Im Ligatura in Saarbrücken gibt’s „Speciality Coffee“ von den Brew Brothers

Irgendwie ist es schon seltsam. Wer von außerhalb mit der Bahn nach Saarbrücken reist und immer den Hauptausgang Richtung Stadt nutzt, der sieht nur Einkaufszentrum und Einheitsbrei à la Einkaufsstraße. Dabei ist es so einfach, mal etwas Neues zu sehen.
Fotos und Videos: Tobias Ebelshäuser/SOL.DE.
Fotos und Videos: Tobias Ebelshäuser/SOL.DE.
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Info: Ligatura hat Ende 2017 den Laden geschlossen. Auch das Café der Brew Brothers gibt es nicht mehr.

Einfach einmal Richtung Norden den Ausgang zum Eurobahnhof nehmen: Dort hängt noch hipper Großstadtflair sowie der Duft der Innovation in der Luft. Und der von frisch gemachtem Espresso.

Zumindest hier im Ligatura, dem Coworking-Space am Eurobahnhof. Denn dort gibt es seit Anfang des Jahres den besten Kaffee der Stadt, wie eine Rezension auf der Facebook Seite der „Brew Brothers“ beteuert.

Die zwei „Brew Brothers“ sind zwar keine Brüder, aber dafür sehr gute Freunde, nämlich Joe und Steve. Joe, ein großer schlanker Mittzwanziger mit Lockenfrisur, kommt eigentlich aus England, ist erst 2014 nach Saarbrücken gezogen.

Anzumerken ist ihm das nicht, sein Deutsch ist absolut akzentfrei. Wer ihn allerdings auf das Thema Kaffee anredet, der sollte etwas Zeit für eine hochinteressante Lehrstunde mitbringen. Doch dazu später mehr.

Denn zuallererst: Was ist eigentlich ein „Coworking-Space“? „Gemeinsam statt einsam“, sagt Olli, der Gründer und Geschäftsführer von Ligatura. „Das trifft‘s eigentlich ganz gut.“ Denn im Grunde heißt es einfach, dass man nicht alleine arbeitet.

Denn wer selbstständig und oft von zuhause arbeitet, kann auch genauso gut in einem Coworking-Space arbeiten. Das ist professioneller, es gibt Meeting-Räume, Drucker, schnelleres Internet. Und vor allem: man trifft andere Menschen, die etwas Ähnliches oder auch was ganz Anderes machen und kann sich mit denen austauschen.

„Das ist so wie ein Juz für Erwachsene“, sagt er und lacht. Man trifft sich, macht Projekte zusammen und es ist deutlich einfacher, sich dort mit seinen Kunden zu verabreden.

Geschäftsführer Olli ist auch selbstständig – und zwar als Designer. Er kannte das Problem, dass es mit sich bringt, immer nur zu Hause am eigenen Schreibtisch zu arbeiten.

„Das ist gut, wenn du dich konzentrieren musst, weil du dringend irgendwas fertigkriegen musst. Aber wenn du dich mal nicht konzentrieren musst, weil du neue Ideen brauchst, dann ist das einfach scheiße“, sagt er.

Die besten Ideen kommen eben nicht am Schreibtisch. Die kommen an so besonderen Orten. Oder unter der Dusche, aber da kann man ja auch nicht immer sein.“

Deshalb kam er vor vier Jahren auf die Idee, dass Saarbrücken genau so einen Coworking-Space braucht. „Dann hab‘ ich das gemacht, einfach so“, sagt er. Dabei ist es auch nach vier Jahren in Saarbrücken noch Neuland für viele.

Auch, weil vom Land oder Staat keine Hilfe bereitgestellt wird. Man schaue zum Beispiel nach Luxemburg: Dort werden für jedes Startup die Kosten für Coworking vom Staat getragen, erzählt Olli. Denn gerade Startups benötigen eigene Räume zum Arbeiten, die sie sich zu Beginn ihrer Gründung schlicht nicht leisten können.

