Tierheim in Saarbrücken leidet weiter unter den Corona-Folgen

Die Tierheime müssen sich neu erfinden: Während sie sich früher vor allem um Fundtiere kümmerten, müssen sie nun vor allem Hunde aufnehmen, deren Besitzer sie aus Zeit- oder Geldmangel nicht mehr haben wollen. Oder um Tiere, die als problematisch gelten.
Die Tierheime kommen an ihre Grenzen. Archivfoto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk
Die Tierheime kommen an ihre Grenzen. Archivfoto: Oliver Dietze/dpa-Bildfunk

Ansturm auf die Tierheime

Auch nach Ende der Corona-Pandemie leiden die Tierheime noch unter den Folgen. „Die Auswirkungen werden uns sicher noch ein, zwei Jahre begleiten“, sagt Frederick Guldner, Sprecher des Tierschutzvereins 1924 Saarbrücken und des Bertha-Bruch-Tierheims. Das bedeutet: weiterhin ein Ansturm auf die Tierheime und Schwierigkeiten mit Problemhunden. Denn das Dilemma sei nicht nur, dass sich viele Menschen im Home-Office Tiere zugelegt hätten, für die sie jetzt keine Zeit mehr hätten, sondern auch, dass viele Hunde komplett unsozialisiert oder nicht erzogen seien.

„Tierhaltung entwickelt sich immer mehr zum Luxus“

Vor ganz neuen Herausforderungen sieht Andreas Lindig, Vorsitzender des Landesverbandes des Deutschen Tierschutzbundes in Rheinland-Pfalz, die Tierheime. „Die komplette Struktur hat sich geändert“, sagt er. Früher hätten die Heime vor allem Hunde aufgenommen, die gefunden wurden – um diese dann dem Besitzer zurückzugeben oder neue für sie zu finden. Inzwischen jedoch gehe es darum, Menschen zu helfen – indem Tieren geholfen werde, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr gehalten werden könnten. „Das heißt: Die Anzahl der Fundtiere ist zurückgegangen, die der Abgabetermine aber extrem gestiegen.“ Die Gründe dafür seien vor allem finanzielle: „Tierhaltung entwickelt sich immer mehr zum Luxus“, meint Lindig.

Finanzielle Situation entscheidet auch

Das sieht auch Frederick Guldner so. Deshalb entscheide inzwischen auch die finanzielle Situation darüber, ob Interessierte überhaupt ein Tier aus dem Heim bekämen. Ein K.O.-Kriterium dafür sei nämlich nicht, wenn man voll berufstätig sei, sondern im Gegenteil, wenn man keinen Job habe. „Dann hätte man zwar optimal Zeit, um sich darum zu kümmern. Aber das Tier muss auch versorgt werden. Und angesichts der gerade gestiegenen Gebührenordnung bei Tierärzten könnten wir ein Tier dorthin nicht mehr guten Gewissens hin vermitteln“, so der Tierheim-Sprecher.

Viele Hunde verhaltensauffällig

Für eine Verschärfung der Situation in den Heimen sorgt nach Einschätzung von Andreas Lindig zudem, dass immer mehr Hunde abgegeben werden, weil sie verhaltensauffällig seien: „Weil sie falsch aufgewachsen sind und häufig aus irgendwelchen Zuchten illegaler Art stammen, ganz egal ob aus dem Ausland oder von dubiosen Online-Angeboten.“ Die Folge für die Einrichtungen: Ihre Betreuung sei extrem aufwändig, kosten- und zeitintensiv, weil die Tiere erst einmal zur Ruhe kommen und resozialisiert werden müssten. Er dann könne man versuchen, neue Besitzer zu finden.

Heime sind überfüllt

Trotzdem vermitteln die Tierschützer nicht automatisch an jeden Interessenten. „Manchmal sind die Voraussetzungen einfach nicht gegeben, wenn wir der Meinung sind, dass sie dem Tier nicht gerecht werden können. Wir möchten ja, dass die Leute froh werden – und die Tiere eben auch.“ Lindig weiß jedoch auch, dass das Problem bei einer Absage nicht vom Tisch ist. Im Gegenteil: „Dann gehen diese Leute halt ins Internet und haben eine Woche später einen Hund. Und ein halbes Jahr später stehen sie dann mit ihm bei uns vor der Tür, weil sie ihn abgeben wollen.“ Allerdings: Auch in Rheinland-Pfalz sind die Heime absolut überfüllt – ebenso wie im Saarland.

Einige Hunde in Saarbrücken sind als gefährlich eingestuft

„Die Anfragen ebben einfach nicht ab“, sagt Frederick Guldner. Dabei sei man in der Landeshauptstadt schon jetzt mit 60 Hunden voll – normal seien 30 bis 40. Aktuell gebe es speziell im Raum Saarbrücken noch ein weiteres Problem: Denn mehr als ein Dutzend der Hunde seien Sicherstellungen und von Amts wegen als gefährlich eingestuft worden. „Das macht es super schwer, sie zu vermitteln“, sagt der Tierheim-Sprecher. Denn die neuen Besitzer benötigten einen Sachkundenachweis und müssten einen Wesenstest mit dem Hund bestehen, bevor sie ihn überhaupt aufnehmen dürften.

Problem-Hunde können sich auch als Glücksfälle erweisen

Die Zahl derer, die bereit sind, so viel Mühen auf sich nehmen, ist minimal. „Das ist wie ein Sechser im Lotto.“ Allerdings könnten sich selbst solche Problem-Hunde im Nachhinein als Glücksfall für die neuen Besitzer erweisen: „Natürlich gibt es einige Tiere, bei denen es Beißvorfälle gab. Aber es gibt auch solche, die sicherlich zu Unrecht als gefährlich eingestuft wurden“, sagt er. Eher hätten die Besitzer vermutlich nur vorgegeben, dass die Tiere gebissen hätten, um einen Grund zu haben, sie loszuwerden.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur