Völlig ausgebrannt: Saar-Sportlerin spricht über Zusammenbruch und sofortiges Karriereende

Louisa Grauvogel zählte zu den besten Siebenkämpferinnen in ganz Deutschland. Im Herbst 2022 verkündete die saarländische Spitzensportlerin im Alter von nur 26 Jahren ihr überraschendes Karriereende. Den Schritt erklärte Grauvogel damals mit einem Hörverlust, der durch massiven psychischen Druck ausgelöst wurde. In einer Dokumentation des öffentlich-rechtlichen TV-Senders "ARD" spricht die Saarländerin nun über ihr Burnout und die ersten Schritte in ein gesünderes Leben:
Louisa Grauvogel bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 2018 im Berliner Olympiastadion. Archivfoto: picture alliance/dpa | Sven Hoppe
Louisa Grauvogel bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 2018 im Berliner Olympiastadion. Archivfoto: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Saar-Spitzensportlerin Grauvogel beendet Karriere nach Zusammenbruch

Louisa Grauvogel aus Ottweiler gehörte bis vor kurzem noch zu den besten Leichtathletinnen Deutschlands. Als Siebenkämpferin stand die Saarländerin kurz davor, sich ihren Traum von einer Olympia-Teilnahme zu erfüllen. Doch gerade auf dem Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere kam es dann im Herbst 2022 zu einem Zusammenbruch. Grauvogel erlitt einen Hörsturz, ausgelöst durch massiven psychischen Druck. Die extremen Belastungen und der Stress des Hochleistungssports brachten die Saarländerin an ihre mentalen und körperlichen Grenzen. Im Alter von 26 Jahren wagte Grauvogel dann einen gleichermaßen mutigen wie schwierigen Schritt: Sie beendete ihre Karriere und erläuterte der Öffentlichkeit die gewichtigen Gründe für ihren Entschluss.

TV-Doku bietet spannende Einblicke: 26-Jährige verliert gesundes Maß

Einen tieferen Einblick in ihre Gedanken von damals und heute bietet Louisa Grauvogel in einer aktuellen TV-Dokumentation. Im Rahmen der ARD-Reihe „Echtes Leben“ spricht die Saarländerin über ihr Burnout im vergangenen Herbst. Dem Zusammenbruch vorausgegangen war ein Leben, in dem der jungen Frau das Gefühl für ein gesundes Leistungspensum komplett abhandengekommen war.

YouTube

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von Youtube angezeigt werden.
Datenschutzseite

Einverstanden

Grauvogel stand rund um die Uhr unter extremem Leistungsdruck

„Ich bin halt immer so um 5.30 Uhr aufgestanden, dann ins Fitnessstudio gegangen, habe dann dort so 90 Minuten Krafttraining gemacht. So gegen 8.30 Uhr war ich meist wieder zu Hause und habe kurz etwas gefrühstückt. Dann musste ich auch wieder los zur Uni“, beschreibt die 26-Jährige einen typischen Start in ihren Tag.

Grauvogel betreibt zu diesem Zeitpunkt nicht nur Hochleistungssport, sondern studiert Biochemie in Köln, wo sie zudem auch noch parallel in einem der führenden Labore weltweit arbeitet. „Bis 18.30 Uhr oder 19.00 Uhr war ich dann fertig in Köln und habe danach in Dormagen wieder Techniktraining gemacht. Das war meistens so etwas wie Weitsprung, Hochsprung, manchmal auch Würfe, Hürden- oder Sprinttraining. Das war dann wieder zwei Stunden. Dann habe ich da geduscht und bin nachhause gefahren. Da musste ich manchmal noch etwas lesen für die Uni am nächsten Tag und dann bin ich meist so gegen 12 oder 1 Uhr ins Bett gegangen“, beschreibt Grauvogel die erdrückende Situation.

Kaum Raum für Freund:innen und Familie

Bereits auf den ersten Blick wird klar, dass die 26-Jährige an einem Punkt war, an dem sie kaum noch Raum für ihre Freund:innen und Familie hatte. „Man hat halt funktioniert, man hat Sachen abgearbeitet und alles waren Termine“, beschreibt Grauvogel ihr damaliges Leben, das nur noch darauf ausgerichtet war, Hochleistungen in gleich mehreren Karrierebereichen zu vollbringen. Selbst für richtiges Essen hatte sie kaum noch Zeit. Oft mussten Proteinshakes und Nahrungsergänzungsmittel herhalten. Für ein normales Kochen am Abend fehlte schlichtweg die Zeit.

Grauvogel erzählt von Depression und Zusammenbruch

In der TV-Dokumentation spricht die 26-Jährige dann schließlich über ihre Depression und den sich sukzessive anbahnenden Zusammenbruch. Erste mentale Probleme hatte Grauvogel bereits im Jahr 2018. Bei der damaligen Europameisterschaft in Berlin glänzte die Siebenkämpferin mit beeindruckenden Leistungen und stand kurz davor, sich für eine Olympia-Teilnahme zu qualifizieren. Wegen einer größeren Wettkampfpause zwischen zwei Einzeldisziplinen wollte Grauvogel zur Erholung ins Hotel fahren. Auf dem Weg dahin hatte sie einen schlimmen Autofall, bei dem sie verletzt und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Dadurch verpasste sie die Teilnahme an den ausstehenden Disziplinen des Siebenkampfs, was ihren Traum von der Olympia-Teilnahme erst einmal zerstört hatte.

