Comeback der Kohle – Kraftwerke im Saarland vor Wiederbetrieb

Tonnenweise Kohle rollt derzeit in Güterzügen ins Saarland. Alte Meiler werden reaktiviert, um Strom zu erzeugen. Das Comeback der Kohle ist eine Folge des Ukraine-Krieges.
Ein Mitarbeiter kontrolliert den Kohlebunker einer Kohleentladeanlage der Firma STEAG. DB Cargo sichert mit Kohlezügen die Kraftwerksversorgung mit Kohle für die Saar. Foto: picture alliance/dpa
Ein Mitarbeiter kontrolliert den Kohlebunker einer Kohleentladeanlage der Firma STEAG. DB Cargo sichert mit Kohlezügen die Kraftwerksversorgung mit Kohle für die Saar. Foto: picture alliance/dpa

Die Kohle galt in Deutschland nur noch als Relikt, jetzt aber erlebt sie ein Comeback. Um in der Energiekrise Gas zu sparen, gehen alte Kohlemeiler wieder in Betrieb und produzieren Kohlestrom.

Saar-Werke gehen wieder in Betrieb

So im Saarland: Der Essener Stromerzeuger Steag wird das Kraftwerk Bexbach an diesem Freitag, 28.10.2022, aus der Netzreserve zurück an den Markt bringen. Das Kraftwerk Weiher in der Saar-Gemeinde Quierschied soll am 31. Oktober folgen. Es sind bundesweit die Nummer drei und vier, die seit Anfang August reaktiviert werden. Und weitere sind in Vorbereitung.

Der Güterzug der Bahntochter DB Cargo aus Rotterdam mit knapp 3.000 Tonnen Kohle wurde Mittwochfrüh im saarländischen Neunkirchen-Wellesweiler schon erwartet. In einem Schüttbunker wird die Kohle entladen und über eine Förderanlage ins nahe gelegene Kraftwerk Bexbach (Saarpfalz-Kreis) gebracht.

Kohletransport hat Vorrang

„Wir fahren so gut, so schnell und so viel wie möglich“, sagte DB- Cargo-Chefin Sigrid Nikutta am Ankunftsort. Für die Transporte würden die vom Bund geschaffenen „Prioritätskorridore“ genutzt, die den Güterzügen zur Energieversorgung Vorrang im Schienennetz geben. „Bisher läuft das sehr gut“. Auch andere Großkraftwerke in Deutschland würden beliefert.

25 Züge in der Woche für die Saar-Werke

Für die beiden Saar-Werke plant die Bahn mit bis zu 25 Zügen pro Woche. Im Oktober seien insgesamt bisher rund 30 gekommen. Mehr als 1.000 Kohlewaggons würden flott gemacht – inklusive Nachrüstung mit Flüsterbremsen. „Eigentlich haben wir uns darauf eingestellt, dass der Kohleverkehre der Vergangenheit angehören“, sagte Nikutta. Doch mit der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs ist alles anders.

Kohletransport ausschließlich über das Schienennetz

Die Vorbereitungen für das Wiederanlaufen der beiden Anlagen liefen seit Wochen, sagte ein Sprecher der Steag in Essen. A und O war sicherzustellen, dass ausreichend Kohle an die Standorte gebracht wird. Im Saarland passiert das ausschließlich über die Schiene. Über die Saar sei mangels direkter Hafenanbindung der Kraftwerke keine Option.

Zwei Dinge hätten bei der Logistik maßgeblich geholfen: Dass der Bund Kohle- und Öl-Zügen auf der Schiene Vorrang eingeräumt habe, sagte der parlamentarische Staatssekretär und Logistik-Beauftragte der Bundesregierung, Oliver Luksic (FDP). Und: Dass die vorherige Pflicht, Kohle für 30 Tage Volllastbetrieb auf Lager zu haben, gelockert wurde. Denn im Saarland hätte das je Kraftwerk ein Vorrat von 180.000 Tonnen Kohle bedeutet. Zurzeit sind in Bexbach rund 130.000 Steinkohle auf Lager, in Weiher sind es rund 50.000 Tonnen. Bei Volllast-Betrieb brauchte Bexbach 6.000 Tonnen Kohle am Tag, sagte Kraftwerksleiter Michael Lux. Das Saarland hat eine lange Kohletradition: Über 250 Jahre war Steinkohle abgebaut worden, bis der Bergbau in 2012 eingestellt wurde.

Herkunft der Kohle

Steag bezieht seine Kohle mittlerweile aus den USA, aus Kolumbien und aus Südafrika. Anfang des Jahres kamen noch rund 20 Prozent aus Russland. Das Kraftwerk Weiher ging 1976 ans Netz, Bexbach 1983. Beide Anlagen sind seit 2017 in Netzreserve. Ab November sollen laut Steag monatlich rund 280.000 Tonnen Steinkohle per Bahn an die Saar-Standorte geliefert werden.

Strom für bis zu vier Millionen Haushalte

Bexbach und Weiher können laut Steag bis zu vier Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Darüber hinaus bleiben das saarländische Kraftwerk Völklingen-Fenne sowie das Kraftwerk Bergkamen (Nordrhein-Westfalen) weiter am Netz. Ursprünglich sollten sie Ende Oktober stillgelegt werden. Der Steag zufolge sollen alle Kraftwerke voraussichtlich bis Frühjahr 2024 im Marktbetrieb bleiben.

„Dieser Kohlezug steht exemplarisch für sehr viele, die in Deutschland fahren werden. Das Netz fährt jetzt hoch“, sagte Luksic in der Entladestation. „Wir erwarten über 1.000 Züge, die in den nächsten Monaten zusätzlich ins Netz kommen. Und das wird natürlich zu Verdrängungseffekten führen.“ Pro Tag würden bereits zwei Trassen in die Priorisierung gebracht. „Da werden andere Züge verspätet sein oder ausfallen.“ Vor allem betroffen sei der Güterverkehr.

Habeck: Rückkehr von Kohlekraftwerken zwar bitter, aber unvermeidlich

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Rückkehr von Kohlekraftwerken mit Blick auf den Klimaschutz wiederholt als bittere Nachricht bezeichnet. Die Rückkehr sei aber wegen der Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine für die Gasversorgung unvermeidlich. Das Ziel, den Kohleausstieg idealerweise schon im Jahr 2030 zu vollenden, bleibe aber bestehen, hatte die Bundesregierung mehrfach betont.

Als erstes Steinkohlekraftwerk war Anfang August das Kraftwerk Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln, das dem tschechischen Energiekonzern EPH gehört, aus der Reserve geholt worden. Ende August ging das Kraftwerk Heyden (Uniper) im nordrhein-westfälischen Petershagen wieder ans Netz. Fortsetzung folgt: Laut Luksic wollen 15 Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke zurück ans Netz.

Deutsche Presse-Agentur