Opfer in die Saar geworfen: So begründet das Gericht das Urteil gegen Nicola G.

Bis zum Schluss hat der Angeklagte geschwiegen und damit auch zu einer Strafverschärfung beigetragen. Jetzt muss der 18-Jährige für sieben Jahre in Jugendhaft, weil er einen Jugendlichen nach einer Schlägerei bewusstlos in die Saar geworfen hat.
Nicola G. ist wegen Totschlags angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, im April 2018 einen 16-Jährigen in Saarbrücken erst bewusstlos geschlagen und dann in die Saar geworfen zu haben. Das Opfer starb wenige Stunden später. Foto: BeckerBredel
Nicola G. ist wegen Totschlags angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, im April 2018 einen 16-Jährigen in Saarbrücken erst bewusstlos geschlagen und dann in die Saar geworfen zu haben. Das Opfer starb wenige Stunden später. Foto: BeckerBredel
Nicola G. ist wegen Totschlags angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, im April 2018 einen 16-Jährigen in Saarbrücken erst bewusstlos geschlagen und dann in die Saar geworfen zu haben. Das Opfer starb wenige Stunden später. Foto: BeckerBredel
Nicola G. ist wegen Totschlags angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, im April 2018 einen 16-Jährigen in Saarbrücken erst bewusstlos geschlagen und dann in die Saar geworfen zu haben. Das Opfer starb wenige Stunden später. Foto: BeckerBredel

Nicola G. (18), der den 16-jährigen Aftab H. bewusstlos geschlagen und in die Saar geworfen hat, muss wegen Totschlags für sieben Jahre in Haft. Für das Saarbrücker Landgericht stand am Mittwoch (14. November) außer Frage, dass der angeklagte Deutsche bei seiner Tat im April erkannt hatte, dass sein Opfer regungslos und völlig wehrlos gewesen war, als er ihn über den Boden zum Ufer schliff.

„Wenn man einen solchen Menschen dann in ein Gewässer wirft, nimmt man zumindest billigend in Kauf, dass er ertrinkt und damit verstirbt“, sagte der Vorsitzende Richter. Der Junge pakistanischer Herkunft war erst eine halbe Stunde nach dem Vorfall geborgen worden und einige Stunden später an Sauerstoffmangel im Gehirn gestorben. Der Anlass für die Tat sei ein „nichtiger“ gewesen: ein Streit um Haschisch unter Bekannten, in den sich Opfer und Täter eingemischt hatten.

Das Urteil nach Jugendstrafrecht lag noch über dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sechseinhalb Jahre Jugendhaft für den Angeklagten beantragt hatte. Der Verteidiger des 18-jährigen Deutschen hatte die Tat als Körperverletzung mit Todesfolge gewertet und eine Bewährungsstrafe gefordert.

Der Vorsitzende Richter hatte seine mündliche Urteilsbegründung ungewöhnlich begonnen: Er zitierte aus einem Brief, den der Angeklagte im Juli aus der JVA an seine Mutter geschickt und in dem er keinerlei Reue gezeigt hatte. Im Gegenteil: „Ich geh in den Knast, weil er nicht schwimmen konnte“, hatte er geschrieben und: „Frechheit, dass ich hier sitze.“ Richter Andreas Lauer kommentierte den Brief mit den Worten: „Wir hoffen, dass Sie inzwischen zu einer anderen Einsicht gelangt sind. Sie ist nämlich falsch.“

Täter rief „Scheiß Araber“

Strafverschärfend wertete das Gericht, dass der Angeklagte laut einer Zeugenaussage bei seiner Tat „Scheiß Araber“ gerufen haben soll und sich im gesamten Prozess nicht geäußert habe. Auch hatte er nicht die Gelegenheit genutzt, sich im letzten Wort bei der Mutter des Opfers zu entschuldigen. Gerade weil er selbst offenbar eine enge Beziehung zu seiner Mutter habe, hätte er sich in die Lage versetzen können, wie es einer Mutter gehe, „wenn sie ihren 16-jährigen Sohn auf solch eine Art und Weise genommen bekommt“, sagte der Richter.

Nicola will in Revision gehen

Seine Mandantin habe „zweigespalten“ auf das Urteil reagiert, berichtete der Anwalt der Mutter, Khubaib-Ali Mohammed, der auch schon Opfer in den Prozessen um den Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz, um die NSU-Morde und das Loveparade-Unglück vertreten hat. Zum einen sei sie erleichtert, dass der Tod ihres Sohnes durch das Urteil gesühnt werde, zum anderen wisse sie, dass der Angeklagte nach sieben Jahren die JVA verlassen werde. „Aber ihr Sohn wird nicht wiederkommen.“

Weil es sich nach Ansicht Mohammeds bei diesem Fall um eine „besondere Dimension von unkontrollierter Jugendgewalt“ handelte, hatte er ein Strafmaß gefordert, das deutlich über dem Antrag der Staatsanwaltschaft liegen müsse.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger sagte der Deutschen Presse-Agentur, „selbstverständlich“ in Revision gehen zu wollen.

Opfer in die Saar geworfen: Alle bisherigen Artikel zum Thema

13. November: Opfer in die Saar geworfen – Staatsanwaltschaft fordert 6,5 Jahre Haft
8. November:
Tödlicher Sturz in die Saar: Das sagen die Augenzeugen vor Gericht
17. Oktober:
Opfer in die Saar geworfen: So lief der erste Prozesstag im Fall Nicola G.
16. Oktober:
Opfer bewusstlos geschlagen und in die Saar geworfen: Prozess gegen Nicola G. beginnt
29. Juni:
Tödlicher Sturz in die Saar: Anklage gegen Tatverdächtigen G. (18)
30. April: Tod in der Saar: Bekannte von Aftab H. (16) hoffen mit Plakat-Aktion auf Hinweise
27. April: Tod in der Saar: Passanten wollten Aftab H. (16) noch retten
26. April:
Nach tödlichem Sturz in die Saar: Tatverdächtiger wird massiv bedroht
25. April: Tödlicher Sturz in die Saar: Tatverdächtiger schweigt
24. April: Tödlicher Sturz in die Saar: Es ging um Drogen
24. April: Tödlicher Sturz in die Saar: Handelte der Tatverdächtige (18) aus Notwehr?
24. April: Jugendlicher stirbt nach Sturz in die Saar
23. April: Mann fällt bei Schlägerei an Wilhelm-Heinrich-Brücke in Saarbrücken in die Saar – Großeinsatz