In der Folge fiel Grauvogel in ein mentales Loch. Sie spricht mit ihrem Umfeld darüber, dass sie sich zunehmend unglücklich und traurig fühlt. Die junge Sportlerin berichtet von den vielen negativen Gedanken und dem Gefühl, versagt zu haben. Sie nimmt schließlich psychologische Hilfe in Anspruch. In der Therapie geht es viel um ihr fragiles Selbstwertkonzept, das auf Höchstleistungen und Beifall von außen ausgerichtet ist. Denn Grauvogel hatte lange Zeit das Gefühl, nur etwas wert zu sein, wenn sie Höchstleistungen vollbringt.

Immenser Druck führt schließlich zu körperlichen Problemen

Trotz des psychischen Ballastes zwängt sich die Saarländerin noch mehrere Jahre durch ein leistungsgetriebenes Leben, in dem sie rund um die Uhr funktionieren muss und keinerlei Freiräume hat. „Ich hatte halt natürlich einen vollkommenen Schlafmangel, ich war halt eigentlich konstant müde. Und dann hatte ich auch so komische Ödeme in meinem Körper, ich hatte dicke Lymphknoten. Dann kam irgendwann diese Lustlosigkeit und ich war dann halt irgendwie nicht mehr so richtig mit Freude dabei, weil ich halt einfach gar keine Erholung mehr hatte. Der Hörsturz war dann das i-Tüpfelchen und es war dann ganz zu Ende“, beschreibt die 26-Jährige die Entwicklung bis zu ihrem Zusammenbruch im Jahr 2022.

„Irgendwann ist sie komplett zusammengebrochen und lag nur noch heulend auf dem Boden.“

Der Freund der Spitzensportlerin erklärt, wie er die Situation damals erlebt hatte: „Irgendwann ist sie komplett zusammengebrochen und lag nur noch heulend auf dem Boden. Man merkte, da ist gar kein Griff mehr, an dem sie sich herausziehen kann, an dem sie sich festhalten kann. Ich war auch einfach nur schockiert, weil man in dem Moment gar nichts mehr sagen konnte“. Er habe sofort gewusst, dass das ein Moment sei, nach dem nichts mehr so sein werde wie vorher. Er sollte recht behalten.

Grauvogel beendet Karriere als Leistungssportlerin und sucht nach neuem Lebenssinn

Grauvogel entschließt sich im Herbst 2022, ihre Karriere als Hochleistungssportlerin zu beenden. Die Entscheidung sei ihr alles andere als leicht gefallen. Zum einen sei es schwierig, sich selbst einzugestehen, dass man etwas nicht mehr schafft. Zum anderen hätten auch andere Personen sie vom Weitermachen überzeugen wollen und ihr gesagt, dass sie ihr Talent wegwerfe. Ihr direktes Umfeld unterstützte die 26-Jährige aber zum Glück bei ihrem mutigen Schritt in ein gesünderes Leben.

Dass dieser aber gar nicht so einfach ist, wird in der TV-Dokumentation ebenfalls ersichtlich. Denn das Leistungsstreben und der Perfektionismus, den kann Louisa Grauvogel nicht so einfach von dem einen auf den anderen Tag ablegen. Schließlich hat sie sich den Großteil ihres Lebens über Leistung definiert. Ein Gefühl für einen leistungsunabhängigen Selbstwert, das muss sie erst einmal erlernen. Denn ihr eiserner Ehrgeiz zeigt sich nicht nur im Sport. Auch in anderen Lebensbereichen ist Grauvogel nicht nur talentiert, sondern auch leistungsverbissen. Dass die junge Biochemikerin die Chance hat, nach Havard zu gehen, wird in der Dokumentation zwar nur beiläufig erwähnt, zeigt allerdings, dass die Saarländerin nicht nur im Sport als High-Performerin agiert. Nun gilt es für Grauvogel, diese High-Performance eben nicht mehr auf dem Rücken ihrer Gesundheit auszutragen.

„Ich habe nicht mehr so viele Sorgen“

Hierfür befindet sich die 26-Jährige inzwischen auf einem guten Weg. „Ich habe nicht mehr so viele Sorgen. Ich bin nicht mehr so gestresst. Ich bin eine sehr unbeschwerte Person geworden. Diese Empathie und diese Sensibilität, die ich so neu gewonnen hab‘, das sind so Werte, die mich schon auf jeden Fall noch mehr auszeichnen als früher“, so Grauvogel zu ihrer aktuellen Situation. Eine positive Entwicklung bescheinigen ihr auch ihr Freund und ihre Freund:innen. So erklärte beispielsweise eine Freundin, mit der sich die Saarländerin in einem Kölner Café trifft, dass sie es schön finde, dass man jetzt endlich mal unbeschwerte Zeit miteinander verbringen könnte. Das sei so vorher nie möglich gewesen. Alle wirken erleichtert.

Louisa Grauvogel setzt ihre Prioritäten neu

Grauvogel selbst scheint ihre Prioritäten inzwischen neu gesetzt zu haben. Als Außenstehender kann man ihr zu dieser Entscheidung nur gratulieren. Schließlich erscheint der Gedanke alles andere als falsch, dass man auf der eigenen Beerdigung später lieber mal hören möchte, dass man ein toller Mensch gewesen sei, als dass man eine Sekunde schneller laufen oder ein paar Zentimeter weiter springen konnte.

Hier findet ihr die Doku über Lisa Grauvogel

Die Dokumentation über die ehemalige saarländische Spitzensportlerin Louisa Grauvogel findet ihr in voller Länge in der ARD-Mediathek unter: „Echtes Leben: Burnout einer Leistungssportlerin – Louisa Grauvogels Ausstieg“. Das Video ist noch bis zum 11.04.2025 online abrufbar.

Verwendete Quellen:
– ARD-Dokumentation „Echtes Leben: Burnout einer Leistungssportlerin – Louisa Grauvogels Ausstieg“ vom 11.04.2023