender in Taschenbuchformat.

Die von Laptop, Handy und Datenträgern gewonnenen Daten lägen alle vor, sagte Mink. Sie seien von einem externen Gutachter gesichert worden. Dinge mit möglicherweise strafrechtlichen Inhalten seien nicht vernichtet worden. Rund 4.400 Dias oder Fotos aus dem Besitz Dillingers liegen noch bei der Polizei Mainz. Zehn Bilder wurden dort als strafrechtlich relevante Fotos eingestuft, bei zwölf Bildern sei dies nicht eindeutig.

Auch Fehler bei der Polizei

Auch bei der Polizei seien Fehler passiert, sagte Innenstaatssekretär Torsten Lang (SPD). „Insbesondere betreffend das Prinzip der Schriftlichkeit und der Veraktung von Sachverhalten.“ Konkret: Der Neffe hätte in einem Formular schriftlich auf die Rückgabe der übrigen Asservate verzichten und dies unterschreiben müssen. Das sei aber nicht geschehen, sagte Mink.

Referatsleiter Stefan Noll, der von Innenminister Reinhold Jost (SPD) mit einer fachaufsichtlichen Prüfung des Vorgangs beauftragt wurde, sagte, die Sachbearbeitung habe „die gebotene Sorgfalt“ vermissen lassen. Dies betreffe die Nutzung des Verzichtsformulars, aber auch die dreiseitige Asservatenliste, die Lücken aufwies. Damit sich so etwas nicht wiederhole, sei die Dienstanweisung zu Asservaten ergänzt worden. Die Übergabe sei nun grundsätzlich in einer Übergabeverhandlung zu dokumentieren und zu unterschreiben. Und der Verzicht auf die Rückgabe von Asservaten müsse schriftlich dokumentiert und von dem Verzichtenden unterschrieben werden.

Noch keine Akteneinsicht für Generalstaatsanwalt

Am Rande der Sitzung wurde bekannt, dass der ehemalige Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer, der den Missbrauchsfall in einem Projekt der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Trier untersuchen soll, am 20. Juni bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken nicht nur Antrag auf Akteneinsicht gestellt hatte. Er habe auch darum gebeten, dass ihm zudem „eine Einsichtnahme“ in die Beweismittel vor Ort gewährt werde, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

„Bisher habe ich keine Antwort auf mein Akteneinsichtsgesuch an die Staatsanwaltschaft Saarbrücken erhalten“, sagte Brauer. Am Donnerstagabend habe ihm die Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass über sein Akteneinsichtgesuch „zeitnah“ entschieden werde. „Das Verhalten ist für die Aufarbeitung, an der ein hohes öffentliches Interesse besteht, ein herber Rückschlag. Ich kann es nicht nachvollziehen“, sagte Brauer.

Generalstaatsanwalt Kost sagte im Ausschuss, Akteneinsichtsgesuche von nicht direkt Beteiligten bedürften einer besonderen Prüfung. Die gutachterliche Prüfung im Haus sei im Gange.

Beratung über weiteres Vorgehen am Montag

Der Vorsitzende der Trierer Aufarbeitungskommission Gerhard Robbers, der früher Justizminister in Rheinland-Pfalz war, bezeichnete die Material-Vernichtung am Freitag in Saarbrücken als „höchst misslich“. Es sei „eine wahrscheinlich wichtige Grundlage“ für die Aufarbeitung verloren. Die Kommission werde in ihrer Sitzung am Montag (24. Juli) über das weitere Vorgehen in der Sache Edmund Dillinger beraten.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– Verwendetes Foto (rechts): Wikimedia Commons/Okami-san/CC3.0-Lizenz/Bild bearbeitet