Saarmesse: Das passiert aktuell auf dem alten Messe-Gelände

Auf dem Gelände der ehemaligen Saarmesse entsteht ein völlig neuer Stadtteil. Sieben Messehallen sind bereits dem Erdboden gleichgemacht. Ein erster Neubau ragt in den Himmel. Mit den letzten Saarmesse-Spuren verschwinden auch Nostalgie und Saar-Geschichte.
Auf dem alten Saarmesse-Gelände entsteht ein neues Stadtviertel. Foto: Christine Funk
Auf dem alten Saarmesse-Gelände entsteht ein neues Stadtviertel. Foto: Christine Funk

Neuer Saarbrücker Stadtteil entsteht auf dem Messegelände

Biegt man von der A 620 in die Kurve Richtung Saarbrücker Messegelände, blickt man auf – nichts! Dort, wo früher die Hallen 7 bis 13 standen, haben Bauarbeiter und Bulldozer alles plattgemacht. Dafür wächst langsam ein Neubau in die Höhe. Hier soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 die AOK einziehen. Besonders die Drohnenbilder zeigen, wie sich das Areal gerade verändert (siehe Galerie). Die Stadt Saarbrücken hat das Gelände 2019 nach Bayern verkauft. Die Firma Reichenberger investiert hier 40 Millionen Euro. Der Schanzenberg soll Saarbrückens neues, 21. Stadtviertel werden – mit Gewerbe, Wohnen und Kita.

Saarmesse 1997: Bereits zum 25. Mal eröffnete Hans-Dietrich Genscher, bis 1992 Bundesaußenminister, die Internationale Saarmesse. Hier mit dem damaligen Saar-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine.

Saarmesse 1997: Bereits zum 25. Mal eröffnete Hans-Dietrich Genscher, bis 1992 Bundesaußenminister, die Internationale Saarmesse. Hier mit dem damaligen Saar-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine. Foto: BeckerBredel

Messehallen: Letzter großer Auftritt als Test- und Impfzentrum

Ihren letzten Kontakt mit den alten Messehallen hatten die meisten Saarbrücker:innen und auch viele Saarländer:innen im Jahr 2020. Die alte “Saarmesse” wurde erste zum Corona-Test-Zentrum, später dazu noch zum Impfzentrum. Seither ist Feierabend. Die alten Messehallen hatten ihren letzten großen Auftritt hinter sich.

Saargebiet: Eigene Messe und Fußball-Nationalmannschaft

Dabei hat die alte Saarmesse legendäre Zeiten erlebt. Die Historie ist eng verbunden mit dem Namen Grandmontagne. Genauer: Mit den Brüdern Heinz, Willi, Daniel und Fritz. Die vier stammten aus dem saarländischen Diefflen (heute Stadtteil der Hüttenstadt Dillingen). Heinz (Jahrgang 1922), der jüngste der vier, hatte bereits Messeerfahrung. Nach dem Krieg hatte er für die US-Alliierten in München und Stuttgart zwei Exportschauen organisiert. Nach einigen Wirren hoben die Brüder 1950 die erste Saarmesse aus der Taufe. Das Saarland hieß da noch Saargebiet, gehörte bis 1957 nicht zur Bundesrepublik und spielte mit eigener Fußball-Nationalmannschaft auf.

Grandmontagnes locken Politik-Promis nach Saarbrücken

Die Messe wuchs und wuchs. Zur “Saarmesse” kam 1965 die “Welt der Familie”, bald auf 43.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, in 13 Hallen und auf dem Freigelände am Schanzenberg. Dort, wo heute der 21. Saarbrücker Stadtteil entstehen soll.

Die Grandmontagnes waren hervorragend vernetzt. Weil die Brüder eine Freundschaft mit Hans-Dietrich Genscher verband, ließ es sich Deutschlands legendärer Außenminister nicht nehmen, die Saarbrücker Messen viele Jahre lang zu eröffnen. Weitere Bundesminister:innen gaben sich in Saarbrücken ebenso ihr Stelldichein, ließen sich bereitwillig Rostwurst mampfend fotografieren und prosteten mit Karlsberg-Bier fröhlich zu. Für Saarlands erste Politik-Riege war der Messebesuch sowieso Pflichtprogramm – egal, ob sie gerade Lafontaine, Müller oder Kramp-Karrenbauer hießen. Die Post gab sogar Briefmarken zur „Saarmesse“ heraus.

Gemüsehobel und Zauberpolitur für die Familienkarosse

“Saarmesse” und “Welt der Familie” waren über viele Jahre Leistungsschau der regionalen und überregionalen Wirtschaft, beliebtes Ausflugsziel – und Schauplatz mancher Kuriositäten. Nicht wenige saarländische Familien haben aus den Messehallen den berühmten Gemüsehobel mit nach Hause gebracht. Der TNS 2000 war sozusagen die Frühversion des “Nicer Dicer” aus dem Teleshopping. Dazu den „Zauberstab“ zum Zerkleinern und Pürieren von allem Möglichen oder die Zauberpolitur für die Lackpflege der Familienkarosse. Gesättigt von Rostwürstchen, Schwenker und Häppchen diverser Probierstände, dazu bepackt mit Kugelschreibern, Lesezirkel-Heften und Telefonbüchern, zog man am Messeabend zufrieden nach Hause.

Irgendwann war die Saarmesse nur noch Nostalgie

Die Messe am Saarbrücker Schanzenberg gehörte irgendwie immer dazu. Über die Jahre veränderte sie sich auch kaum. Verlässlich war sie da, zog sich mit ihren 13 Hallen entlang der Autobahn. Die etwas aus der Mode gekommenen Messehallen und die ebenso altmodischen Uniformen der Messepförtner hatten irgendwann etwas Nostalgisches.

Das Internet kam, Handel und Einkauf veränderten sich. Man brauchte die Messe eigentlich nicht mehr wirklich. Und doch hatte der Besuch etwas herzerwärmendes.

Ein Saarmesse-Klassiker: Der Gemüsehobel TNS 2000. In wie vielen saarländischen Haushalten das Gerät noch zu finden ist?

Ein Saarmesse-Klassiker: Der Gemüsehobel TNS 2000. In wie vielen saarländischen Haushalten das Gerät wohl noch zu finden ist? Foto: BeckerBredel

Berliner Missverständnisse und das Ende der Saarmesse

Mit Willi Grandmontagne starb im Jahr 2003 der letzte der vier Gründerbrüder. Noch bis 2012 war die Saarmesse GmbH im Besitz der Familie, diese verkaufte dann im August desselben Jahres an die Stadt. Im Rathaus dachte man großstädtisch, eine Kooperation mit der Messe Berlin sollte den Betrieb am Schanzenberg wieder aufpäppeln und modernisieren. Die Berliner konnten weder mit den Saarländern noch mit der Messe viel anfangen. Bereits 2013 beendete die Landeshauptstadt dieses Missverständnis wieder.

Zu alter Größe fand die Messe seither nie wieder zurück. Kleinere Veranstaltungen zogen in die Congresshalle. Auf den letzten großen Auftritt der alten Messehallen zur Coronazeit hätten die Saarländer:innen sicher verzichten können.

Stadtviertel soll neuen Glanz an den Schanzenberg bringen

Vorbei die Zeiten großer Promi-Aufläufe, von Gemüsehobeln, Probierständen und Zauber-Polituren. Neuen Glanz soll jetzt das Städtebauprojekt an den Saarbrücker Schanzenberg bringen. Die AOK zieht mit 300 Mitarbeiter:innen von der Halbergstraße ins neue Viertel. Es entstehen neue Bürotürme mit bis zu 16 Etagen. Die Drohnenbilder zeigen, wie sich das Gelände aktuell verändert. Was wohl Heinz, Willi, Daniel und Fritz Grandmontagne sagen würden, wenn sie ihr Messegelände jetzt sehen könnten?


Verwendete Quellen:
– Eigene Recherche
Beitrag von Gerhild Krebs, Universität des Saarlandes