Offene Fragen im Fall der Studentin Tanja Gräff aus Trier

Tanja Gräff galt als vermisst nach einem Sommerfest, dann wurde die Leiche der jungen Studentin gefunden. Doch auch die Überreste brachten keine Klarheit in dem Fall. Der Fall ist bis heute ungeklärt – und wirft unzählige Fragen auf. Haben die Behörden versagt?
Menschen informieren sich am 14.06.2007 am Hauptmarkt in Trier an einem Stand zur Suche der verschwundenen Tanja. Foto: picture-alliance/ dpa
Menschen informieren sich am 14.06.2007 am Hauptmarkt in Trier an einem Stand zur Suche der verschwundenen Tanja. Foto: picture-alliance/ dpa

Trotz enormer Bemühungen wurde die Leiche von Tanja Gräff erst acht Jahre nach ihrem Verschwinden gefunden – durch Zufall. Der Behörden zufolge sei Tanja betrunken gestürzt. Am 22.06.2017 wurde der Fall offiziell niedergelegt.

Journalistin Beate Lehr lässt die Akten nicht ruhen. Sie ist der Meinung, der Fall müsse neu aufgerollt werden. 2014 beginnt sie mit ihrer Recherche, nachdem ihr anonym ein Teil der Akten zugesendet wurden. Ihre Ergebnisse hat sie in dem Buch „Tanja Gräff: Ein ungeklärter Fall“ veröffentlicht.

Frage nach dem letzten Zeugen

Für Lehr gibt es enorm relevante Spuren, die nicht ausreichend verfolgt wurden. Unter anderem die Frage nach dem letzten Zeugen. Lange galt ein Freund, der im Stern TV-Bericht „Marco“ genannt wird, als Person, die Tanja zuletzt lebend gesehen hatte. Das entspreche aber nicht der Wahrheit. Marco hatte Tanja in Begleitung eines unbekannten Mannes gesehen.

Kurz nach dem Fest hatte sich eine Zeugin bei der Polizei gemeldet, die Tanja ebenfalls mit einem anderen Mann gesehen hatte. Dieser Mann trug einen Spitzbart.

Spitzbart-Spur führt ins Leere

Die Suche nach dem Mann mit Spitzbart blieb ohne Erfolg. Allerdings wurde nie öffentlich nach ihm gefahndet. Laut Stellungnahme der Staatsanwaltschaft wurde von einer Veröffentlichung des Phantombilds abgesehen, weil die Gefahr einer „Trugspur“ als zu groß eingestuft wurde. Laut Lehr ein fataler Fehler.

Drachenhaus-Spur

Die Spitzbart-Spur sollte nicht die einzige Spur bleiben, die nicht ausreichend verfolgt wurden. Drei Studierende liefen zum Drachenhaus, als sich von hinten eine junge Frau näherte. Sie stellte sich als Tanja. Dieses Treffen fand eine Stunde nach Tanjas offiziellem Verschwinden statt. In den Ermittlungsakten finden sich die Aussagen einer Zeugin, die berichtet, dass Tanja vor einer männlichen Begleitung weggelaufen sei.

Der Staatsanwaltschaft zufolge konnte nie sicher geklärt werden, ob es sich bei der Frau tatsächlich um Tanja Gräff handelte. Lehr beteuert, dass die Chance, eine identisch aussehende Frau in jener Nacht anzutreffen, schier unmöglich erscheint.

Spur nach Luxemburg

Die Drachenhaus-Spur wurde für eine Luxemburg-Spur „geopfert“. Beide Vorfälle fanden gegen halb 6 Uhr morgens statt. Ein Zeuge beobachtete einen Streit zwischen einem jungen Paar. Dieser Spur folgte man nach Luxemburg. Lehr zufolge ist das einer der größten Fehler im Fall Tanja Gräff.

Nach dem Leichenfund: Unfallthese

Bei einer Pressekonferenz nach dem Fund der Leiche präsentierte man „Fundstücke mit neuem Erkenntnisstand“ (Likörflaschen und Reagenzglas). Obwohl es nie direkt ausgesprochen worden ist, wurde vermutet, dass die Tanja sich „sinnlos“ betrunken haben soll. Die desorientiere Tanja sei angeblich in dem Zusammenhang vom Roten Felsen gestürzt.

Die Presse nahm diese These auf und veröffentlichen zahlreiche Beiträge mit dieser Geschichte. Somit wurde aus einem zuerst angenommenen Kapitaldelikt ein durch Alkoholmissbrauch verursachter Unfall.

Gutachten von Tanja wird 10 Jahre nach ihrem Tod angefertigt

Die Staatsanwaltschaft stützte ihre These des Unfalltodes auf ein polizeiliches Gutachten, das erst zehn Jahre nach Tanjas Tod angefertigt wird. Darin heißt es: „Tanja ‚habe unter Alkohol zu Kontrollverlust geneigt‘“ und habe an einer psychischen Labilisierung gelitten.

„Marco“ kann diese Behauptungen aber nicht bestätigen. Auch die Schilderungen der anonymen Zeugin nahe des Drachenhauses treffen nicht darauf zu.

Haben die Behörden versagt?

Tanjas Mutter hatte schon früh Zweifel an der Ermittlungsarbeit. Es seien zu viele Fragen offen. Die Staatsanwaltschaft beantwortet die Anfrage von Stern TV mit einem 14-seitigen Schreiben. Dass Tanja als stark betrunken galt und in der Folge vom Felsen gestürzt sei, war für ihre Mutter ein Schlag ins Gesicht. Sie tritt nicht mehr öffentlich auf, stattdessen spricht der Anwalt mit Stern Tv.

2017 wird der Fall niedergelegt. Beate Lehr kämpft um die Wiederaufnahme der Ermittlungen.

Eigener Bericht, Stern TV Sendung vom 28. Juni 2023