Nichtsdestotrotz kommt die Idee auch hier in Saarbrücken super an. Jeder kann sich hier einen Schreibtisch mieten – so lange wie er ihn braucht. Feste Schreibtische sind sogar ausgebucht.

Neuerdings kann man aber auch einfach auf einen Kaffee vorbeikommen. Denn weil das klassische Habitat des Designers, Texters oder des Schriftstellers neben seinem Schreibtisch das Café ist, dachte sich Olli, dass dieser Coworking-Space auch ein Café braucht.

„Wir haben’s genau umgekehrt gemacht. Wir haben nicht das Büro ins Café verlagert, sondern das Café ins Büro gebracht.“ Und weil es hier vor Ort noch um den Menschen geht, hat er den Kaffeeautomaten gegen zwei Jungs mit einer schicken Espressomaschine ausgetauscht, Steve und Joe.

Für das Saarland sind die zwei Jungs Pioniere. Denn sie sind die Ersten, die „Specialty Coffee“ ins Saarland gebracht haben. Das ist besonders guter Kaffee, der auf einer festgesetzten Skala von 0 bis 100 mindestens 80 Punkte erreicht hat.

Laut Joe gibt es im Café der Brew Brothers keinen Kaffee unter 86 Punkten zu trinken. Doch wie wurden die beiden überhaupt zu „Kaffee-Nerds“, wie sie sich selbst nennen?

Kaffee-Trinken war Pflicht für mich“, erzählt Joe. Im letzten Moment hat er immer mit seinen Hausarbeiten in England an der Uni angefangen und irgendwie musste er die Nächte wach bleiben. Mit viel Milch und Zucker ging dann auch der Kaffee aus dem Automaten.

Doch irgendwann kam für beide der Moment, an dem sie realisierten, dass Kaffee mehr als braune, bittere Brühe sein muss. Der eine in Berlin, der andere in Cambridge, probierten sie beide einen Specialty Espresso. Beide waren so überrascht von dem Geschmack, der so viel anders war, als alles was sie vorher als Kaffee kannten. „Seitdem bin ich nicht mehr von dem Thema losgekommen, weil es mich so fasziniert hat“, sagt Steve.

Mittlerweile wächst das Angebot an Speciality-Coffee überall in Großstädten, doch in Saarbrücken war das noch Neuland. „Dann muss es jemand halt machen“, sagten sich die beiden und fingen an vor dem Gebäude von Ligatura einmal im Monat Kaffee zu verkaufen.

Nun sind sie dort fest integriert, haben ihre eigene Theke. Hier wollen die Beiden nun weitergeben, dass Kaffee auch tatsächlich gut schmecken kann.

Doch hochnäsig wollen sie in alldem auf keinen Fall rüberkommen. Denn in vielen Specialty Cafés sei die Stimmung tatsächlich noch etwas versnobt. „Hauptsache ist, dass den Leuten der Kaffee schmeckt. Und wenn das mit drei Löffeln Zucker ist, ist das auch okay“, sagt Joe. „Ist eben Geschmackssache“, fasst er zusammen.

Es ist recht schnell offensichtlich, dass die zwei Jungs perfekt an diesen Ort passen. Denn hier geht es nicht nur darum, zusammen zu arbeiten, es ist eine Gemeinschaft entstanden. Man kennt sich, man vermittelt sich gegenseitig Aufträge, unter Freunden und Geschäftspartnern.

Vergangenen Donnerstag fand die zweite „Evening Session“ statt, bei der das Café bis 22:30 geöffnet hat. Im vorderen Bereich trinken die Besucher speziellen Kaffee, im hinteren Bereich findet ein Social-Media-Talk mit den beiden Geschäftsführerinnen von Project Piñata statt. Auf der Empore spielt ein DJ.

Und auch Joe hat erkannt, dass es hier irgendwie anders ist als im Rest der Stadt. „Hier ist Platz zu reden, Platz zu denken. Das passt alles so gut zusammen, weil die Stimmung hier ganz anders ist als ein paar hundert Meter weiter. Hier geht es um Innovation. Und auch der Kaffee ist ein bisschen innovativ“, sagt er.