„Am Limit“: Ruf nach mehr Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge

Wegen der hohen Belegung von Aufnahme-Unterkünften für Flüchtlinge regt sich in rheinland-pfälzischen Kleinstädten Widerstand. Es müsse mehr Einrichtungen zur besseren Verteilung geben, so die Forderung.
Ein Zaun auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Hermeskeil. Foto: Birgit Reichert/dpa
Ein Zaun auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Hermeskeil. Foto: Birgit Reichert/dpa

Afa Hermeskeil ist völlig überlastet – und Zahlen steigen

Stefan Ding hat schon lange keinen Platz mehr. Dennoch muss der Leiter der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Hermeskeil im Kreis Trier-Saarburg immer wieder neue Flüchtlinge unterbringen. „Die Situation ist am Limit“, sagte er. „Wir sind auf die Unterbringung von 1.000 Personen ausgelegt.“ Derzeit seien aber 1.400 Menschen in der Einrichtung, die Woche davor waren es 1600. Eine „sozialverträgliche Unterbringung“ sei derzeit nicht möglich.

Das heißt, dass in dem früheren Kasernengebäude alle Achtbettzimmer auch mit acht Personen belegt seien. Dass auch zwei vierköpfige Familien in solch einem Zimmer untergebracht würden. Und Menschen in einer alten Turnhalle voller Doppelstockbetten und in Containern unterkämen. Zudem gebe es in der Einrichtung lange Schlangen: beim Speisesaal, bei der Kleiderkammer oder beim Arzt. „Natürlich gibt es da auch Kritik von den Bewohnern.“

Rheinland-Pfalz braucht „dringend“ mehr Unterkünfte

Es brauche in Rheinland-Pfalz „dringend“ mehr Unterkünfte zur Aufnahme von ankommenden Flüchtlingen, so Ding. „Dann sind wir in der Lage, die Belegung zu entzerren. Und dann können wir unserer Kernaufgabe besser nachkommen: Die Menschen auf das Leben außerhalb der Einrichtung in den Kommunen vorzubereiten.“

In Rheinland-Pfalz gibt es fünf Aufnahmeeinrichtungen in Trier, Bitburg, Speyer, Kusel und Hermeskeil. Dazu kommen vier Außenstellen: zwei Hotels in Bitburg, ein Hotel in Bernkastel-Kues und eine Liegenschaft am Flughafen Hahn. Die Einrichtungen seien derzeit mit rund 6.950 Menschen oder zu 88 Prozent belegt, teilte die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier mit.

Wie sich die Zahlen weiter entwickeln, das könne keiner sagen. „Jedoch gehen wir weiterhin von einem mindestens gleichbleibend hohen Niveau aus“, sagte ein Sprecher der ADD. Dieses Jahr seien bis Ende Oktober 12.785 Asylbegehrende ins Land gekommen. Im Vorjahreszeitraum waren es 8.841 Asylbegehrende.

Ein schnelles „Kommen und Gehen“

Der Hermeskeiler AfA-Leiter Ding sagte, es gebe „ein sehr großes und sehr schnelles Kommen und Gehen“. Wohl niemand bliebe länger als zwei bis maximal zweieinhalb Monate. Wegen des Zeitdrucks würden die Menschen schon auf die Kommunen verteilt, bevor über ihren Asylantrag entschieden worden sei. „Wir verteilen augenblicklich nach der Anhörung beim Bundesamt (für Migration und Flüchtlinge) vor der Entscheidung.“ In entspannteren Zeiten wurden die Menschen erst nach der Entscheidung verteilt.

Mehr Aufnahmeeinrichtungen seien auch deshalb wichtig, um das „partnerschaftliche Miteinander“ vor Ort in Kommunen nicht zu gefährden, sagte Ding. Man müsse darauf achten, dass man „die soziale Infrastruktur“ durch die hohe Belegung „nicht aufs Spiel“ setze.

Mitte Oktober hatte der Stadtrat von Hermeskeil in einer Resolution die Einhaltung der vereinbarten Maximalkapazität von 1.000 Menschen in der Einrichtung gefordert. „Wir müssen wirklich sagen, so geht es nicht weiter“, sagte Stadtbürgermeisterin Lena Weber (SPD). Niemand sei gegen die AfA im Ganzen. Es sei aber eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Man wolle eine sozialverträgliche Unterbringung der Flüchtlinge – auch außerhalb der Einrichtung.

Das „schwierige Gefühl“ habe zugenommen

Hermeskeil habe rund 8.000 Einwohner. Mit der steigenden Zahl der Geflüchteten habe sich das Gefühl mancher Menschen in der Stadt verändert, berichtete Weber. „Manche Leute fühlen sich unwohl damit. Mein Eindruck ist tatsächlich, dass dieses subjektive schwierige Gefühl zugenommen hat.“ Es gebe auch den ein oder anderen, der sage, dass seine Frau abends nicht mehr alleine vor die Türe gehe.

Auch in Kusel in der Westpfalz sei die „Situation ein Stück angespannt“, sagte Stadtbürgermeister Jochen Hartloff (SPD). Die dortige AfA sei mit um die 1.000 Menschen belegt, mit dem Land seien mal maximal 700 vereinbart gewesen. In den vergangenen Wochen habe es in der Stadt mit rund 5.000 Einwohnern zwei Kundgebungen gegeben, in denen Menschen „ihren Unmut“ kundgetan hätten. „Manche fühlen sich nicht wohl, manche haben Angst.“ Die Problematik in Kusel sei ähnlich wie in Hermeskeil, sagte er.

Auch Hartloff fordert seit längerem, dass es mehr Unterkünfte im Land für ankommende Flüchtlinge geben müsse: „Dass man es besser verteilen kann.“ Er sehe aber auch, dass es schwer sei, Liegenschaften zu finden. Daher setze er sich auch dafür ein, dass das Land eine Streetworker-Stelle finanziere. Die Verbandsgemeinde wünsche sich eine Verstärkung der Ordnungsabteilung, da die Polizei mehr Streife fahre.

Zunehmende Akzeptanzprobleme bei Bevölkerung

Der Landrat vom Kreis Kusel, Otto Rubly (CDU), sagte, die dauerhafte Belegung der AfA Kusel mit rund 1.000 Bewohnern bedeute in der kleinen Stadt „zunehmende Akzeptanzprobleme bei Teilen der Bevölkerung“. Mehr Aufnahmeeinrichtungen im Land würden „die Lage entzerren“. Die Kritik der Bevölkerung beziehe sich „vornehmlich auf ein Gefühl der Unsicherheit“, sagte er.

In Hermeskeil habe das Land die Kapazität in der AfA jüngst erhöht, indem eine Turnhalle auf dem Gelände belegt wurde. „Das war mit der Stadt nicht abgesprochen“, sagte Bürgermeisterin Weber. Die Stadt halte daher an den vereinbarten 1.000 Menschen fest.

Eine alte Turnhalle auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Hermeskeil, in der Flüchtlinge untergebracht werden. Foto: Birgit Reichert/dpa

Kurzfristige Erweiterungen gesucht – beispielsweise Thermohallen

Die Resolution werde „sehr ernst“ genommen, sagte die ADD. „Eine kurzfristige Reduzierung der Belegung ist angesichts der derzeitigen Zugangssituation jedoch nicht möglich.“ Auf der Suche nach weiteren Unterkünften würden derzeit verschiedene Liegenschaften im gesamten Land geprüft. „Aktuell liegt unser Fokus darauf, kurzfristig zusätzliche Kapazitäten zu erschließen, um die Situation in der Landesaufnahme zu stabilisieren.“ Der Fokus der Suche liege auf der Unterbringung in festen Gebäuden oder Wohncontainern.

„Es steht außer Frage, dass die Kommunen im Land hoch belastet sind“, teilte das Integrationsministerium in Mainz mit. Das Land habe in den vergangenen Wochen bereits etliche zusätzliche Unterkünfte hinzubekommen. Es sei wegen der hohen Zugangszahlen aber notwendig, die Kapazitäten zu nutzen, die auch in den AfAs vorübergehend zusätzlich geschaffen werden könnten – wie Thermohallen. Nur so könne das Land seiner Verpflichtung nachkommen, die Menschen aufzunehmen, die ihm aus der bundesweiten Verteilung zugewiesen würden und durch eine verzögerte Weiterverteilung die Kommunen entlasten.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur