Schüler:innen-Artikel: Drogen im jungen Alter? – Interview mit einem Abhängigen

Warum nehmen Menschen schon im jungen Alter Drogen? Dieser Frage sind Schüler:innen des Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasiums in Völklingen im Rahmen des Deutschunterrichtes nachgegangen. Um Antworten aus erster Hand zu bekommen, haben die Achtklässler:innen einen Abhängigen interviewt. Wir dürfen den entstandenen Artikel hier veröffentlichen:
Schüler:innen der 8. Klasse am MLK haben sich für einen Artikel im Deutschunterricht mit dem Thema Drogenkonsum befasst. Symbolfoto: Pexels
Schüler:innen der 8. Klasse am MLK haben sich für einen Artikel im Deutschunterricht mit dem Thema Drogenkonsum befasst. Symbolfoto: Pexels

Drogen sind meist illegale Substanzen, die oft illegal verkauft werden. Zu Drogen zählen auch Alkohol und Nikotin, diese sind in Deutschland legal. In diesem Artikel werden wir uns aber mit dem Konsum illegaler Substanzen, wie Kokain oder LSD beschäftigen, denn jeder zehnte 12-17-Jährige hat 2019 schon einmal Drogen konsumiert.

Warum nehmen bereits Jugendliche Drogen?

Aber warum konsumieren Jugendliche überhaupt Drogen und was macht sie so interessant? Bei manchen Jugendlichen ist es vor allem die Neugier und der Experimentierdrang, bei anderen wiederum ist es der soziale Druck von Freunden. 2020 haben ca. 7,8 Prozent der Jugendlichen schon mal Ecstasy-Erfahrungen gemacht, während 6,8 Prozent Amphetamine kennen. 5,4 Prozent wiederum experimentierten mit psychoaktiven Pflanzen, 4,7 Prozent mit Kokain und 3,2 Prozent mit LSD. Der Konsum von Cannabis hat seit 2011 bei Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen, stetig zugenommen.

In Berlin starben allein 2019 215 Menschen an Drogen. Damit ist Berlin trauriger Spitzenreiter der Drogentoten in Deutschland, die Zahlen steigen seit den letzten Jahren unaufhaltsam. Drogen können ganz verschiedene Nebenwirkungen haben: Amphetamine und Kokain können beispielsweise zu Depressionen und Angstzuständen führen, während Ecstasy oder LSD oft psychoseähnliche Zustände auslösen können.

Umfrage in der 8. Klasse: über die Hälfte klar gegen Drogen

Wie aber stehen Jugendliche selbst zum Thema Drogen? Dazu haben wir eine Klassenumfrage durchgeführt: Die Umfrage bei 20 Schülern zeigt, dass sieben Personen sich vorstellen könnten, irgendwann mal Drogen zu nehmen, mit der Begründung, dass sie es mal ausprobieren wollen. 12 Leute dagegen positionieren sich gegen den Konsum von Drogen, mit der Begründung, dass es gesundheitsschädigend ist und es dem Körper schadet. Viele kennen auch Menschen, die Drogen nehmen, womit dort aber eher das Rauchen, bzw. der Konsum von Alkohol gemeint ist.

Interview mit einem ehemaligen Abhängigen

Nachdem das jetzt geklärt wäre, gäbe es noch eine Sache, die uns brennend interessiert hat: Wie steht ein ehemaliger Drogensüchtiger zu diesem Thema? Genau das haben wir uns auch gefragt und ein Drogenhilfezentrum angeschrieben. Wir haben jemanden interviewt, der schon mal Drogen genommen hat und ihn gefragt, wie er seine Vergangenheit beurteilt.

Wann haben Sie das erste Mal Drogen genommen und welche Droge war das?

„Zum ersten Mal habe ich im Alter von 13 Jahren Marihuana geraucht. Im Alter von 15 Jahren habe ich zum ersten Mal Heroin gespritzt (intravenöser Konsum). Mit 16 Jahren begann ich mit starken Beruhigungsmitteln in Form von 2 mg Rohypnol (Benzodiazepine). Mit 21 Jahren ging ich in das ärztliche Substitutionsprogramm, in dem ich 17 Jahre lang mit 50 mg Polamidon behandelt wurde. Insgesamt habe ich 26 Jahre lang Drogen und Tabletten genommen.“

Hatten Sie Verhaltensänderungen durch den Konsum von Drogen und waren Ihnen die Risiken bewusst?

„Durch die Tabletten hat man starke Verhaltensveränderungen. Da ich sie immer im Zusammenhang mit Alkohol genommen habe, war ich in einem so desolaten Zustand, dass ich am Tag danach nicht mehr gewusst hatte, was ich am Tag der Einnahme getan oder nicht getan habe. Man hat einfach einen kompletten Kontrollverlust sowie Gedächtnislücken (ähnlich wie bei K.O.-Tropfen, da sie u.a. aus den gleichen Substanzen bestehen). Des Weiteren hatte ich mit 17 Jahren meine erste Heroinüberdosis, welche einen Intensivstationsaufenthalt nach sich zog. Im Laufe der Jahre hatte ich mehrere Überdosen und bin dreimal auf der Intensivstation wach geworden. Jedes einzelne Mal war die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass ich ohne ärztliche Hilfe gestorben wäre.“

Warum haben Sie Drogen genommen?

„Mein Vater war starker Alkoholiker. Er hatte im Rauschzustand oftmals meine Mutter vor meinen Augen grundlos verprügelt. So etwas kann ein Kind nur schwer ertragen. Also fing ich an, die Geborgenheit, welche mir zu Hause fehlte, woanders zu suchen und fand sie schließlich im Heroin und anderen suchterzeugenden Substanzen. Da ich alle negativen Gefühle und Ängste durch den Drogenkonsum verdrängen konnte, hielt ich die Drogen am Anfang für meinen Segen. Als ich jedoch merkte, dass ich durch das Heroin körperlich abhängig geworden bin und wie stark die Entzugsschmerzen sind, nachdem die Wirkung nachgelassen hat, wurde mir ziemlich schnell klar, dass die Drogen mein Fluch waren. Letzten Endes brauchte ich 26 Jahre, um von den Drogen wieder loszukommen. Wobei man immer verstehen muss, dass eine Suchterkrankung nicht heilbar ist. Man kann clean leben, findet sich aber immer wieder mit Situationen konfrontiert (Suchtdruck), in denen man gegen seine inneren Dämonen ankämpfen muss, um nicht rückfällig zu werden.“

Warum haben Sie sich Hilfe geholt?

„Das Konsumieren harter Drogen schadet dem Körper extrem. Dazu kam noch, dass ich mit meinem Drogenkonsum vielen Menschen, die mir nahestehen oder standen, sehr weh getan habe, was mir wiederum weh tat. Irgendwann sah ich ein, dass meine Gesundheit sowie meine Lieben, die mir am Herzen liegen, wichtiger sind als der Rauschzustand, in dem ich mich all die Jahre befand.“

Wie ging es Ihnen in der Zeit, als Sie mit dem Konsum aufgehört haben und wie schwer ist es Ihnen gefallen?

„Sehr schwer. Ich ging 2015 mit dem Willen, aufzuhören, zum ersten Mal in eine Entgiftung. Als dort nach zwei Wochen der Entzug einsetzte, bin ich wieder gegangen. Die Schmerzen waren zu stark. Also konsumierte ich weiter Heroin. Insgesamt hatte ich bis zum Jahr 2020 elf gescheiterte Entgiftungsversuche hinter mir. Im Mai 2020 bekam ich bei einer Gerichtsverhandlung die Auflage eine Therapie zu machen. Während ich mich in der Therapieeinrichtung Ludwigsmühle befand, wurde ich rückfällig und flog raus. Danach hatte ich nur noch eine Wahl. Entweder sofort clean werden oder in den Knast gehen. Also ging ich im August 2020 in die Lebensgemeinschaft für Suchtkranke „die Fleckenbühler“. Dort hatte ich die ersten fünf Wochen einen sehr schmerzhaften kalten Entzug von Heroin, Polamidon und Benzodiazepinen. Es war alles andere als leicht für mich in dieser Zeit, nicht zu gehen. Heute kann ich sagen, dass ich seit dem 16.08.2020 clean bin. Bis dorthin war es jedoch ein langer und schwieriger Weg, der von vielen zermürbenden Rückschlägen gepflastert ist. Für einen suchtkranken Menschen ist es nie einfach, mit dem, wovon er süchtig ist, aufzuhören.“

Waren Ihnen die Risiken bewusst, wenn Sie Drogen genommen haben?

„In meinem Fall bestand das Risiko, an einer tödlichen Überdosis zu sterben. Seit meiner ersten Überdosis war mir dieses Risiko durchaus bewusst. Da ich mich jedoch in einem starken Konsumverhalten befand, in dem ich nicht einfach so mit dem Heroin aufhören konnte, nahm ich dieses Risiko in Kauf bzw. habe es ignoriert.“

Wow, was für ein ehrliches und emotionales Interview! Wir zeigen tiefsten Respekt vor dieser Person, die das (vor allem schon in der Kindheit) erleben musste und bedanken uns ganz herzlich bei ihr, dass wir sie interviewen durften. Ein großer Dank geht auch an das Drogenhilfezentrum Saarbrücken, das uns dieses Interview ermöglicht hat. Falls du ähnliche Probleme hast, kannst du dich dort gerne vorstellen. Unsere eigene Meinung zu diesem Thema lautet ganz klar: Drogen sind schädlich für Körper und Geist und führen in vielen Fällen zur Sucht.

Dieser Artikel wurde verfasst von den Schüler:innen Nils Flohr, Jana Deckarm, Anna Weber und Sudenaz Unur der 8. Klasse am Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium in Völklingen. Das Interview fand schriftlich und anonym über das Drogenhilfezentrum statt.