Pauline Schäfer im Interview: „Zufriedenheit ist Stillstand“
Pauline, dein Sieg bei der Turn-WM ist jetzt schon mehr als eine Woche her. Du warst in der letzten Woche unter anderem bei „Stern TV“ und im „aktuellen Sportstudio“. Hattest du denn überhaupt schon genug Zeit, den Gewinn zu verarbeiten?
Die letzte Woche war wirklich stressig, diese Woche wird’s ähnlich. Für mich gab’s leider noch keine richtige Möglichkeit, herunterzufahren.
Wie viele Nachrichten hattest du eigentlich nach dem Triumph auf dem Handy?
Das kann ich wirklich nicht sagen. Ich habe drei Tage gebraucht, bis ich alles gelesen und beantwortet hatte. Nach den TV-Auftritten kamen dann noch mehr Nachrichten; das häuft sich mittlerweile ganz schön.
Du bist seit 30 Jahren die erste deutsche Turnerin, die Gold bei einer Weltmeisterschaft gewonnen hat. In deiner Übung hast du auch den von dir erfundenen „Schäfer-Salto“ eingebaut. Wie ist das Gefühl, wenn man so etwas Historisches geschafft hat?
Es ist überhaupt schon etwas Besonderes, wenn man als Turner sein eigenes Element kreiert. Ich bin mal gespannt, ob Turnerinnen in Zukunft den Salto turnen werden, es ist nämlich ein sehr komplexes Element. Seit 2014 ist der Salto anerkannt und ich hoffe, dass er noch mehr Präsenz durch andere Turnerinnen bekommt.
Wie nervös bist du vor Wettkämpfen?
Vor der WM-Übung war ich extrem nervös. Man hat viel trainiert, sich monatelang den Arsch aufgerissen. Und eine Übung entscheidet dann alles. Man fragt sich dann, warum man sich das antut. Aber das ist ein Kick, den man braucht.
Momentan erlebst du natürlich einen absoluten Höhepunkt, in einer Sportlerkarriere gibt es aber auch Tiefen. Kannst du dich an einen persönlichen Tiefpunkt erinnern und wenn ja, wie bist du damit fertig geworden?
Einen richtigen Tiefpunkt hatte ich bisher nicht. Natürlich hat jeder mal mit sich zu kämpfen, gerade im Sport braucht man viel Durchhaltevermögen, unglaublich viel Biss. Meine Vorbereitung für die WM lief nicht so gut, die EM war ein Negativ-Erlebnis. Aber das hindert mich nicht daran, weiterzumachen.
Hast du einen ultimativen Ratschlag für Nachwuchsturnerinnen?
Ihr solltet den Spaß an der Sache nicht verlieren und durchhalten. „Was lange währt, wird gut“, sagt man so schön. Und: Nicht zufrieden sein. Zufriedenheit ist Stillstand.
[legacy_code]
2.Deutsche Meisterin 🥈 #eshatmalwiedernichtgereicht #1undankbareszehntel #da #fragt #man #sich #woran #hats #gelegen…
Posted by Pauline Schäfer on Montag, 5. Juni 2017
[/legacy_code]
Du bist mit 15 von Bierbach nach Chemnitz gezogen. Wie kam es zu diesem Schritt?
Ich konnte mir eigentlich nie vorstellen, so weit von zu Hause wegzugehen. Daher war der Schritt umso schwieriger. Meine Mutter sagte mir dann: „Wenn du es nicht tust, wirst du es irgendwann bereuen. Du kannst jederzeit zurückkommen.“ Den Rat hab ich befolgt und an meinen Erfolgen sieht man auch, dass es sich gelohnt hat.
Das Problem im Saarland ist, dass das weibliche Geräteturnen keine feste Trainerstelle hat. Der Bereich wird nicht genügend gefördert, was sehr schade ist. Die Koordination zwischen Schule und Training ist auch nicht optimal. Somit musste für mich eine Lösung her – und die war Chemnitz.
Wie sieht dein Alltag in Chemnitz aus?
Ich trainiere jeden Tag mindestens sechs Stunden. Morgens habe ich von 9.30 bis 12.30 Uhr Training, danach Physiotherapie. Dann wird noch mal trainiert bis 18.00 Uhr. Abends gehe ich noch in die Schule bis 22.00 Uhr, ich mache mein Abitur am Abendgymnasium. Das ist eine Doppelbelastung, mit der ich fertig werden muss. Die Schule ist ein guter Ausgleich für den Sport, man denkt nicht immer nur ans Turnen. Freizeit bleibt eigentlich keine. Mit Glück gibt es mal einen Sonntag, der frei ist.
Turnerinnen haben keine langen Sportkarrieren. Wie sieht dein Plan für die Zukunft aus?
Ich bin Sportsoldatin, verdiene dort mein Geld, um über die Runden zu kommen. Nach dem Abitur 2020 will ich studieren gehen. Was genau, darauf habe ich noch keine Antwort (lacht).
Hast du vor, wieder in Saarland zurückzukommen?
Ich find’s im Saarland schön, meine Familie lebt dort. Leider bin ich nicht oft da, an Weihnachten vielleicht mal oder eine Woche im Sommer. Natürlich werde ich irgendwann wieder ins Saarland zurückkommen. Aber bis dahin habe ich noch ein bisschen zu tun.
Deine Schwester Helene ist 16, trainiert auch sehr gut und hat große Ambitionen. Wie groß ist die Chance, dass wir bei Olympia 2020 ein saarländisches Schwestern-Duell um Gold sehen?
Bis dahin ist es natürlich noch ein weiter Weg, der Körper muss gesund bleiben. Aber sie hat auf jeden Fall das Talent und Potenzial dazu.