Haar-Notstand im Lockdown – Boomt die Schwarzarbeit?

Seit Wochen haben die Friseur-Betriebe dicht. Gleich verdächtig erscheinen da gut frisierte Menschen. Haben sie sich schwarz die Haare schneiden lassen? Oder handelt es sich etwa um einen geglückten Selbstversuch?

Friseursalons geschlossen

Coronabedingt herrscht derzeit auf den Köpfen vieler Menschen Wildwuchs. Die Friseursalons sind seit Mitte Dezember geschlossen. Während Kund:innen über schlecht sitzende Frisuren klagen, sind viele Betriebe von Existenzsorgen geplagt.

„Vor allem die Männer leiden“, hat die Friseurin Michaela Wagner aus der Nähe von München festgestellt. Da kann man schon neidisch auf die Haare anderer Leute blicken, wenn diese trotz allem gut frisiert und top gestylt daherkommen – zum Beispiel einige Profi-Fußballer, wie der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks kürzlich kritisiert hat.

Mehr Schwarzarbeit?

Der Verband fürchtet nun mehr Schwarzarbeit, weil unter Haar-Notstand leidende Stammkund:innen ihre Friseure anflehen könnten, ihnen privat die Haare zu schneiden. Das wäre ein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz, denn körpernahe Dienstleistungen – worunter auch Friseure fallen – sind untersagt. Bis zu mehrere Tausend Euro Strafe können denen drohen, die sich erwischen lassen.

Ein Risiko, das eine selbstständige Friseurin aus Mitteldeutschland eingeht, die anonym bleiben möchte. „Ich muss halt in die Illegalität – etwas mit schlechtem Gewissen machen, um zu überleben“, sagt sie. Weil ihr Salon geschlossen sei, habe sie keine Einnahmen mehr, die Kosten wie Miete, Strom und Krankenversicherung liefen aber weiter.

Während ihre Teilzeit-Angestellte Kurzarbeitergeld erhalte, habe sie noch keine Hilfen vom Staat bekommen, klagt sie. Ohne die Schwarzarbeit käme sie nicht über die Runden. Als sie mit der Deutschen Presse-Agentur („dpa“) am Telefon weiterspricht, klingt sie wütend und enttäuscht. „Im Endeffekt ist es eine Schweinerei, dass ich für meinen Lebensunterhalt nicht sorgen darf, die Kosten weiterlaufen und den Staat das nicht interessiert.“

Hinweise, dass in Deutschland weiter frisiert werde, gebe es zuhauf, meint Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer vom Zentralverband des Friseurhandwerks. „Da muss man sich nur auf der Straße umschauen.“ Angesichts der Corona-Pandemie findet er das doppelt problematisch, denn Abstandsregeln und Hygienevorschriften würden dabei nicht eingehalten. „Sichere Friseurdienstleistungen sind nur in den Profi-Salons möglich.“

Stimmen aus der Branche

„Da ist man schon in einem Gewissenskonflikt„, sagt auch Angie Filler-Würstle vom Friseursalon Scherenzauber in München. Immer wieder bekomme sie Anfragen, ob sie nicht privat Termine machen könne. Einmal habe ihr jemand sogar 100 Euro für einen Haarschnitt geboten, sagt die 49-Jährige. Abgelehnt habe sie trotzdem. Jetzt hofft sie, dass die Überbrückungshilfen bald ankommen. „Das muss man irgendwie überstehen“, sagt sie.

So sieht es auch Elisabeth Würz, Obermeisterin der Friseurinnung in Neumarkt in der Oberpfalz. Wer jetzt illegal Haare schneide, verhalte sich unsolidarisch, sagt sie. „Wir sitzen doch alle im selben Boot.“ Sie selbst habe schon einige Hinweise auf Schwarzarbeit erhalten. Dagegen vorzugehen sei aber schwer. „Die Friseure, die diese Dienstleistungen anbieten, halten dicht, ihre Kunden ebenso.“

Verband fordert Öffnungen

Der Zentralverband des Friseurhandwerks fordert die Öffnung der Salons ab dem 15. Februar. Überbrückungshilfen müssten zudem schnell ausgezahlt werden und auch die Inhaber:innen, die bisher leer ausgingen, müssten staatliche Unterstützung bekommen. Mit der Aktion „Licht an!“ wollen die Friseur:innen am Sonntag (31. Januar) bundesweit auf ihre Situation aufmerksam machen und für 24 Stunden das Licht in den leeren Salons brennen lassen.

„Haarschneidetourismus“ in Luxemburg

Wegen des Lockdowns gehen derzeit viele Deutsche zum Haareschneiden nach Luxemburg. Bei Friseurin Christina Helmling, einer gebürtigen St. Ingberterin mit Salon im luxemburgischen Wasserbillig, klingelt das Telefon derzeit ständig. „Es ist total verrückt momentan. Wir waren letzte Woche eigentlich schon für diese Woche ausgebucht“, sagte sie etwa.

Kritisch sieht den „Haarschneidetourismus“ Guido Wirtz, Vorsitzender der Landesinnungsmeister beim Landesverband Friseure und Kosmetik Rheinland. Es gebe Friseur:innen, die ihre Kund:innen nach Luxemburg führen, um sie dort zu bedienen. „Das geht ja komplett gegen den Sinn der Corona-Verordnungen.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur
– eigener Bericht