Tod von Polizistin in Saarbrücken: „Ein Opfer, viele Verlierer“
Maximal eineinhalb Sekunden hat es gedauert, dann war das Leben für Charlotte B.s Familie und Angehörige nicht mehr das gleiche. Es waren die eineinhalb Sekunden, in denen der Streifenwagen, in dem die junge Kommissarin unterwegs war, am Kreisel in Saarbrücken-Güdingen abhob, sich überschlug und gegen zwei Laternenmaste prallte. Eineinhalb Sekunden, nach denen die Polizistin ihr Leben verlor.
Um den Tod von Charlotte B. ging es am heutigen Freitag (28. August 2020) vorm Amtsgericht Saarbrücken und um die Frage, welche Strafe für diese fahrlässige Tötung angemessen ist. Am Ende entschied sich das Gericht für sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für den Fahrer des Streifenwagens. Als Auflage muss der 35-Jährige in den nächsten drei Jahren straffrei bleiben und 3.500 Euro an den Kinderhospizdienst Saar zahlen.
Angeklagter legt Geständnis ab
Strafmildernd wirkte sich das umfassende Geständnis des angeklagten Polizisten aus: Er hatte geschildert, wie er zusammen mit seiner Kollegin an diesem frühen Samstagmorgen im Februar 2019 einen Wagen verfolgte, dessen Fahrer mutmaßlich betrunken gewesen war. An der Dienststelle in der Innenstadt fuhren die beiden Beamten mit Blaulicht los, es ging auf die Autobahn und bei Güdingen wieder hinunter.
Dort, so der Angeklagte, habe er sich nicht mehr ausgekannt. Trotzdem raste er durch die Großblittersdorfer Straße, obwohl zu keiner Zeit der Verfolgungsfahrt Sichtkontakt zu dem gesuchten französischen Auto bestand. In der Nähe des Verteilerkreisels beschleunigte er den Mercedes C220d: Erlaubt waren 50 Kilometer pro Stunde, das Polizeiauto war mit 152 km/h unterwegs. Auch sei dem Angeklagten nicht klar gewesen, dass sich wenige Meter hinter dem Kreisel bereits die deutsch-französische Grenze befindet, der Verfolgte also gar nicht mehr einzuholen war.
Polizeiauto fliegt über Kreisel
Wohl weil er trotz der hohen Geschwindigkeit nicht aufmerksam fuhr und mit der Situation überfordert war, bremste der Blieskasteler den Streifenwagen viel zu spät ab. Der Wagen flog über den Kreisel – „wie eine Rakete“ schilderten Augenzeugen –prallte auf der anderen Seite gegen einen Bordstein und schließlich gegen zwei Laternenmaste. Maximal eineinhalb Sekunden dauerte der Unfall, befand der Sachverständige. Der Fahrer wurde schwer verletzt, Charlotte B. starb noch am Kreisel.
Das Gericht meinte, dass eine Trunkenheitsfahrt durchaus eine schnelle Verfolgung durch die Polizei gerechtfertigt. Doch gerade weil der Angeklagte sich im Grenzgebiet nicht auskannte und überfordert war, hätte er den Streifenwagen nicht derart beschleunigen dürfen.
Angeklagter: „Es tut mir unfassbar Leid“
In seiner Einlassung zeigte der Angeklagte Reue. „Es war der größte Fehler meines Lebens. Ich habe mir seit dem Unfall oft gewünscht, dass nicht Charlotte ums Leben gekommen wäre, sondern ich“, sagte der 35-Jährige. Ihm sei schmerzlich bewusst, dass das ganze Leid und der Verlust Charlottes alleine auf sein Fehlverhalten zurückzuführen sei. „Es tut mir unfassbar Leid. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an Charlotte und ihre Familie denke“, so der Blieskasteler, gerichtet auch an die Mutter der Verstorbenen, die als Nebenklägerin vor Gericht auftrat. Er hoffe, eines Tages gemeinsam mit der Familie um Charlotte trauern zu können.
Aus Sicht des Gerichts gab es bei dem Unfall ein Opfer und viele Verlierer: das Opfer Charlotte B., die 22-Jährige, die erst wenige Wochen zuvor zur Kommissarin ernannt worden war und noch ihr ganzes Leben vor sich hatte. Die Verlierer auf der anderen Seite: die Familie, die Angehörigen sowie der Lebensgefährte von Charlotte, die mit dem Verlust der jungen Frau leben müssen. Und den Angeklagten, der nach dem Unfall den Glauben an sein Leben verlor.
Verwendete Quellen:
– eigene Recherche
– eigene Berichte