Wie dieser Eselhof in Heusweiler Senioren und Tiere zusammenbringt

Tiere können emotionale Türöffner seien, sie bekämpfen Einsamkeit und lösen Freude aus. Auf einem Eselhof in Heusweiler gibt es berührende Begegnungen - im wahrsten Sinne des Wortes.
Gemeindereferentin Christine Mick. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk
Gemeindereferentin Christine Mick. Foto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk

Käthe Sebel ist mir ihren 90 Jahren die älteste Teilnehmerin an diesem Nachmittag. Doch sie greift genauso beherzt zum Striegel wie viele andere aus ihrer Seniorengruppe der Pfarrei St. Josef in Saarbrücken-Malstatt. Als sie einige Minuten später dem Esel über den Rücken streichelt, ist sie zufrieden. „Dem habe ich etwas Gutes erwiesen“, ist sie überzeugt. Wobei die eineinhalbstündige Begegnung wohl zugleich ein Geben und Nehmen war: Denn vom Striegel- und Streichel-Termin auf dem Eselhof Neumühle in Heusweiler profitieren sowohl Zwei- als auch Vierbeiner.

Eselhof in Heusweiler bietet vielfältiges Programm

„Ich erlebe es oft, dass die Menschen gestresst oder auch traurig hier ankommen. Dann verbringen sie Zeit mit den Eseln und gehen danach glücklich und entspannt hier raus“, berichtet Kathrin Bach, die diesen „Lebenshof“ mit inzwischen zwölf Eseln und mehreren Kaninchen und Hunden seit über 20 Jahren betreibt. Seitdem bietet sie ein buntes Programm an: Angefangen von Eselspaziergängen über Erlebnispädagogik für Kindergärten und Schulklassen bis zu Workshops und Firmenveranstaltungen mit Eselkuscheln. Gerade diese Vierbeiner eignen sich ihrer Meinung nach besonders für diese Begegnungen: „Sie sind absolut besonnen, strahlen eine wahnsinnige Ruhe aus, urteilen nicht, nehmen dich so, wie du bist, sind unvoreingenommen und einfach liebevoll.“

Die Streicheleinheiten tun Mensch und Tier gut. Foto: dpa-Bildfunk

Damit verbindet sie einiges mit den Gästen, die an diesem Tag hier sind, meint Gemeindereferentin Christine Mick: „Ich erlebe viele Seniorinnen auch als sehr gelassen. Sie nehmen es so, wie es kommt“, schildert sie. Als „störrisch“ möchte sie weder Tiere noch Menschen bezeichnen: „Weil sie nur noch das mit sich machen lassen, was sie selbst auch wollen, weil sie sich nicht mehr irgendwelchen Ansprüchen ‚beugen‘, sondern das machen, was ihnen guttut.“

Streicheleinheiten für Esel

Auch an diesem Nachmittag ist das nicht anders. Alles, was passiert, geschieht absolut freiwillig – und mit Freude. Wenn die Tiere wollten, könnten sie auch einfach auf die Weide traben und ihre Ruhe haben. Stattdessen jedoch scharen sie sich um die Besucherinnen, von denen einige gestützt werden müssen oder mit ihrem Rollator im Gehege erscheinen. Während die Tiere genüsslich an frischem Heu fressen, werden sie liebevoll gestriegelt und gestreichelt. Die meisten Besucherinnen gehen ohne jede Angst auf sie zu und auch nah um sie herum, um sie überall erreichen zu können. Vor allem Schwester Franziska (78) ist aktiv: „Ich kenne es, sich um andere zu kümmern“, sagt sie. „Ich war Erzieherin und habe auch 14 Jahre meines Lebens in Togo verbracht.“ Und dann striegelt sie konzentriert weiter und macht sich auf den Weg zum nächsten Langohr.

Ein paar Meter entfernt steht Linda Walter und strahlt. „Das war so schön, das hat richtig gut getan“, gibt die 76-Jährige zu. Was sie bei diesem Kontakt mit den Tieren empfunden habe? „Ein ganz weiches, wunderbares und warmes Gefühl. Nicht nur für mich, sondern ich glaube auch für die Esel.“

Tiergestützte Therapie kann helfen

Was die Frauen an diesem Nachmittag erleben, ist nicht nur eine subjektive Emotion, sondern auch wissenschaftlich erwiesen: „Studien zur tiergestützten Therapie belegen die Effektivität dieser Methode in verschiedenen Bereichen, darunter die Betreuung von Personen mit Demenz“, sagt Christian Muth, Sprecher der Regionalgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland und Vorstand im Bundesverband Tiergestützte Intervention (BTI). Der physische Kontakt mit den Tieren führe zur Freisetzung von Oxytocin, dem „Wohlfühlhormon“, das beruhigend und stressreduzierend wirke. Diese hormonelle Reaktion verbessere das soziale Wohlbefinden und die Interaktion der Beteiligten.

Esel sind sehr soziale Tiere

Gerade Esel, die ein stark ausgeprägtes soziales Verhalten aufwiesen, seien besonders interessant für die Tiergestützte Intervention. Die Klienten lernten, durch tiefgründige Kommunikation das Vertrauen des Esels zu gewinnen. „Dieser Prozess fördert das soziale Verständnis und die emotionale Kompetenz, besonders bei Senioren, und kann daher eine sehr bereichernde Erfahrung sein“, meint Muth. Es sei jedoch wichtig, dass solche Aktivitäten unter professioneller Anleitung durchgeführt werden, um die Sicherheit und das Wohl der Tiere und Menschen zu gewährleisten.

Vierbeiner stammen aus dem Tierschutz

Darauf legt auch Kathrin Bach Wert. Deshalb hat sie nach einem Studium der Germanistik und Sozialpsychologie und einer Steinmetz-Ausbildung auch noch eine Fortbildung zur Fachkraft für tiergestützte Interventionen absolviert. Und das Wohlergehen ihrer Vierbeiner, die allesamt aus dem Tierschutz stammen, nicht mehr „gebraucht“ wurden oder getötet werden sollten, liegt ihr besonders am Herzen. „Ich will ihnen ein schönes Leben bieten“, sagt sie. Die 56-Jährige ist überzeugt, dass auch die Esel die Begegnungen genießen: „Als hier zu Corona-Zeiten keiner her durfte, haben sie richtig gelitten und hatten Langeweile!“ Das klassische Eselreiten bietet Bach aber nicht an. „Das wäre übergriffig, das wollen die Tiere nicht.“ Nur wenn das Kinderhospiz komme, mache sie eine Ausnahme: Damit die behinderten oder sterbenskranken Kinder noch einmal ein besonderes Fühlen und Spüren auf dem Esel erleben könnten.

Im Eselzentrum fühlen sich viele wohl. Foto: dpa-Bildfunk

Ein kleines Geheimnis, das vor allem Kinder begeistert nutzen, berichtet Kathrin Bach auch den Gästen aus der katholischen Kirchengemeinde: Tatsächlich sei es nämlich so, dass der Wunsch, den man einem Esel heimlich in seine langen Ohren flüstere, in Erfüllung gehe. Nicht nur Linda Walter probiert das aus, sondern auch Gisela Frey (60). „Er hat schön zugehört“, sagt sie danach lächelnd. „Hoffentlich geht es in Erfüllung – es wäre wirklich ein Herzenswunsch.“

Ob es klappen wird, wird sich wohl erst in Zukunft zeigen. Die Hoffnung von Gemeindereferentin und Seelsorgerin Christine Mick hat sich jedenfalls schon erfüllt: „Viele der Frauen sind verwitwet und allein“, berichtet sie. „Ich wollte ihnen einfach ein Stück Lebensfreude geben in dem manchmal oft einsamen Alltag.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur