Tankstellen-Mord in Idar-Oberstein: Staatsanwältin fordert Anerkennung der vollen Schuldfähigkeit und lebenslange Haft

Die Oberstaatsanwältin im Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein fordert eine lebenslängliche Freiheitsstrafe für den mutmaßlichen Täter. Er sei voll schuldfähig gewesen.
Für den Angeklagten im Prozess um die tödlichen Schüsse auf einen Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein fordert die Staatsanwältin Nicole Frohn lebenslange Haft. Fotos: Sebastian Gollnow/dpa-Bildfunk
Für den Angeklagten im Prozess um die tödlichen Schüsse auf einen Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein fordert die Staatsanwältin Nicole Frohn lebenslange Haft. Fotos: Sebastian Gollnow/dpa-Bildfunk

Vor knapp einem Jahr, am 18. September 2021, starb der 20-jährige Mitarbeiter einer Tankstelle in Idar-Oberstein durch einen Schuss. Ein 50-jähriger Deutscher steht im Verdacht, diesen abgefeuert zu haben. Der Grund: Der junge Mann hatte ihn zuvor auf die damals geltende Maskenpflicht hingewiesen. Seit März 2022 läuft der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter am Landgericht Bad Kreuznach. Am Montag (5. September 2022) hielt die Anklage ihr Plädoyer.

Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft

Die Staatsanwaltschaft hat dabei eine lebenslange Haft für den Angeklagten gefordert. Oberstaatsanwältin Nicole Frohn plädierte zudem, dass die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden solle. Wenn das Gericht dem Antrag folgt, wäre eine Haftentlassung des heute 50-Jährigen nach 15 Jahren ausgeschlossen.

„Eindeutige Beweislage“ für Mord

Frohn erklärte, dass die Tat das erste Mal gewesen sein, dass es in Deutschland im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen zu tödlicher Gewalt gekommen war. Der Fall bewege die Öffentlichkeit nach wie vor, was das große Medieninteresse an dem Prozess beweise. Es gebe ihrer Ansicht nach eine „eindeutige Beweislage“ für den Tatvorwurf Mord.

Angeklagter war Corona-Leugner

Der Angeklagte hatte den tödlichen Schuss vor Gericht eingeräumt. Er könne sich die Tat bis heute selbst nicht erklären. Laut der Anklage dagegen sei die Tat als „heimtückischer Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten“. Die Staatsanwaltschaft führte aus, dass der 50-Jährige das Coronavirus nur als eine Grippe betrachtet habe. Covid-19 habe er geleugnet. Aus diesem Grund habe er auch die Maßnahmen – insbesondere die Maskenpflicht als sinnlos und ungerechtfertigt empfunden.

50-Jähriger radikalisierte sich während der Lockdowns zunehmend

Im Laufe des Lockdowns habe sich der mutmaßliche Täter immer mehr radikalisiert. Er habe die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) für seine Situation verantwortlich gemacht. Gegner:innen habe er „in die Gaskammer schicken wollen“. Wie aus zahlreichen Chats hervorgehe, habe er zudem mit Gewalt etwa gegen die Polizei gedroht.

Mutmaßlicher Täter machte Tankstellen-Mitarbeiter mitverantwortlich

Da er an die vermeintlichen Verantwortlichen nicht herankommen konnte, habe der Angeklagte letztlich den Kassierer mitverantwortlich gemacht, weil dieser die staatlichen Maßnahmen durchsetzen wollte. Den jungen Mann habe der 50-Jährige demzufolge stellvertretend für alle erschossen, die seine Wut wegen der Maskenpflicht und anderer Maßnahmen auf sich gezogen hatten. Da das Opfer arg- und wehrlos gewesen sei, sei das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt, so Frohn.

„Der Angeklagte war voll schuldfähig“

Die Oberstaatsanwältin erklärte zudem: „Der Angeklagte war voll schuldfähig„. Zwar sei er laut eines Gutachtens mit zwei Promille „erheblich alkoholisiert“ gewesen, das mache ihn aber nicht automatisch nicht zurechnungsfähig. Seine Steuerungsfähigkeit sei noch vorhanden gewesen.

Kritik an Prozess-Verzögerungen

Frohn kritisierte die „ständigen Verzögerungen“ im Prozess, die die Verteidigung mit immer neuen Beweisanträgen indirekt verursacht habe. Für die Mutter des Opfers, die als Nebenklägerin auftrat, seien die Verlängerungen eine große Belastung gewesen. Zudem sei fraglich, ob sie im Sinne des Angeklagten seien.

Auch Nebenklage sieht keine mildernden Umstände

Die Nebenklage schloss sich den Anträgen der Staatsanwaltschaft „in vollem Umfang und voller Überzeugung an“. Wie die Anwältin der Mutter erklärte, sehe auch sie keine Gründe für mildernde Umstände.

Das Plädoyer der Verteidigung wird für diesen Freitag (9. September 2022) erwartet.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur