Corona-Proteste im Saarland: Wie radikal sind die „Spaziergänger“ in unserer Region?

Bei den Corona-Protesten in Deutschland ist in vielen Regionen eine zunehmende Radikalisierung der Demonstrierenden zu beobachten. In zahlreichen Städten kam es bereits zu Eskalationen und Gewalt gegenüber der Polizei. Auch Drohungen gegenüber Politiker:innen und Journalist:innen mehren sich. Im Saarland sind die Proteste bislang friedlich verlaufen. Doch wie radikal sind die "Spaziergänger:innen" eigentlich in unserer Region?
Foto der jüngsten Corona-Proteste in Saarbrücken. Archivfoto: BeckerBredel
Foto der jüngsten Corona-Proteste in Saarbrücken. Archivfoto: BeckerBredel

Gewalt und Radikalisierung bei Corona-Protesten in Deutschland

Seit Wochen finden in ganz Deutschland sogenannte Corona-Proteste statt. Im Fokus der Demonstrationen steht eine Ablehnung der aktuellen Corona-Maßnahmen, insbesondere der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Leider werden die Proteste in vielen Regionen zunehmend zu einem Sammelbecken von radikalen Querdenker:innen und gewaltbereiter Demokratiefeinde aus dem rechtsextremen Lager.

So kam es inzwischen in vielen Städten bei Corona-Protesten zu Gewalt-Eskalationen, bei denen Polizeikräfte verletzt wurden. Daneben mehrten sich Morddrohungen gegen Politiker:innen und Journalist:innen. Zudem gab es Aufmärsche vor den Wohnhäusern von politischen Entscheidungsträger:innen und ähnliche Einschüchterungsversuche.

Wie radikal sind die Corona-Proteste im Saarland?

Im Saarland kam es bei den Corona-Protesten bislang noch nicht zu derartigen Gewaltausbrüchen. Doch wie groß ist die Gefahr einer Radikalisierung in unserer Region?

Polizei spricht von „ausnahmslos friedlichen“ Veranstaltungen

Das Landespolizeipräsidium des Saarlandes erklärte auf SOL.DE-Anfrage, dass es sowohl bei den angemeldeten Versammlungen als auch bei den unangemeldeten Demos im Saarland bislang keine Ausschreitungen gegeben habe. Gewalt gegenüber der Polizei wie in anderen Regionen sei bislang nicht zu beobachten gewesen. „Die Veranstaltungen verliefen ausnahmslos friedlich“, beteuerte Polizeisprecher Stephan Laßotta gegenüber SOL.DE.

Auch zu Straftaten kam es bei den Corona-Protesten im Saarland bislang noch nicht. „Bis auf die Einleitung mehrere Ermittlungsverfahren wegen einer Deutschlandfahne, die mit einem Bananensymbol versehen war, kam es zu keinen besonderen Vorfällen. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat diesen Sachverhalt mittlerweile geprüft und darin keine Strafbarkeit erkannt“, erklärte Laßotta. Bislang sind lediglich Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht eingeleitet worden.

„Im Saarland bislang keine Radikalisierung“

Auch eine Radikalisierung unter den Protestierenden verneint die saarländische Polizei bis dato. „Wir beobachten hier im Saarland bislang keine Radikalisierung unter den Teilnehmern. Unter den Teilnehmern konnten wir bisher auch keine als rechtsextrem bekannten oder vom Verfassungsschutz beobachteten Personen ausmachen. Dennoch sind wir sehr aufmerksam und tauschen auch Informationen mit Polizeibehörden in anderen Bundesländern in diesem Zusammenhang aus“, so das Landespolizeipräsidium.

Fotos belegen rechtsextreme Personen bei Corona-Protesten im Saarland

Bei einem etwas genaueren Blick zeigt sich hingegen, dass sich auch im Saarland durchaus schon Rechtsextreme unter die Demonstrierenden gemischt haben. Das belegen Foto-Aufnahmen der Proteste in Saarbrücken und Saarlouis, auf denen mehrere NPD-Funktionäre zu erkennen sind. Der saarländische Foto-Journalist Kai Schwerdt ist regelmäßig auf Corona-Demos im Saarland unterwegs, um Mitglieder der rechten Szene ausfindig zu machen. Erst am Wochenende berichtete er dabei von einer Gruppe, die offen mit dem „White-Power“-Zeichen provozierte.

Keine homogene Gruppe bei Corona-Protesten im Saarland

Trotz gewisser Unterwanderungsversuche aus dem rechten Lager scheint der absolute Großteil der Demonstrierenden im Saarland dem bürgerlichen Lager zu entspringen. Dabei kommen die Personen aus unterschiedlichen Motivationen heraus zu den Protesten. Eine homogene Gruppe ist nicht zu erkennen.

Ministerpräsident Hans sieht keine Radikalisierungen im Saarland

Ministerpräsident Tobias Hans erkennt bei den Corona-Protesten im Saarland bislang noch keine Radikalisierungstendenzen wie in anderen Bundesländern. „Derzeit sehen wir keine Radikalisierungen. Was wir feststellen sind Versammlungen von Menschen, die friedlich demonstrieren. Das ist in Ordnung, solange es nicht zu Ausschreitungen kommt, die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten und Sicherheitskräfte nicht beleidigt oder gar angegriffen werden“, so Hans in einem Interview mit der „Saarbrücker Zeitung“. Laut Hans müsse man die Augen aber auch in unserer Region offenhalten. „Natürlich müssen wir wachsam sein, ob es Unterwanderungen durch extreme Gruppen gibt“, so Hans.

Drohungen gegen Politiker:innen im Saarland

Auch wenn Hans bei den aktuellen Protesten vor Ort noch keine Radikalisierung erkennen mag, so sprach der Ministerpräsident erst vor knapp einem Monat von einer Radikalisierung der Impfgegnerschaft, als er und seine Familie bedroht wurden. Nachdem der TV-Sender „RT Deutsch“ eine Aussage von Hans zur 2G-Regelung in den sozialen Netzwerken geteilt hatte, sprach Hans gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von „einem ganz massiven Anstieg von Bedrohung, die auch meine Familie mit beinhaltet“.

Hans erklärte damals, dass es „Eruptionswellen“ gegeben habe, „die bis zur Radikalisierung und Gewaltandrohung reichen“ und dass sich eine „kleine, aber laute Minderheit“ zunehmend radikalisiere. Auch die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger wurde im vergangenen Monat zur Zielscheibe von Drohungen. So erhielt Rehlinger unter anderem eine Sprachnachricht mit dem Inhalt „Nächster Halt Auschwitz“.

Fazit: Wie radikal sind die Corona-Proteste im Saarland?

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass im Saarland bislang keine vergleichbaren Radikalisierungen wie in anderen Regionen zu beobachten sind. Gewaltsame Ausschreitungen wie in anderen Bundesländern gab es in unserer Region bisher keine. Bislang erstrecken sich Rechtsverstöße hierzulande auf unangemeldete Versammlungen sowie eine großflächige Missachtung der Maskenpflicht. Dennoch lässt sich auch nicht leugnen, dass demokratiefeindliche Extremisten sich unter das bürgerliche Lager mischen wollen. So sind Größen der rechtsextremen Szene immer wieder bei den Demos zu finden. Wie groß deren Einfluss auf das bürgerliche Lager letztlich ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwierig beantworten.

Polizei und Politik sind gut beraten, wachsam zu agieren. Der bürgerliche Schwerpunkt der Corona-Proteste sollte genauer hinschauen, mit wem sie demonstrieren gehen und sich deutlich von den Extremisten abgrenzen.

Verwendete Quellen:
– eigene Recherche